Ingolstadt
Bibelfest und bodenständig

Der Brasilianer Roger ist beim FC 04 eine feste Größe geworden – Dennoch zieht es ihn in die Heimat

07.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:22 Uhr
Ein Profi, viele Fragen: Roger war zu Gast in der Schanzer Fußballschule. −Foto: Gottfried Sterner

Ingolstadt (DK) Eigentlich hatte Roger mit dem schweißtreibenden Training beim FC Ingolstadt den vermeintlich anstrengendsten Teil des Tages schon hinter sich. Frisch geduscht, in weißem T-Shirt und dunkelblauen Shorts gekleidet, schlendert der Brasilianer in hellblauen Flip-Flops lässig zu seiner Zusatzaufgabe – er ist der Stargast in der Schanzer Fußballschule.

In der Mittagspause unter dem schattenspendenden Tribünendach des Audi-Sportparks soll der 28-Jährige den Kindern Rede und Antwort stehen. Als sich Roger dem abgesperrten Bereich nähert und ihn die ersten Nachwuchskicker erblicken, gibt es aufgeregtes Gekreische. Schnell ist der Brasilianer umringt und wird nach anfänglicher Schüchternheit mit Fragen bombardiert.

„Was ist dein Lieblingsauto“, „Bist du schon Millionär“ oder „Wie hoch ist die Strafe für eine Rote Karte“ wollen die Kinder von Roger wissen. Da gerät sogar die brasilianische Frohnatur manchmal ins Grübeln und runzelt die Stirn. „Nein, Millionär bin ich noch nicht“, sagt Roger und lacht. Aber wohl nicht deshalb, weil er in seiner Karriere in Deutschland schon dreimal vom Platz geflogen ist. „Oh, eine Rote Karte ist teuer. Da muss man schon 1000 oder 2000 Euro in die Mannschaftskasse zahlen“, sagt der defensive Mittelfeldspieler.

Roger gibt sich zwar ganz cool und lächelt oft, aber man merkt schon, dass die Fragestunde nicht weniger anstrengend ist als das Training. Es ist laut und der Brasilianer, der mittlerweile ganz ordentlich Deutsch spricht, muss sich konzentrieren, damit er alles versteht. Nach Caiubys Wechsel zum FC Augsburg („Ich vermisse ihn. Wir telefonieren täglich“) soll er nun in die Fußstapfen seines beliebten Landsmanns als Aushängeschild des Vereins schlüpfen.

Vor einem Jahr wäre das noch undenkbar gewesen. Roger musste in der Innenverteidigung spielen, produzierte immer wieder grobe Schnitzer und wurde schnell zum Buhmann. Erst als Trainer Ralph Hasenhüttl das Kommando übernahm, stabilisierten sich die Leistungen des sensiblen Spieler.

Inzwischen rückte Roger wieder auf die von ihm favorisierte Position vor der Abwehr und ist im 4-3-3-System sogar Hasenhüttls Schaltfigur im zentralen Mittelfeld. „Er ist ein Riesenkicker und ein Chef, den jeder akzeptiert“, sagt der Trainer. Roger gibt das Kompliment zurück. „Hasenhüttl ist der beste Trainer, den ich in Deutschland hatte. Er hat mir Vertrauen geschenkt“, sagt Roger, der sich in seiner Rolle wohlfühlt. „Ich muss kein Chef sein, aber ich war in Brasilien oft Kapitän. Ich versuche instinktiv, das Spiel an mich zu reißen“, meint der 28-Jährige. Das wird auch anhand seiner Spielweise sichtbar – nicht umsonst ist Roger erklärter Eishockeyfan. Bodychecks und eine recht körperbetonte Spielweise sind für ihn charakteristisch, aber er hat durchaus auch die technischen Fähigkeiten eines Brasilianers.

Nach nunmehr fünf Profijahren in Deutschland (2009 bis 2012 in Cottbus und seit 2012 in Ingolstadt) und 119 Zweitligaeinsätzen ist Roger eine feste Größe geworden. Aber Ingolstadt gefällt ihm besser als Cottbus. „Die Menschen hier sind freundlicher und lachen öfters. Wir haben hier viele Freunde. Das macht es auch für meine Frau Thais leichter“, sagt Roger. Zweimal pro Woche sind sie im Bibelkreis der brasilianischen evangelischen Kirche, die einst der ehemalige Bayern-Profi Ze Roberto in München mitgegründet hat. Mittlerweile gibt es auch in Ingolstadt eine Glaubensgemeinschaft, in der sich Rogers Freundeskreis trifft.

Trotzdem denkt der FC-04-Profi oft an seine Heimatstadt Rio Claro. In der 190 000-Einwohner-Stadt nordwestlich von Sao Paulo leben seine Eltern, Schwester Hariela und eine Oma. „Am Ende der Saison läuft mein Vertrag aus. Dann sind wir schon sechs Jahre in Deutschland. Vielleicht kehren wir nach Brasilien zurück“, meint Roger, der schon an die eigene Familienplanung denkt und gerne wieder in der Heimat leben würde.

Zunächst jedoch will der robuste Ballkünstler eine gute Saison mit dem FC 04 spielen. Dafür hat er sich einiges vorgenommen. „Voriges Jahr waren wir Zehnter. Jetzt wollen wir besser sein, Platz sechs wäre nicht schlecht“, meint Roger. Für das erste Heimspiel am Sonntag (13.30 Uhr) gegen Aufsteiger SV Darmstadt 98 gibt er ein klares Ziel aus. „Da müssen wir drei Punkte holen. Der Gegner muss schon an unserer Körpersprache erkennen, dass das unser Stadion ist. Er muss Respekt vor uns haben“, sagt der Brasilianer.

Seinen Auftritt als Stargast in der Schanzer Fußballschule hat Roger jedenfalls gut überstanden. Roger schrieb geduldig Autogramme auf Schuhe und Trikots und wich keiner Frage aus. Selbst die nach seinem Lieblingsauto hat Roger beantwortet. „Ein A 6 wäre schön. Aber dafür muss ich erst noch den Führerschein machen.“