München
Heynckes als Vorbild?

Bayern-Trainer Carlo Ancelotti soll Erfolg haben und den Umbruch meistern wie sein Vor-Vorgänger

17.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

München (DK) Carlo Ancelotti steht vor einer richtungsweisenden Saison. Der Druck auf den Trainer des FC Bayern ist hoch - auch wenn der Italiener offiziell nur den Umbruch im Kader vollziehen und die Meisterschaft gewinnen soll. Insgeheim hoffen aber viele auf Parallelen zu Jupp Heynckes.

Der Mann ruht in sich, wirkt entspannt. Abteilung dickes Fell. "Herr Ancelotti, nun beginnt das zweite Jahr Ihrer Amtszeit hier. Wie geht es Ihnen persönlich? Spüren Sie nun mehr Druck", wurde der Bayern-Trainer gestern Mittag an der Säbener Straße gefragt. Signor Bärenruhe antwortete: "Ich freue mich, hier zu sein, freue mich, dass die Liga nun beginnt." Schnell kam er auf die Mannschaft und die Ziele zu sprechen, weg von seinem eigenen Befinden. "Die letzte Saison war gut", sagte der 58-Jährige auf Deutsch, "aber wir können, wollen und müssen es besser machen. Wir haben viele Möglichkeiten dazu." Wirklich konkret wurde Carlo Ancelotti nicht.

Der Auftakt heute Abend, das Saisoneröffnungsspiel gegen Bayer Leverkusen (20.30 Uhr, ZDF und Eurosport), wird erste Hinweise liefern, wie das Jahr zwei unter Ancelotti, zugleich das Jahr eins ohne Philipp Lahm, verlaufen wird. Neue Saison, neues Glück? Der Status quo lautet eher: altbekannte Risiken. Die Bayern gehen - was Ancelotti abgesegnet hat - weiter ohne echten Back-up für Mittelstürmer Robert Lewandowski in die Saison. Thomas Müller soll im Fall der Fälle ganz vorne drin operieren. Ein schmaler Grat. Auch Torhüter Manuel Neuer, in Bälde zurück, darf nichts passieren. Weitere Schlüsselpositionen sind gut besetzt, die Abwehr - ob innen oder außen - überdurchschnittlich, das zentrale Mittelfeld durch die Transfers von Sebastian Rudy, Corentin Tolisso und James ebenfalls. Auf den Flügeln haben die Altmeister Arjen Robben und Franck Ribéry durch den Abgang von Douglas Costa einen Konkurrenten weniger. Mit Kingsley Coman ist nur noch eine Alternative für beide Seiten vorhanden. Dünnes Eis, die Außenbahnen.

Zum Auftakt fehlen neben Neuer noch Thiago, Javi Martínez, Jérôme Boateng, Juan Bernat und James verletzt. Dennoch sagt Ancelotti: "Unser Traum ist, dass wir auch diese Saison den Bundesliga-Titel gewinnen. Das erste Spiel ist immer schwierig. Aber mein Vertrauen in meine Mannschaft sehr hoch." Und das Vertrauen in ihn? Etwas geschwunden. Was natürlich von den Bossen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß nicht ausgesprochen wird. Mit Willy Sagnol, dem neuen Co-Trainer, und Hasan Salihamidzic, dem neuen Sportdirektor, haben die Münchner nicht wirklich Aufpasser im wörtlichen Sinne installiert, aber doch zwei Beobachtungsposten geschaffen. Beide sitzen neben dem Trainer auf der Bank. Eine "Hilfe für Carlo" solle Salihamidzic sein, ein Unterstützer. An der Säbener Straße steigt nun weniger Qualm auf. Der neue Sportdirektor bat den Trainer, nicht mehr überall zu rauchen.

Was aber macht Ancelotti aus seinen Erkenntnissen seines Debütjahres in der Bundesliga? Aus seinen Erfahrungen von 13 Monaten FC Bayern? Ein gesundes Maß an Anpassung ist das eine, der gewünschte Lerneffekt das andere. Kann sich Ancelotti ein klein wenig neu erfinden? Ähnlich wie Jupp Heynckes, der nach dem Vize-Triple 2012 mit dem fatalen "Finale dahoam" alles infrage stellte. Vor allem sich und seine (Trainings-) Methoden. Er schaltete um vom Modus "Lieber Onkel" auf harte Hand. Heynckes schwor die Mannschaft auf ein gemeinsames Ziel ein, durch die Säbener Straße ging ein Ruck, dessen Wow-Effekt den Verein bis zum Triple 2013 trieb. Juppt es Carlo jetzt auch?

"Es ist die wichtigste Aufgabe, Erfolg zu haben und den Umbruch zu schaffen", betonte Hoeneß, "Carlo ist gefordert, diese zwei Dinge unter einen Hut zu bringen." Der Druck auf Ancelotti, bisher nicht gerade bekannt als kreativer Architekt in der Evolution einer Mannschaft, ist gewachsen. Hoeneß gab das Ziel Meisterschaft aus und sagte: "Wenn es ihm dabei gelingt, den einen oder anderen jüngeren Spieler in den nächsten zwölf Monaten in die Mannschaft zu integrieren, dann hat er einen guten Job gemacht." Nur dann.

"Sehr gut" habe man sich verstärkt, glaubt Hoeneß, "sinnvolle Ergänzungen" getätigt. Kein Wahnsinns-Deal, kein Ablöse-Irrsinn. "Wir haben junge, hungrige Spieler geholt, die den etablierten Spielern Feuer unter dem Hintern machen." Und die auch Ancelotti zu mehr Drive verhelfen.