München
Geschlossene Gesellschaft

Champions League wird immer mehr zum elitären Kreis Das hat Auswirkungen auf die nationalen Ligen

13.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr

Geld schießt eben doch Tore: Der exzessiv zusammengekaufte Kader von Paris St. Germain hat seine Qualität am ersten Spieltag der Champions League bestätigt und Celtic Glasgow mit 5:0 besiegt. - Foto: Fife/AFP

München (DK) FC Bayern gegen RSC Anderlecht: 3:0. Celtic Glasgow gegen Paris St. Germain 0:5. FC Chelsea gegen FK Qarabag Agdam 6:0. Die Champions League verkommt zur Zwei-Klassengesellschaft. Und die Spiele werden immer berechenbarer. Das ist aber eine große Gefahr für die Königsklasse.

Freunde der Pyrotechnik sind bei der pompösen Zeremonie vor dem diesjährigen Champions-League-Finale voll auf ihre Kosten gekommen. Flammen schlugen am Spielfeldrand meterhoch, Böller verursachten einen Höllenlärm unter dem geschlossenen Dach des Millennium Stadium in Cardiff. Über die Rasenfläche war vorsichtshalber eine Plane gezogen worden, schließlich musste auch noch die Hip-Hop-Band "The Black Eyed Peas" vorspielen. Dann erst konnte am River Taff der Ball rollen, und Real Madrid schaffte gegen Juventus Turin (4:1) das Kunststück, erstmals in der Geschichte der Königsklasse den Titel zu verteidigen.

Für die Königlichen um ihre angekratzte Galionsfigur Cristiano Ronaldo gibt es in der noch jungen Champions-League-Saison keinen besseren Ansporn, als den Hattrick anzustreben. Nicht unrealistisch für die Real-Garde: Nur noch eine Handvoll Großklubs verfügt über die sportliche und wirtschaftliche Schlagkraft, das Champions-League-Endspiel am 26. Mai 2018 in Kiew zu erreichen. Den Höhepunkt in der Hauptstadt der kriegsgeplagten Ukraine auszutragen, passt zu den Absurditäten, die dieser Wettbewerb mittlerweile produziert, in dem Profimaximierung und Gewinnstreben auf die Spitze getrieben werden.

Dass die fünf stärksten Ligen diesen Transfersommer fast 4,5 Milliarden Euro in neue Spieler investierten, hängt mit der Champions League unmittelbar zusammen. Das meiste Geld nahmen naturgemäß jene Vertreter in die Hand, die in der Jagd auf den Henkelpott mitunter kaum noch ein Limit kennen. Hinter England (1,549 Milliarden), Italien (1,033), Frankreich (675 Millionen) reihte sich die Bundesliga (617) an vierter Stelle noch vor Spanien (555) ein.

"Ein bisschen krank und ein wenig pervers", nennt Gerhard Aigner, der ehemalige Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union (Uefa) gegenüber dem "Sportinformationsdienst" die Auswüchse. Dem 74-Jährigen, der mit den Vermarktungsexperten Jürgen Lenz und Klaus Hempel die Champions League vor einem Vierteljahrhundert aus der Taufe hob, gefällt nicht, was aus seinem Baby wurde. Der Regensburger sah sich vor zehn Jahren gezwungen, die Anteile an der Vermarktungsagentur Team mit seinen Mitstreitern zu verkaufen. Ihre Mahnung heißt heute: "Täglich Kaviar und Champagner schmecken auf Dauer schal."

Der Gigantismus bildet sich plakativ im 222-Millionen-Transfer des brasilianischen Superstars Neymar vom FC Barcelona zu Paris St. Germain ab. Der katarische Klubbesitzer Nasser Al-Khelaifi pfeift auf das Financial Fairplay, das eigentlich derlei Exzesse einfangen soll. "Wir wussten von Anfang an, dass es vielleicht kein Holzschwert, aber auch kein scharfes Schwert ist", sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss des FC Bayern, auf dem Fußball-Kongress der FAZ und regte mehr Rationalität und Kontrolle an.

Nur: Ist die Dominanz des Geldadels wirklich noch einzufangen? Klubs wie der RSC Anderlecht oder Feyenoord Rotterdam bringen aus ihrer Europapokal-Geschichte zwar noch einen klangvollen Namen ein, aber gegen den FC Bayern - wie am Dienstagabend beim 0:3 in München gesehen - oder Manchester City sind die Benelux-Repräsentanten in ihren Gruppen nur Leichtgewichte. Und Außenseiter wie Qarabag Agdam aus Aserbaidschan, NK Maribor aus Slowenien oder Apoel Nikosia aus Zypern wirken wie lästiges Beiwerk.

Was als Nachfolger des Europapokals der Landesmeister gut gedacht war, entwickelt sich zur verkappten Weltliga. Lediglich elf Landesmeister sind direkt qualifiziert. Dafür leben die Topligen ihre Potenz aus; diesmal stellt die Premier League dank dem beförderten Europa-League-Gewinner Manchester United fünf Teilnehmer. Mit der nächsten Reform werden ab 2018 jeweils vier fixe Startplätze für Spanien, Deutschland, England und Italien reserviert. Damit der Basispool an Mitspielern weitgehend unverändert bleibt.

"Die Auswirkungen sind beängstigend", glaubt Georg Pangl, Generalsekretär der europäischen Profiligen EPFL. Für den Österreicher ist es ein Unding, dass "vier Verbände die Hälfte aller Teilnehmer und 51 Verbände mit über 700 Klubs die restlichen 16 stellen." Der Profifußball tritt die Vielfalt mit Füßen. Und auch wenn der österreichische Abonnementsmeister Red Bull Salzburg regelmäßig aus eigener Schusseligkeit die Zulassungsberechtigung verspielt hat, werden künftig fast alle Vertreter der mittleren und kleineren Nationen durch das Rüttelsieb der Qualifikationsrunden und Play-offs rauschen. "Wenn die großen Fische im Ozean die kleinen nicht mehr um sich haben, dann können auch sie selber über kurz oder lang nicht überleben", mahnt Pangl.

Aber erst einmal werden die Großen weiter kräftig gefüttert. Ab nächsten Sommer kommt eine zweite Anstoßzeit hinzu - zwei Spiele beginnen dann dienstags und mittwochs schon um 19 Uhr - , und die Partien landen für den deutschen Markt komplett im Bezahlfernsehen. Für die Uefa scheint es ein gutes Geschäft. Stolze 3,2 Milliarden Euro sollen bald in den beiden Uefa-Klubwettbewerben - inklusive Europa League - zur Ausschüttung kommen. Topvereine freuen sich über 100 Millionen und mehr an Garantieeinnahme. Schon jetzt entstehen durch die Champions League schlimme Zerrbilder, weil die immensen Erlöse die nationalen Wettbewerbe verfälschen; in kleineren Ländern fast noch mehr als in größeren. Das Feuerwerk vor dem Champions-League-Finale dient vielleicht dazu, all diese Störgeräusche zu übertönen.