Ingolstadt
"Hier ist alles frisch und jung"

Fanliebling Ralph Gunesch über seinen Abschied, den Teamgedanken und die Aussichten des FC 04

25.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:16 Uhr

Ingolstadt (DK) Sechs Spieler hat der FC Ingolstadt gestern im Rahmen seiner Meisterfeier auf dem Rathausplatz verabschiedet. Einer davon ist Ralph Gunesch, der im Januar 2012 vom FC St. Pauli zu den Schanzern kam.

Herr Gunesch, Sie waren acht Jahre beim Kiezklub in Hamburg und sind mit ihm in die Bundesliga aufgestiegen. Jetzt auch mit dem FC 04. Können die Ingolstädter feiern?

Ralph Gunesch: Absolut. Alles, was sich in den vergangenen Monaten aufgebaut hat, sieht man jetzt. Der Autokorso war mega und auch die Stimmung auf dem Rathausplatz. Einfach großartig.

 

Für Sie persönlich ging die Meistersaison nach einer 13-monatigen Verletzungspause mit ihrem 53. Einsatz im FC-Trikot zu Ende. Was bedeutet es Ihnen, dass Sie beim 1:1 in Kaiserslautern noch zum Einsatz kamen?

Gunesch: Wenn man lange Zeit nicht eingreifen kann, ist es schwierig. Ich habe mich nach meinem Kreuzbandriss wieder herangekämpft. Dass ich noch aktiv mitwirken konnte und einen Punkt mitgeholt habe, fühlt sich einfach besser an. Aber es war eine schwierige Zeit.

 

Wann haben Sie erfahren, dass Sie spielen werden?

Gunesch: 20 Sekunden vor der Einwechslung. Wir haben darüber gesprochen, dass mich der Trainer für den Kader nominiert, aber mehr nicht.

 

Wie haben Sie diese Saison erlebt? Sie waren nach Ihrer Reha in Hamburg nah dran an der Mannschaft, konnten aber nicht spielen.

Gunesch: Ich habe vor meinem Kreuzbandriss viele Spiele gemacht und geholfen, dass wir den Klassenerhalt erreichten. Aber dann kam die Verletzung für mich zu einem sehr unglücklichen Zeitpunkt, als der Verein und die Mannschaft einen Riesensprung nach vorne gemacht haben. In der Kombination mit der schweren Verletzung war es für mich sehr schwierig, den Rückstand aufzuholen. Für den FC 04 freut es mich natürlich. Den Rest mache ich mit mir selbst aus.

 

Wie meinen Sie das?

Gunesch: Ich bin 14 Jahre in dem Geschäft und habe vieles erlebt. Aber die Situation mit dieser langen Verletzungspause war für mich auch neu und nicht immer leicht. Ich musste die persönlichen Rückschläge verarbeiten und durfte das aber gleichzeitig nicht nach außen ausstrahlen, weil das die Stimmung hätte vergiften können. Und das war das Letzte, was ich wollte. Ich habe immer versucht, auch in einigen schwierigen Momenten, in denen ich war, den Teamgedanken hochzuhalten. Ich glaube, das ist das, was ich zum Aufstieg beitragen konnte.

 

Sie genießen bei den Fans eine unglaubliche Popularität, obwohl Sie nicht gespielt haben. Wie erklären Sie sich das?

Gunesch: Nach einer so langen Zeit bei St. Pauli nimmt man da sehr viel mit. Ich bin nach Ingolstadt gekommen und habe das völlig unvoreingenommen als sehr interessante Aufgabe für mich angenommen und sofort den Kontakt zu den Fans gesucht. Hier ist alles noch sehr frisch und jung. Es gibt noch keine eingefahrenen Prozesse, es wird noch viel improvisiert, was gar nicht negativ ist. Man hat hier die Möglichkeit Geschichte zu schreiben, was wir auch mit der Feier auf dem Rathausplatz tun. Viele Vereine, die sich auf ihre Tradition berufen, kennen die Anfänge nur noch aus den Geschichtsbüchern. Hier hat man die Möglichkeit von der Stunde null an dabei zu sein. Und da wollte ich die Leute mit ins Boot nehmen.

 

War das schwierig?

Gunesch: Aufgrund der sportlichen Situation am Anfang schon, weil die Bindung zwischen den Anhängern und der Mannschaft noch nicht so eng verknüpft war wie jetzt. Aber weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig und schön das ist, sowohl im Erfolgsfall als auch, wenn es mal nicht läuft, habe ich versucht, das Thema in die Mannschaft zu tragen und Offenheit zu vermitteln. Vielleicht trägt das und manches gute Spiel, das ich gemacht habe, dazu bei, dass mich der eine oder andere in guter Erinnerung behält.

 

Wissen Sie schon, wie es bei Ihnen weitergeht?

Gunesch: Nein, gar nicht. Dass mein Vertrag nicht verlängert wird, ist eine sportliche Entscheidung, die ich akzeptiere. Ich habe jetzt aber noch keinen konkreten Plan in der Tasche.

 

Aber Sie wollen weiter spielen?

Gunesch: Eigentlich ja. Aber mit bald 32 Jahren und der Verletzungsgeschichte stehen die Vereine nicht Schlange.

 

Sie sind sehr engagiert in den sozialen Netzwerken. Ist das möglicherweise ein Bereich, den Sie sich auch bei einem Verein, eventuell ihrem Herzensklub St. Pauli, vorstellen können?

Gunesch: Das weiß ich noch nicht. Ich wollte so etwas nicht beruflich machen, weil ich dafür überhaupt keine Ausbildung habe. Aber ich mache das, weil ich persönlich Bock darauf habe, weil ich gerne in die offene Kommunikation mit den Fans trete. Man muss sich als Verein greifbar machen und darf sich nicht abschotten, sonst entsteht keine Bindung.

 

Würden Sie beim FC 04 eine andere Aufgabe annehmen?

Gunesch: Ich weiß nicht, was der Verein plant. Mit mir hat niemand gesprochen. Aber ich bin jetzt in einer Phase, in der man sich alles gerne anhört.

 

Was trauen Sie dem FC 04 in der Bundesliga zu?

Gunesch: Sich nur gut zu verstehen, reicht nicht. Der Spirit in der Truppe ist die Basis. Aber nächste Saison hat man Einzelspieler und Mannschaften von Weltformat zum Gegner. Das sind richtige Kaliber, mit denen man sich messen muss. Aus eigener Erfahrung aber weiß ich, dass man an solchen Aufgaben wächst. Ich traue den Jungs zu, dass sie 38, 40 Punkte holen. Und dann hoffe ich, dass man nächstes Jahr mit doppelt so vielen Leuten wieder feiert, auch wenn es keine Meisterschale gibt. Ich traue den Jungs den Klassenerhalt definitiv zu.

 

Das Interview führte

Gottfried Sterner.