Aue
"Die Mutigen begleitet das Glück"

Der ehemalige Ingolstädter Tomislav Stipic hat Erzgebirge Aue eine radikale Verjüngungskur verordnet – und Erfolg damit

05.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Aue (DK) Tomislav Stipic hat den Sprung ins kalte Wasser gewagt: Im September vergangenen Jahres nahm der ehemalige U 23-Trainer des FC Ingolstadt das Angebot des FC Erzgebirge Aue an, um den Zweitligisten vor dem Abstieg zu retten. Nach verheißungsvollem Start (unter anderem gab es ein 1:1 im Hinspiel beim FC Ingolstadt) rutschte der 35-Jährige mit Aue zum Jahresende aber wieder auf Rang 18. In der Winterpause wurde der Kader umgebaut, prompt ging es wieder aufwärts. Im Gespräch erläutert Stipic die Gründe für den Umbruch, seine Rolle in Aue und die Aussichten vor dem Heimspiel gegen seinen Ex-Klub.

 

Sie waren am vergangenen Montag selbst in Ingolstadt, um den FC zu beobachten. Ist der Respekt vor dem Tabellenführer nochmal gewachsen oder haben Sie den Eindruck gewonnen, dass die Ingolstädter schlagbar sind?

Tomislav Stipic: In unserer Situation – mir fehlen mit Thomas Paulus, Bobby Wood, Romario Kortzorg, Arvydas Novikovas und Clemens Fandrich fünf Stammspieler – ist es natürlich unfair, mich nach unseren Chancen gegen den Tabellenführer zu fragen. Das Spiel ist sehr wichtig für uns, aber wir sind natürlich der klare Außenseiter. Für mich persönlich wird es am Freitag so oder so ein besonderer Termin. Das wird auch in zehn Jahren noch so sein.

 

Seit der Winterpause haben Sie mit Aue sieben Punkte geholt. Nach zuvor zehn Partien ohne Sieg ist die Hoffnung auf den Klassenerhalt zurück, oder?

Stipic: In der Winterpause waren wir ja schon totgesagt, aber die Toten werden natürlich erst am Ende gezählt. Durch diese Punktgewinne haben wir es geschafft, im Kampf um den Klassenerhalt wieder dazuzugehören.

 

Ein wichtiger Grund für den Umschwung ist der personelle Umbruch. Es gab acht Neuverpflichtungen.

Stipic: Das war ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Wir sind der FC Erzgebirge Aue. Hier gibt es keine Großstadt, und wer geht schon gerne zum Tabellenletzten? Wir wussten, dass wir nur Spieler zu uns holen können, die bei ihren bisherigen Klubs unzufrieden sind. Wir haben diese Jungs menschlich fesseln und durch ehrliches, authentisches Auftreten von uns zu überzeugen müssen.

 

Diese Spieler haben das Gesicht der Mannschaft deutlich verändert.

Stipic: Ja, nehmen wir Bobby Wood. Bei 1860 war er unzufrieden, bei uns schießt er dann in den ersten Spielen zwei Tore und ist der beste Mann auf dem Platz. Überhaupt haben wir lauter junge Akteure geholt. Mit 25 Jahren war Selcuk Alibaz schon der älteste, Vladimir Rankovic aus Hannover hat bei mir sein Profidebüt gegeben. Wir waren da schon mutig. Aber die Mutigen begleitet das Glück.

 

Das Präsidium scheint Ihnen eine Menge Vertrauen entgegenzubringen, schließlich wurde Ihr Vertrag vorzeitig bis zum Jahr 2017 verlängert.

Stipic: Ja, so ganz unzufrieden können sie mit mir nicht sein (lacht). Ich bin mit 35 Jahren mit Abstand der jüngste Trainer der Liga. Wir haben keinen Sportdirektor, wir haben keinen Videoanalysten, keinen Scout und keinen Teammanager. Die Arbeitstage hier dauern lang, aber es ist trotzdem der schönste Job, den man sich vorstellen kann.

 

Angesichts der Ausfälle, wie werden Sie dem FC Ingolstadt begegnen?

Stipic: Die Favoritenrolle gehört ganz klar dem Tabellenführer. Ingolstadt hat aber natürlich eine Menge zu verlieren. Sie haben eine grandiose Hinrunde gespielt, zuletzt aber nicht optimal gepunktet. Deshalb fangen sie jetzt an zu überlegen, die Abläufe werden etwas langsamer – mal schauen. Wir werden aber nicht nur kämpfen. Das ist kein Rumgebolze, das ist kein Krieg, das ist immer noch ein Spiel. Wir brauchen einen klaren Plan, müssen mutig sein und wollen auch Fußball spielen.

 

Können Sie daheim gegen den Tabellenführer auch mit einem Unentschieden leben?

Stipic: Ja klar, mit einem Punkt wären wir auch sehr, sehr zufrieden. Ingolstadt dürfte damit aber kaum zufrieden sein, nachdem sie gegen andere abstiegsgefährdete Teams nicht so toll gepunktet haben.

 

Das Gespräch führte

Norbert Roth.