Ein Haufen Teenager

30.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Vor der neuen Bundesliga-Saison stellen wir in unserer Serie alle Vereine vor. Heute: Werder Bremen setzt weiter auf die Jugend. Die Neuzugänge lassen hoffen, dass die Hanseaten auch ihr Abwehrproblem gelöst haben.

Nach 16 Spieltagen war Werder Bremen vergangene Saison Tabellenletzter und schaffte am Ende dennoch fast den Sprung in den Europapokal. In der neuen Saison hätten es die Verantwortlichen gerne ein wenig ruhiger. Aber verlassen kann man sich nicht darauf.

Wie wird Franco di Santo am 15. August im Weserstadion empfangen?
Nicht freundlich. Der Wechsel zu Schalke 04 hat den Fans wehgetan. Zum einen, weil der Stürmer sehr beliebt war. Zum anderen, weil sein Schritt so überraschend und so kurzfristig kam. Wie oft der Argentinier „ich fühle mich in Bremen sehr wohl“ gesagt hat, ist kaum zu zählen. Auch die Vereinsführung hat die Signale falsch interpretiert und am Ende nicht mehr ernsthaft mit Di Santos Abschied gerechnet. Die gesamte Saisonvorbereitung war auf das Stürmerduo Di Santo/Ujah zugeschnitten.

Angesichts der 35 Spieler im Aufgebot: Braucht Werder einen größeren Mannschaftsbus?
Etwas weniger als 35 werden es noch. Eljero Elia und Ludovic Obraniak dürften bis zum Saisonstart verkauft sein. Und etliche Spieler stehen zugleich für die U 23 zur Verfügung. Doch in der Tat ist der Kader ungewöhnlich groß. Allein sieben Mann kommen als Spielmacher infrage. In der Vergangenheit durften sich Fin Bartels, Zlatko Junuzovic, Levent Aycicek, Izet Hajrovic, Özkan Yildirim und Levin Öztunali versuchen, aber restlos überzeugt hat niemand auf dieser Position. Nach den Eindrücken der ersten Testspiele scheint nun der 18-jährige Maximilian Eggestein eine ernsthafte Chance zu bekommen. Trotz des Riesenkaders gibt es eine Position, auf der Werder dünn besetzt ist: im Sturm. Di Santo ist weg, Melvyn Lorenzen ist oft verletzt, und Martin Kobylanski spielt keine ernsthafte Rolle.

Trainer Viktor Skripnik hat in seinem ersten Jahr vor allem der Jugend eine Chance gegeben. Bleibt das so?
Ja. Die Offiziellen des Vereins behaupten sogar, dass diese Personalpolitik „alternativlos“ sei: Junge Spieler sollen sich bei Werder weiterentwickeln und so ihren Marktwert steigern. Wechseln sie dann den Verein, bleiben in Bremen ein paar Millionen Euro hängen. Unter diesem Aspekt war der Verkauf von Stürmer Davie Selke für acht Millionen Euro an RB Leipzig geradezu der Idealfall. Doch das Geschäft funktioniert nur, wenn die jungen Spieler auch das Potenzial für eine mehr oder weniger explosionsartige Entwicklung haben. Daran hapert es mitunter. Linksverteidiger Janek Sternberg etwa genoss vergangene Saison das volle Vertrauen des Trainers, doch Zweifel an seiner Bundesligatauglichkeit hat er nie ausgeräumt. Nun wurde ihm Ulisses Garcia vor die Nase gesetzt. Der 19-Jährige hat so sehr überzeugt, dass er schon jetzt seinen Marktwert gesteigert haben dürfte. Insgesamt stehen bei Werder zwölf Spieler im Kader, die noch Teenager sind, oder zumindest noch nicht lange aus diesem Alter raus sind.

65, 66, 66 – so viele Gegentore kassierte Werder in den vergangenen drei Jahren. Kippt dieser unheilvolle Trend?
Das kann gut sein, in puncto Abwehr hat Werder gut eingekauft. Schon im Winter kam der resolute Jannik Vestergard und stabilisierte die Innenverteidigung, in der er vor allem mit Alejandro Galvez harmonierte. Und mit Felix Wiedwald haben die Bremer endlich einen Torwart mit Ausstrahlung verpflichtet.

Wie viel Unruhe bringt die ausstehende Vertragsverlängerung mit Manager Thomas Eichin in die Mannschaft?
Kaum. Alle, die im Klub etwas zu sagen haben, wollen Eichin halten. Das ist eine kluge Sicht, denn in einem Umfeld grün-weißer Seligkeit (Trainer, Co-Trainer und Aufsichtsratsvorsitzender mit Werder-Vergangenheit) hat sich Eichin die Sicht von außen bewahrt. Er sieht Mängel und fängt mit Beharrlichkeit an, sie zu beheben. Nach der Umstellung des Scouting-Systems hat er nun den Teamarzt gewechselt und einen neuen, medizinisch geschulten Fitnesstrainer eingestellt. Das Ziel: weniger Verletzungen. Er weiß, dass seine Arbeit geschätzt wird, darum verhandelt er aus einer Position der Stärke, wenn es in seinem Vertrag um Gehalt und Laufzeit geht.

Abgänge:
Davie Selke (Leipzig/8 Mio.), Franco di Santo (Schalke/6 Mio.), Nils Petersen (Freiburg/3 Mio.), Richard Strebinger (Rapid Wien/500 000), Luca Caldirola (Darmstadt/Leihe 100 000), Sebastian Prödl (FC Watford/ablösefrei), Koen Casteels (Wolfsburg/ Leihende).

Zugänge: Anthony Ujah (Köln/ 4,5 Mio.), Ulisses Garcia (Grashoppers Zürich/ablösefrei), Felix Wiedwald (Eintr. Frankfurt/ablösefrei).

Nächste Folge: Armin Veh lässt die Fans von Eintracht Frankfurt wieder vom Europacup träumen. Die Buchmacher allerdings sind weniger optimistisch.