Ingolstadt
"Es ist nur eine Frage der Zeit"

FCI-Geschäftsführer Harald Gärtner glaubt an die Einführung des Videobeweises im Fußball

01.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:15 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Pannen-Spiel des FC Ingolstadt bei Borussia Dortmund (0:2) hat die Diskussion um die Einführung des Videobeweises erneut entfacht. Insgesamt drei Entscheidungen von Schiedsrichter Guido Winkmann waren heftig in der Kritik.

Letztlich ausschlaggebend in der Partie war der Treffer zum 1:0, als Torschütze Pierre-Emerick Aubameyang beim Kopfball im Abseits stand. Kurioserweise konnte man bereits unmittelbar danach im Stadion sehen, dass der Treffer regelwidrig war. Und zwar deshalb, weil die Dortmunder entgegen geltender Absprachen die Bilder auf der Videowand zeigten, was bei umstrittenen oder gar falschen Entscheidungen grundsätzlich nicht gemacht werden soll, um den Schiedsrichter nicht noch mehr unter Druck zu setzen.

Genau das jedoch wäre passiert, hätte Winkmann auf die Bilder reagiert. "Selbst wenn ich das Abseitstor auf der Leinwand gesehen hätte, dann hätte ich es nicht zurücknehmen dürfen. Es war eine Tatsachenentscheidung", sagte Winkmann. Dass er falsch entschieden hatte, dazu gab es vonseiten des 42-Jährigen zwar keine Ausflüchte, doch dem FCI half das wenig. "Fakt ist, es ist Abseits. Fakt ist, es ist spielentscheidend", gestand Winkmann, der seit 2008 bereits 93 Bundesligaspiele geleitet hat.

Ob in den Expertenrunden oder den sozialen Netzwerken - Winkmanns unglückliche Entscheidungen, die allesamt zu Lasten der Schanzer gingen, sind weitere Argumente für die Einführung des Videobeweises. Auch BVB-Trainer Thomas Tuchel würde das begrüßen. "Ich bin absoluter Befürworter und Verfechter davon, jedes Tor zu überprüfen. Es fallen so wenig Tore, und die verändern alles. Da finde ich es unerträglich, dass die vier, die das Spiel leiten, nicht wissen, ob ein Tor regulär war, während jeder im Stadion, der ein Smartphone dabei hat, es Sekunden später weiß", sagte Tuchel. Auch BVB-Kapitän Mats Hummels, der an den zwei anderen umstrittenen Situationen beteiligt war und von Winkmanns Entscheidungen profitiert hatte, votierte für den Einsatz der Bilder. "Ich bin klar für den Videobeweis. Es wäre wichtig, wenn nur regelkonforme Tore fallen. Gefühlt müsste man bei zehn bis 15 Prozent der Tore anders entscheiden", meinte der Weltmeister von 2014.

Die Front der Gegner des Videobeweises bröckelt. In einer Umfrage vor Beginn der Rückrunde sprachen sich knapp 50 Prozent der Bundesligaprofis dafür aus, 45 Prozent waren dagegen. Die Fans sind längst mit großer Mehrheit (bei verschiedenen Umfragen um die 80 Prozent) für den Videobeweis.

Immerhin: Auch der für Regelfragen zuständige International Football Association Board (IFAB) des Weltverbandes Fifa will bei seiner Jahresversammlung in rund einem Monat (4. bis 6. März in Cardiff/Wales) über die Einführung des Videobeweises (allerdings vorerst nur zu Testzwecken) beraten. Bis es zu einer endgültigen Entscheidung wie vor 14 Monaten bei der Torlinientechnik kommt, sind den Unparteiischen weiter die Hände gebunden.

Beim FC Ingolstadt bezieht Geschäftsführer Harald Gärtner klar Stellung. "Ich stehe dem Videobeweis positiv gegenüber und glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er kommt. Es geht um so viel, um Fairness und auch um wirtschaftliche Folgen. Man darf sich Neuerungen nicht verschließen", sagt Gärtner. Sowohl das entscheidende Abseitstor als auch das nicht gegebene Eigentor von Hummels hätte laut Gärtner mit technischen Hilfsmitteln geklärt werden können.

FCI-Trainer Ralph Hasenhüttl ist da skeptischer. "Wenn ich verfolge, wie unterschiedlich sich Experten über die strittigen Situationen äußern, weiß ich, dass uns auch ein Videobeweis nicht helfen wird. Es bleibt immer eine Auslegungssache", meint Hasenhüttl. Auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist zurückhaltend. "Wir müssen aufpassen, dass wir kein Debattierzirkel werden. Wenn das Spiel unterbrochen ist, dann kann man darüber diskutieren", meinte Watzke vorsichtig.

Der deutsche Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel hatte zuletzt mehrfach betont, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Vorreiterrolle einnehmen wolle, falls der Videobeweis testweise eingeführt werden sollte. "Wir haben ein großes Interesse daran, in der ersten Reihe zu stehen, wenn ein Pilotprojekt beginnt. Deshalb warten wir mit Spannung auf die endgültige Entscheidung der Fifa", sagte Fandel.

Bisher ist ein Pilotprojekt nur in den Niederlanden zugelassen. Fandel hofft nun auf grünes Licht vom IFAB: "Als Schiedsrichter möchten wir modernen Entwicklungen nicht nur zu- oder hinterherschauen, sondern diese selbst mitgestalten."