Ingolstadt
"Die Tränen haben mich wachsen lassen"

Tobias Levels, Neuzugang des FC Ingolstadt, hat bei seinem Ex-Klub Düsseldorf eine Extremsituation durchstehen müssen

20.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Von seinen Gefühlen übermannt: Nach zwischenzeitlichen Pfiffen bedankt sich Tobias Levels sichtlich mitgenommen bei den Düsseldorfer Fans für die aufmunternden Sprechchöre. - Foto: Eibner

Ingolstadt (DK) Kritisiert, ausgepfiffen, gefeiert und am Ende doch abserviert. Tobias Levels, jüngste Neuverpflichtung des FC Ingolstadt, hat im Profigeschäft schon einiges erlebt. Vor allem bei seiner letzten Station Düsseldorf verbrachte der 27-jährige Verteidiger eine tränenreiche und prägende Zeit.

„Hallo, ich bin der Tobi.“ Wer sich mit Tobias Levels zum Gespräch verabredet, gewinnt schnell den Eindruck, dass hier ein gestandener Profi vor einem sitzt. Keiner, der große Sprüche macht, keiner, der dick aufträgt – auch wenn er das nach 102 Bundesligaspielen (für Mönchengladbach) vielleicht sogar könnte. Levels, so der Eindruck, ist nämlich nicht nur Fußballer. Der Sohn niederländischer Eltern (geboren in Tönisvorst am Niederrhein), spricht neben deutsch noch drei weitere Sprachen (englisch, spanisch, französisch), spielt Gitarre („Eric Clapton, aber auch Aktuelles“) und beschäftigt sich per Fernstudium mit Ernährungsfragen und Naturheilkunde. Im Fußball hat Levels im August 2013 allerdings etwas erlebt, „was es so vielleicht noch nie gegeben hat“.

Es war der dritte Spieltag der Vorsaison. In der 78. Minute des Heimspieles gegen 1860 München – es stand 1:1 – unterlief dem Außenverteidiger ein fataler Stellungsfehler, den die Löwen prompt zum 2:1-Siegtreffer nutzten. Von einigen Anhängern wird Levels sofort als Sündenbock auserkoren und bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. „Zunächst einmal geht einem da nicht viel durch den Kopf. Ich hab nur versucht, die restlichen Minuten vernünftig über die Runde zu bringen“, erinnert sich Levels. Nach dem Schlusspfiff wird er von seinen Gefühlen übermannt. Auf der Auswechselbank sitzend bricht er in Tränen aus.

Kurz darauf aber die überraschende Wende, als aus der Fankurve Levels-Sprechchöre kommen. „In dieser Szene ist im Grunde eine Art Blase geplatzt“, erklärt Levels. „Da ich vorher in Gladbach gespielt habe, hatte ich es von Beginn an schwer in Düsseldorf. Es gab einige Antipathien und eine unterschwellige Skepsis, die an diesem Tag an die Oberfläche gespült wurden. Erst durch meine Reaktion haben die Fans offenbar gespürt, wie nahe mir das geht.“ Levels stand auf, ging mit feuchten Augen in die Kurve und bedankte sich bei den Anhängern. „Nach dieser Konfrontation war ich akzeptiert, das hat mir im Weiteren eine Menge Energie gegeben. Diese Szene und die Tränen haben mich definitiv wachsen lassen.“

30 Spiele bestritt der Außenverteidiger bis zum Ende der Saison, so viele wie kein zweiter Düsseldorfer. Und die Fortuna wurde immerhin Sechster. Doch auch wenn die Zahlen okay erscheinen, für Levels folgte der nächste Rückschlag. Nach drei Jahren bei den Rheinländern wurde sein Vertrag nämlich nicht mehr verlängert. „In dem Geschäft werden nicht unbedingt Gründe genannt. Der Verein hatte eine Entscheidung getroffen, die musste ich akzeptieren.“ Was er nicht wusste: Levels, seit acht Jahren Profi mit lückenloser Karriere, sollte fünf Monate lang keinen neuen Verein finden.

„Ich hatte zwar nie Angst, dass es nicht mehr weitergehen würde, dennoch war es manchmal hart“, erzählt Levels. Gerade in dieser Zeit haben ihm seine zahlreichen Interessen abseits des Fußballs geholfen. Dennoch: Das Warten auf Anfragen zehrte an den Nerven. Zeitweise wurde über Angebote aus Bochum und Darmstadt spekuliert, „wirklich konkret war aber nur die Anfrage aus Ingolstadt“, sagt Levels, der bei den Schanzern eine Vereinbarung bis zum Saisonende unterschrieb.

„Tobias ist ein guter Typ, der uns nach der schweren Verletzung von Danny da Costa sofort weiterhilft“, sagt Trainer Ralph Hasenhüttl. Die Erfahrung des Außenverteidigers, sowie der Umstand, dass sich Levels bei seinem Ex-Klub Mönchengladbach fit gehalten hat und sofort einsatzbereit wäre, sprechen für den 27-Jährigen. „Theoretisch hätte ich keine Bedenken, ihn sofort reinzuschmeißen“, sagt Hasenhüttl, „auch wenn er natürlich erst noch unsere Abläufe kennenlernen muss.“ Im Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg (Sonntag, 13.30 Uhr) ist Konstantin Engel auf der Rechtsverteidigerposition somit „ganz klar die erste Option“, wie Hasenhüttl ankündigt.

Levels weiß, dass er bei seinem neuen Arbeitgeber Geduld mitbringen muss. „Es ist logisch, dass ich hier nicht von der ersten Sekunden an spiele. Ich muss mich im Training anbieten, alles Weitere ergibt sich.“ Wirkliche Zweifel, dass er bald spielen wird, scheint er aber nicht zu haben. Mitunter muss man eben nur beharrlich weiterarbeiten. Dann, Levels weiß das, fügen sich die Dinge schon.