Im
Der Albtraum eines Edelfans

23.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

−Foto: Schuhmann / Strisch

Ingolstadt (DK) Im Hintergrund ertönt der Wetterbericht: nachmittags, null Grad, vereinzelt Graupelschauer, kalter böiger Ostwind. Nichts, aber auch gar nichts wird mich abhalten, das heutige Heimspiel meiner Schanzer zu sehen.

Die Fahrt ins Stadion verläuft ohne jeglichen Stau. Am Sportpark angekommen begrüßt mich die Parkwächterin per Handschlag. "Guten Tag, Herr Kaiser", sagt sie und knöpft mir zwei Euro ab. Ja, seitdem wir abgestiegen sind, ist alles sehr viel günstiger, auch der Preis für meine Dauerkarte hat sich halbiert.

Kaum hab' ich es mir auf meinem Sitzplatz gemütlich gemacht, begrüßt der Stadionsprecher die 3255 Zuschauer. Jetzt noch schnell die Mannschaftsaufstellung, aufstehen, den Schal hochhalten und das "Schanzer Herz" mit Inbrunst schmettern, und schon ertönt der Anpfiff des Schiedsrichters.

Das Spiel plätschert vor sich hin. Und plötzlich können wir durch unsere kleine Überlegenheit das Ganze in ein Tor umwandeln. Der Ball kommt hoch in den Strafraum und Lewandowski hat sich mit einem grandiosen Fallrückzieher gute Chancen für das Tor des Jahres eingehandelt. Alle 3248 Schanzer Fans springen auf und bejubeln das Tor. Nur die sieben mit dem Kleinbus angereisten Fans von Lotte sind wie gelähmt.

In der Halbzeitpause gehe ich dorthin, wo auch ein Kaiser zu Fuß hingeht. Ich öffne die Tür und kann mich kaum entscheiden, welches der 20 unbesetzten Pissoirs ich benutzen soll. Im Anschluss schlendere ich gleich am Imbiss vorbei. Denn von Weitem lockt das Plakat "Nur Heute: Eine Rote in der Semmel und ein Bier für nur drei Euro."

Nach Wiederbeginn plätschert die Partie weiter vor sich hin - die Spieler von Lotte verteidigen aufopferungsvoll und nutzen ausgiebig unsere Rasenheizung. Der in der 80. Minute eingewechselte Lotte-Stürmer La Jogga sorgt in der vierten Minute der Nachspielzeit für erheblichen Diskussionsbedarf. Denn da kommt das Leder zum ersten Mal in den Strafraum unserer Schanzer und ohne eine Berührung eines Abwehrspielers sackt La Jogga im Strafraum zusammen und krümmt sich vor Schmerz. Keiner weiß, was passiert ist. Selbst die Fernsehbilder bringen keine Aufklärung, ob ein Foul vorgelegen hatte. Doch der Schiedsrichter zeigt auf den Elfmeterpunkt und der Gefoulte selbst führt putzmunter den Strafstoß erfolgreich aus. Unser neuer Trainer, der Katalane Pep Guardiola, tobt vor Wut. Danach ist Schluss im Sportpark.

Plötzlich und unerwartet bekomme ich einen Schlag auf meine Brust. Eine wütende Stimme von der anderen Betthälfte erklingt: "Schalt endlich deinen Wecker aus! Es ist zehn nach vier. Steh auf!" Schweißgebadet stehe ich auf, kapiere noch gar nicht, wo vorn und hinten ist. Mannomann, was für ein schlimmer Albtraum. Und im Bad sage ich zu dem Fremden im Spiegel "Nein, nein und nochmals nein! Ihr könnt uns noch so benachteiligen - wir Schanzer steigen niemals ab. Unsere Jungs beißen sich da durch, sie haben Charakter und Biss. Je schlechter sie behandelt werden, umso mehr kämpfen sie. 15 200 Fans stehen hinter euch. Immer! Zeigen wir es allen, die uns in dieser Liga nicht haben wollen."

Eine halbe Stunde später auf dem Weg zur Arbeit überlege ich, welcher Arzt mir wegen diesen schlimmen Schlafstörungen helfen könnte. Mir fällt keiner ein. Deshalb schreibe ich mir meinen Frust von der Seele - und es geht mir (fast) schon wieder gut.

 

Dieser Leserbrief von Franz Prüglmeier (Königsmoos, 59) erreichte unsere Zeitung vor wenigen Tagen. Wegen seiner Verkleidung trägt er den Spitznamen "Kaiser Franz".