Hannover
"Immer schön vorbeischießen"

96-Ikone Dieter Schatzschneider gibt dem FC Ingolstadt vor Gastspiel in Hannover einen ironischen Tipp

26.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Torgefährlicher Mittelstürmer: Für Hannover 96 erzielte Dieter Schatzschneider 138 Treffer – und ist damit nach wie vor bester Torjäger der Niedersachsen. Arch - foto: Imago

Hannover (DK) Er ist die Fußballlegende von Hannover 96: Dieter Schatzschneider. Der ehemalige Mittelstürmer ist bis heute der erfolgreichste Torjäger der Niedersachsen, mit 154 Treffern führt er zudem die ewige Torschützenliste der Zweiten Liga an. Inzwischen arbeitet der 57-Jährige als Scout für den Tabellen-15. der Fußball-Bundesliga und gilt als rechte Hand von Klub-Boss Martin Kind. Wir haben uns mit „Schatzi“, wie er genannt wird, vor der Partie zwischen Hannover 96 und dem FC Ingolstadt (Samstag, 15.30 Uhr) unterhalten. Schatzschneider vergleicht dabei den FCI mit der Musikband Silbermond, lobt Trainer Ralph Hasenhüttl und erklärt, warum er den Schanzern die Europa League zutraut.

 

Herr Schatzschneider, Sie hören gerne Musik von Kraftklub und Jan Delay. Wer passt besser zu Hannover 96 – die Rocker von Kraftklub oder der funkige Jan Delay?

Dieter Schatzschneider: Ich würde sagen, dass Jan Delay besser hierher passt – und auch zu Martin Kind.

 

Inwiefern?

Schatzschneider: Beide sind Menschen, die etwas zu sagen haben und dabei auch mal Fehler machen – aber sie stehen immer dazu. Das finde ich gut.

 

Und welche Band würden Sie mit dem FC Ingolstadt verbinden?

Schatzschneider: Da muss ich mal überlegen . . . Etwas, was Zukunft hat. Silbermond vielleicht, etwas Seichtes (lacht).

 

Sie wissen, worauf wir hinaus wollen: Wie nehmen Sie den FC Ingolstadt wahr?

Schatzschneider: Ich kenne Ralph Hasenhüttl bestimmt schon seit 30 Jahren. Er ist ein Mann, der von der Pieke auf alles gelernt hat. Er schätzt seine Situation immer richtig ein, ohne überheblich zu werden. Er ist bodenständig und authentisch. Da hat Ingolstadt einen richtig guten Bandleader gefunden.

 

Unabhängig vom Trainer: Wie sehen Sie die Entwicklung der Mannschaft?

Schatzschneider: Als wir mit Hannover nach Europa gekommen sind, haben die meisten Trainer gesagt: „Igitt, Hannover. Die sind so unangenehm zu spielen.“ Dieses Kompliment möchte ich an Ingolstadt weitergeben. Sie sind aggressiv, schalten gut um und treten gute Standards.

 

Nur Bremen hat eine schlechtere Heimbilanz als Hannover, wohingegen der FCI die drittbeste Auswärtsmannschaft ist. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Ihr Klub diese Statistik am Samstag Lügen straft?

Schatzschneider: Wenn wir einigermaßen sorgenfrei in die Rückrunde gehen wollen, brauchen wir 17 Punkte. Momentan haben wir elf Zähler. Das ist definitiv zu wenig. Wenn man damit in die Winterpause geht, bist du der erste Absteiger.

 

Woran liegt es, dass sich Hannover 96 vor eigenem Publikum so schwer tut?

Schatzschneider: Beide Stürmer, die wir geholt haben, sind nicht eingeschlagen. Weder Mevlüt Erdinc noch Charlison Benschop. Artur Sobiech ist ein fleißiger Junge, braucht aber auch Raum für sein Spiel. Mit Ingolstadt wartet eine Mannschaft auf uns, bei der alle Spieler hinter dem Ball sind. Wenn man den Gegner dann nicht spielerisch auseinandernehmen kann, hast du es schwierig zu Hause.

 

Neben den auswärtsstarken Ingolstädtern trifft Hannover 96 vor der Winterpause noch auf Schalke, Hoffenheim und den FC Bayern. Gegen wen wollen Sie die Punkte holen?

Schatzschneider: Gegen Bayern? Das schließe ich ganz aus. Schalke muss vielleicht einen schlechten Tag haben, aber auch da ist es für uns wohl eher schwer zu gewinnen. Also bleiben noch Hoffenheim und Ingolstadt. Aber es ist ja auch für Ingolstadt ein wichtiges Spiel. Wenn sie gewinnen, haben sie 22 Punkte. Noch ein Sieg und dann gehst du in der Rückrunde Richtung Europa.

 

Sie meinten bereits vor wenigen Tagen in einer Gesprächsrunde mit Ingolstadts Sport-Geschäftsführer Harald Gärtner, dass der FCI nach Europa schauen könne. Sie haben das also nicht aus Spaß gesagt?

Schatzschneider: Nein, nein, nein! Sie halten zwar immer den Ball flach – das ist auch alles richtig. Aber die Tabelle lügt nicht. Ich weiß, dass wir damals in Hannover mit 25 Punkten in der Rückrunde immer in den europäischen Wettbewerb gekommen sind.

 

Mit bislang zehn Treffern ist der FC Ingolstadt allerdings die offensivschwächste Mannschaft der Liga. Welche Tipps haben Sie als ehemaliger Top-Stürmer für die Schanzer?

Schatzschneider: Für Ingolstadt? Da habe ich nur einen Tipp: Immer schön vorbeischießen (lacht). Aber das spielt doch bei Aufsteigern nicht so die große Rolle. In erster Linie wird Wert auf die gute Defensive gelegt – und das machen die Ingolstädter gut. Hasenhüttl hat für seine Mannschaft die richtige Ausrichtung auf den Punkt getroffen.

 

Trainer Michael Frontzeck ist das in Hannover offenbar noch nicht gelungen. Ist die sportlich angespannte Situation schon jedem bewusst?

Schatzschneider: Ich weiß es nicht. Viele machen immer auf Ruhe. Das ist bis zu einem gewissen Punkt auch alles in Ordnung. Aber ab sofort muss jedes Spiel analysiert werden. Man muss sich fragen, ob das alles noch passt. Hat der Trainer die Mannschaft im Griff? Wo sind die Spieler, die vielleicht Muffe haben? Das muss man jetzt machen und dann rechtzeitig handeln.

 

Sie bezeichnen sich selbst als Poltergeist. Wie sehr müssen Sie derzeit poltern?

Schatzschneider: Ich kenne meine Rolle. Ich habe nur ein Ziel: Das ist die Erste Liga, dem ordne ich alles unter. Ich versuche, meine Beiträge zu leisten, damit wir in der Bundesliga bleiben. Wir haben eins gemacht: Nach Europa waren wir gut dabei, aber im Erfolg macht man die meisten Fehler. Das passiert, wenn man nicht ganz auf dem Teppich bleibt. Das haben wir versäumt, und jetzt müssen wir da langsam mit guten Leuten wieder hinkommen.

 

Was war der größte Fehler, den Hannover 96 gemacht hat?

Schatzschneider: Hannover hatte immer ein Kompetenzproblem. Ich wünsche mir immer, dass Leute, die Fußball verstehen, auch etwas zu sagen haben. Man sollte da genau hinhören. Denn Spieler, die lange im Verein gespielt haben, haben auch Herzblut. Es wäre der Untergang des deutschen Fußballs, wenn nur noch Quereinsteiger da sind. Wenn Harald Gärtner zum Beispiel nicht selbst gespielt hätte, sondern Rechtsanwalt wäre.

 

Sehen Sie ein ernsthaftes Problem, dass der Fußball immer mehr von Quereinsteigern, wie Sie sagen, bestimmt wird?

Schatzschneider: Das schadet ja nicht – solange sie kapieren, dass sie von Fußball nichts verstehen (lacht).

 

Ohne einen Tipp können wir Sie natürlich nicht entlassen . . .

Schatzschneider: 1:0 für uns. Es ist schon ein brisantes Spiel und ich weiß, dass es sehr schwer wird. Denn wir können das Spiel nicht machen und der FCI kann verteidigen. Ein Feuerwerk wird es sicher nicht.

 

Das Gespräch führte

Julian Schultz.