Ingolstadt
"Es war ein Jahrhundertereignis"

Fürths Oberbürgermeister hat in seiner Stadt die Aufstiegseuphorie hautnah miterlebt – Im Interview gibt er Ingolstadt Tipps

26.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

2012 feierten tausende Fürther den Aufstieg in die Erste Bundesliga - ähnlich wie jetzt die Ingolstädter. - Fotos: Erich Malter, Susanne Kramer/Stadt Fürth

Ingolstadt/Fürth (DK) Die bayerischen Großstädte Ingolstadt und Fürth sind nicht einmal 100 Kilometer voneinander entfernt, sie sind annähernd gleich groß – und viele Fürther können genau nachempfinden, was gerade in den Ingolstädter Fans vor sich gehen dürfte.

Denn 2012 stieg die SpVgg Greuther Fürth zum ersten und bisher einzigen Mal in die Erste Bundesliga auf. Die ganze Stadt war im Ausnahmenzustand, denn die großen Erfolge – Deutscher Meister 1914, 1926 und 1929 – kannte man nur noch aus Erzählungen. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD), 54, Fußballfan, Jurist und ehemaliger Landtagsabgeordneter, blickt im Interview zurück und gibt den Ingolstädtern Tipps.

 

Die Spielvereinigung Greuther Fürth ist 2012 zum ersten Mal in die Erste Bundesliga aufgestiegen. Was hat das damals für die Stadt bedeutet?

Thomas Jung: Ich werde mich bis an mein Lebensende dran erinnern. Schon die Euphorie an dem Abend, als der Aufstieg feststand, war unvergleichlich. Man muss schon sagen: Es war ein Jahrhundertereignis für die ganze Stadt.

 

Die Fürther haben ja in den Jahren zuvor immer wieder um den Aufstieg mitgespielt. Hatten Sie schon Pläne in der Schublade für den Fall, dass es doch einmal klappt?

Jung: Nein, weil wir doch eben immer wieder knapp gescheitert waren. Dann rechnest du nicht unbedingt damit. Aber auch das Spontane ist etwas Wunderschönes. Man kann nicht alles im Leben planen.

 

Und als dann klar war, dass mutmaßlich tausende Fans mehr pro Spiel auch aus Dortmund, Hamburg oder München kommen werden – was haben Sie da unternommen?

Jung: Wir haben den Bahnhof ertüchtigt. Die Polizei hat bessere Fantrennungen organisiert. Und wir haben unser Stadion mit zusätzlichen Anbauten versehen, dass dann die Zuschauerplätze von 15 000 auf 18 000 gingen – das waren so die wesentlichen Maßnahmen.

 

Wie teuer war das?

Jung: Es war eine überschaubare Summe, weil wir in Fürth auch nur überschaubares Geld zur Verfügung haben. Wenn ich mich recht erinnere, kamen wir auf rund drei Millionen Euro.

 

Haben Sie sich von der Stadt aus auch touristisch oder gastronomisch etwas ausgedacht?

Jung: Es hat sich sehr schnell herumgesprochen, dass wir eine sehr attraktive Straße haben: die Gustavstraße mit einer sehr hohen Kneipendichte. Und die war dann wirklich mit Dortmunder Fans oder Gelsenkirchener Fans immer super belegt.

 

Nach einem Jahr war schon wieder Schluss. Welche Auswirkungen hatte der Abstieg für die Stadt?

Jung: Keine schlimmen, weil jeder gesagt hat: War super, dass wir mal ein Jahr dabei waren.

 

Jetzt ist der FC Ingolstadt in die Erste Bundesliga aufgestiegen. Wie aufmerksam haben Sie das Ingolstädter Fußballprojekt verfolgt?

Jung: Sehr aufmerksam. Nach Nürnberg ist uns Ingolstadt ja am nächsten in der zweiten Liga. Ich war schon im Stadion. Und ich tausche mich öfter mit Andreas Schleef (Ex-Audi-Personalvorstand und FCI-Aufsichtsratsmitglied), den ich noch aus meiner Zeit im bayerischen Landtag kenne, aus. Wir sind in Fürth schon beeindruckt, mit welcher Gradlinigkeit und, ja mit welcher Wucht in diesem Jahr Ingolstadt souverän und durchgehend verdient den Titel geholt hat. Glückwunsch aus Fürth.

 

Den geben wir gerne weiter. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Städten?

Jung: Außer dass beide Städte etwa gleich groß sind und bayerische Großstädte sehe ich doch vor allem Unterschiede. Ingolstadt ist geprägt vom Weltunternehmen Audi und einer ganz hohen Wirtschaftskraft und Steuerkraft. Fürth dagegen hat viele Krisen wegstecken müssen, etwa mit Grundig und Quelle. Es hat jetzt gesunde Mittelständler, aber bei Weitem nicht die Steuerkraft der Stadt Ingolstadt. Und unser zweites Handicap: Ingolstadt hat ein gewisses Umfeld, eine isolierte Lage. Wir müssen immer mit der größeren Nachbarstadt Nürnberg konkurrieren – wir haben die Konkurrenz knallhart an der Stadtgrenze.

 

Während in Ingolstadt die Stadt auch dank Audi finanziell gar nichts mehr mit dem Stadion zu tun hat, übernimmt Fürth 2016 zusätzlich den Vereinsanteil der Stadionmiete. Und jetzt wollen Sie auch bei der Modernisierung des Stadions mithelfen.

Jung: Ja, mit einer Bürgschaft für einen Kredit. Aber wir hatten im Stadtrat die Entscheidung zurückgestellt, weil die Stadträte erst einmal wissen wollten, ob wir nächstes Jahr zweite oder dritte Liga spielen.

 

Ingolstadt muss jetzt eine Antwort darauf finden, wie es gelingt, den zu erwartenden stärkeren Verkehr am Stadion nur über Busse, Fahrräder und Autos zu regeln. In Fürth haben Sie zusätzlich eine U-Bahn.

Jung: Aber das Stadion in Fürth liegt mitten im Wohngebiet, da gibt es auch keine U-Bahn weit und breit. Aber das hat immer gut funktioniert, da sollte man sich keine Gedanken machen. Es wird auch in Ingolstadt sehr gut funktionieren.

 

Welche Tipps haben Sie denn für die Ingolstädter Stadtspitze? Und welche Fehler sollte man auf jeden Fall vermeiden?

Jung: Man sollte den Aufstieg total feiern. Man weiß nicht, wie oft man so was im Leben hat. Fürth musste über 60 Jahre warten. Und ich warne davor, es als Selbstverständlichkeit zu nehmen, dass man die Klasse als Aufsteiger erhält. Das sieht man auch wieder bei Paderborn: Städte unserer Größenordnung tun sich trotz allem auf Dauer schwer. Aber man sollte da unbefangen rangehen und das Beste draus machen. Und die Ingolstädter Linie ist ganz richtig: Keine Millionenverpflichtungen eingehen, sondern versuchen, mit einem bewährten, eingespielten Team weiterzukommen.

 

Das Interview führte

Thorsten Stark.