Ingolstadt
"Sieben Punkte kann man aufholen"

Der ehemalige Co-Trainer Michael Henke sieht den FC Ingolstadt trotz des Fehlstarts als Aufstiegsfavoriten

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Das Kapitel FC Ingolstadt ist für Michael Henke beendet. Fast fünf Jahre lang war der 60-Jährige bei den Schanzern als Co-Trainer und kurzzeitig auch als Markenbotschafter tätig, ehe er vor einigen Wochen Andre Mijatovic Platz machen musste, dem neuen Assistenten von Chefcoach Stefan Leitl. In der Länderspielpause hat sich der Paderborner von den Geschäftsstellenmitarbeitern mit einem bayerischen Frühstück und am Abend dann bei einem Kneipenbesuch von der Mannschaft verabschiedet.

Herr Henke, Sie kamen im Februar 2013 zum FC Ingolstadt. Nur Borussia Dortmund und Bayern München jeweils mit Trainer Ottmar Hitzfeld blieben Sie länger treu. Was bleibt bei Ihnen hängen von der Schanz?

Michael Henke: Der Aufstieg in die Bundesliga war für mich einer der spektakulärsten Erfolge. In Dortmund oder bei den Bayern gehört der Erfolg einfach dazu, da holt man seine Titel. Das kann man in Ingolstadt nicht sagen. Natürlich habe ich mir so etwas insgeheim gewünscht. Aber dass das so schnell eintreten würde, war auch für mich eine neue Erfahrung.

 

Macht dieser unerwartete Aufstieg die Bedeutung dieser Zeit in Ingolstadt für Sie aus?

Henke: Auf jeden Fall. Ich habe den größten Respekt vor jeder Meisterschaft, die die Bayern einfahren. Aber ein nicht erwarteter Erfolg unter nicht so optimalen Bedingungen ist noch einmal etwas anderes. Unser Budget war durchschnittlich, wir haben aus wenig viel gemacht. Das war überraschend und machte den großen Reiz aus.

 

Was ist zu Beginn dieser Saison schiefgelaufen?

Henke: Das ist einfach zu erklären. Wir hatten eine sehr unruhige Transferperiode, nach der die Mannschaft nicht mehr so aussah, wie wir es geplant hatten. Man hat zwar gute Transfers getätigt, aber neue Spieler brauchen Zeit. Das haben einige vielleicht unterschätzt. Man musste eine neue Mannschaft aufbauen. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis die Mechanismen wieder greifen. Das Heimspiel gegen Darmstadt war vielleicht so ein Knackpunkt. Das 3:0 hat der Mannschaft den Glauben zurückgegeben.

 

Konnten Sie zuvor nicht korrigierend eingreifen?

Henke: Das fragt man sich immer. Ich hatte mit Chefcoach Maik Walpurgis ein gutes Verhältnis und konnte mich permanent mit ihm austauschen, aber als Co-Trainer kann man nur beratend zur Seite stehen. Es war dennoch ein normaler Prozess. Man braucht als Bundesliga-Absteiger einfach Zeit, die Zweite Liga anzunehmen. Die Zeit kann man nicht beeinflussen.

 

Ist die Mannschaft jetzt wieder so weit, dass sie oben angreifen kann?

Henke: Die Mannschaft hat sich stabilisiert. Und man sieht, wie so erfahrene Spieler wie Christian Träsch dem Team ihren Stempel aufdrücken. Der Kader ist der beste der Liga, das muss man klar sagen. Ob Kiel, Düsseldorf oder andere, keine Mannschaft ist besser besetzt. Jetzt hatte man zuletzt auch Matchglück mit Elfmetern und so. Und wenn man in Bielefeld und in Nürnberg gewinnt, dann merkt man so etwas einer Mannschaft an. Ingolstadt ist ein Topfavorit auf den Aufstieg.

 

Kann der FCI den Sieben-Punkte-Rückstand zu den direkten Aufstiegsplätzen aufholen?

Henke: Ganz klar. Düsseldorf schwächelt ein bisschen, und wenn man am Samstag in Kiel nicht verliert, ist alles möglich. Das ist wieder ein richtungsweisendes Spiel. Sieben Punkte Rückstand sind überschaubar. Das kann man auf jeden Fall aufholen, wenn man so konsequent weiterarbeitet.

 

Sie haben den FCI lange begleitet. Sind die Schanzer so weit, dass sie sich im Fall des Aufstiegs länger in der Bundesliga halten können?

Henke: Ja sicher. Die Chance war auch im vergangenen Jahr riesengroß trotz der schwachen Anfangsphase. Heribert Bruchhagen (HSV-Vorstandsvorsitzender) und Stefan Reuter (FCA-Manager) sagen mir heute noch, dass sie richtig Bammel vor uns hatten, dass wir es noch schaffen. Das wird in der Szene so gesehen. Da haben alle auf uns geschaut, wie wir gespielt haben. Der FC Ingolstadt hat nicht den Anspruch, zehn Jahre ununterbrochen in der Bundesliga zu spielen. Aber der Verein hat den Riesenvorteil, dass er gut organisiert ist und im Gegensatz zu Standorten wie Köln, Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart Ruhe herrscht. In einem solchen Umfeld hat der FCI gute Chancen.

 

Haben Sie noch Kontakt zum früheren FCI-Sportdirektor Thomas Linke, der Sie ja nach Ingolstadt geholt hat?

Henke: Er hat mich angerufen, als ich jetzt aufgehört habe. Aber sonst lässt er mich in Ruhe und ich ihn, weil er noch Abstand vom Fußballgeschäft sucht. Aber es geht ihm gut.

 

Waren Sie eigentlich enttäuscht, dass Sie nicht mit Trainer Ralph Hasenhüttl nach Leipzig gehen konnten?

Henke: Nein. Ich habe mich in Ingolstadt pudelwohl gefühlt. Das war kein Thema. Ich freue mich für den Ralph und finde es auch beeindruckend, wie er es da macht. Ich blicke nicht zurück.

 

Haben Sie schon Pläne, was Sie künftig machen wollen?

Henke: Ich will wieder arbeiten, lasse mir aber Zeit. Ich bin viel unterwegs und habe mir am Wochenende das Spiel Bochum gegen Fürth angesehen. Dann bin ich mit Audi beim Spiel der Bayern in Anderlecht, und am Wochenende fliege ich ein paar Tage nach England und schaue mir einige Premier-League-Spiele an. Zuletzt war ich auch im Austausch mit Bert van Marwijk oder Heiko Herrlich. Das ist alles sehr spannend.

 

Sie wollen also kein TV-Experte werden, sondern lieber wieder auf den Platz?

Henke: Zum Fernsehen gehe ich nur, wenn ich angefragt werde. Also ich will schon direkt im Fußball tätig sein. Das kann Trainer sein, aber ich kann mir auch die Position eines Sportdirektors vorstellen. Ich schaue in alle Richtungen.

 

Das Kapitel FC Ingolstadt ist aber abgeschlossen, oder arbeiten Sie noch im Hintergrund? Immerhin wohnen Sie noch in Ingolstadt.

Henke: Ich bin freigestellt, habe aber noch einen Vertrag bis zum Sommer. Ich will bewusst Distanz halten und keinen in der täglichen Arbeit stören. Aber ich habe immer wieder Termine im Süden, da mein Sohn in München arbeitet. Ich pendle daher zwischen Paderborn und Ingolstadt.

 

Eine letzte Prognose: Rechnen Sie am Saisonende mit dem Aufstieg des FC Ingolstadt?

Henke: Klar gibt es vier, fünf, sechs Mannschaften, die den Anspruch erheben. Aber im Moment spricht viel für den FCI. Daher kann es gut sein, dass im Sommer der nächste Bundesliga-Aufstieg kommt.

 

Das Interview führte

Gottfried Sterner.