Fulpmes
Auf Spionagetour

Videoanalyst Robert Deising beobachtet die Gegner des FC Ingolstadt

16.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:27 Uhr

5000 Euro kostet die Technik: Mithilfe eines Teleskoprohres kann FC-04-Videoanalyst Robert Deising das Spielgeschehen aus bis zu acht Metern Höhe filmen. - Foto: Bösl

Fulpmes (DK) Profi-Fußball ist längst kein Spiel mehr. Zu viel hängt vom Erfolg ab, als dass die Klubs etwas dem Zufall überlassen können. Das gilt auch für den FC Ingolstadt. Jüngste Errungenschaft ist eine
neue Teleskopkamera, die Robert Deising bei der Videoanalyse einsetzt.

Auch im Trainingslager in Fulpmes ist der 28-jährige Berliner mit von der Partie. Das dreibeinige Gestell der 5000 Euro teuren Vorrichtung kann Deising leicht transportieren und auf dem Platz aufbauen. Dann fährt er das Teleskoprohr auf eine Höhe von bis zu acht Metern aus. Mit der oben montierten Kamera hat er über einen Monitor in Augenhöhe das gesamte Spielfeld im Blick. So werden Trainingseinheiten, Testspiele oder bestimmte Übungen aufgezeichnet. „Ich nehme grundsätzlich alles aus der Totalen auf, dann kann man die entscheidenden Szenen am besten zusammenschneiden und aufbereiten“, erklärt der Videoanalyst, der sich bisher bei Spielen häufig auf Fernsehbilder verlassen musste. „Dort wird oft gezoomt, und das ist für die Analyse untauglich. Ich brauche keine Nahaufnahmen, sondern einen Überblick, um die Entwicklung von Spielzügen nachvollziehen zu können“, sagt Deising, der seit dieser Saison dem Trainerstab angehört.

Aus gutem Grund, wie er meint. „Der Analysesektor steckt in vielen Vereinen noch in den Kinderschuhen. Da ist noch viel Potenzial drin“, sagt Deising. Bei Teamsitzungen könne der Trainer ganz gezielt Fehler oder auch gelungene Szenen bebildern. Dazu bekommen die Spieler immer häufiger ganz individuelle Videoschnipsel auf ihr Handy oder ihr Tablet geschickt, um sich Szenen einzuprägen oder sich über Gegenspieler informieren zu können.

In Zukunft stellt sich Deising noch viel mehr vor. „Wenn ich ein Laptop an den Monitor anschließe, könnte ich sogar schon während der Aufzeichnung bestimmte Stellen markieren und bearbeiten. Dann wäre es möglich, Daten bereits in der Halbzeit auszuwerten und dem Trainer an die Hand zu geben“, meint der Sportwissenschaftler.

Im Endstadium stellt sich Deising sogar eine vereinsinterne Datenbank vor, in der jeder Spieler einen eigenen Bereich erhält, auf den er passwortgeschützt Zugriff hat. „Dann kann sich jeder individuell bedienen. Wir wollen, dass sich die Spieler auch selbst damit beschäftigen, sich über Standardsituationen und Eigenheiten des Gegners informieren oder mithilfe dieser Daten selbst kreativ werden“, sagt Deising.

Ganz neu ist die Arbeit mit Videoclips für die Spieler nicht mehr. Das beste Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung lieferte einst Trainer Tomas Oral. Als er im Internet einen Freistoßtrick des FC Arsenal entdeckte, kopierte er ihn und ließ ihn von seinen Jungs in der Winterpause einstudieren. Im ersten Rückrundenspiel beim FSV Frankfurt wandten ihn die Schanzer an – vier Mann liefen über den Ball und Caiuby vollstreckte.

Mittlerweile ist Deising beim FC 04 fest angestellt. Während eines Praktikums bei Hertha BSC Berlin bekam er als Student Einblick in die Materie. Zunächst als Mitarbeiter in der Scoutingabteilung. Später begann er mit der Videokamera zu arbeiten, informierte sich über Schnitttechnik und lernte von den Trainern die Spielbeobachtung. In Ingolstadt bekommt er nun gezielte Aufträge, Gegner zu studieren oder eigene Spiele und Trainingsinhalte aufzuzeichnen. „Aus dem ganzen Material bereiten wir maximal acht bis zehn Minuten lange Sequenzen auf, die das Trainerteam der Mannschaft zeigen kann. Das dauert je nach Anwendung 20 bis 45 Minuten“, sagt Deising. Zweimal wöchentlich steht Videostudium auf dem Trainingsplan.

Doch trotz der vielfältigen Möglichkeiten gibt es für Deising immer noch eine Unwägbarkeit: „Mein Horrorszenario ist ein kurzfristiger Trainerwechsel beim kommenden Gegner. Dann kann man alle gesammelten Daten über Bord werfen, denn ein neuer Trainer ändert am Anfang stets alles und unser Informationsvorsprung ist dahin.“