Kommentar
Wir brauchen keinen Oberschiri

19.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

Was war das für ein Gezeter, bis der Videobeweis eingeführt wurde! Keine Woche verging, ohne dass Experten in den einschlägig bekannten TV-Runden die Missstände anprangerten, Fehler der Schiedsrichter bis ins kleinste Detail diskutierten und endlich die Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel forderten, damit mehr Klarheit und Gerechtigkeit in den Fußball einziehen. Und jetzt? Jetzt haben wir den Videobeweis und mit ihm neue Klagen, weitere Ungerechtigkeit und erst recht keine Klarheit.

Überraschen muss das niemanden. Zum einen sind die Beteiligten immer noch in der Erprobungsphase, und da ergeben sich in der Praxis eben Situationen, die man sich zuvor in der Theorie so nicht ausgemalt hatte. Zum anderen, und das ist ganz entscheidend, haben sowohl die Schiedsrichter als auch die Videoassistenten ihre neue Rolle noch nicht gefunden. Die Unparteiischen verstehen sich offenbar nicht mehr als Entscheider auf dem Platz, sondern als Botschafter der Zwischenrufe aus der Videokabine, in der sich die Assistenten zu oft als Oberschiedsrichter aufspielen. An sich begrenzt der Richtlinienkatalog recht eindeutig die Fälle, in denen der Videoassistent eingreifen soll. Ob gefragt oder ungefragt gab es jedoch schon häufiger Hinweise von außen, die so gar nicht hätten kommen dürfen.

Insofern hilft nur, dass sich die Schiedsrichter die Hoheit auf dem Platz bewahren und nicht vor lauter Angst, einen Fehler zu machen, ständig den Knopf im Ohr im Sinn zu haben. Fehler wird es im Fußball weiterhin geben, sie auf eine andere Ebene zu verlagern, bringt keinen weiter. Wenn aber der ursprüngliche Plan - der Referee leitet das Spiel, der Videoassistent korrigiert nur bei den klar definierten Szenarien - beherzigt wird, dann kann der Videobeweis für den Fußball noch ein Erfolg werden.