Hamburg
Schönspieler im Abstiegskampf

HSV nach Pleite gegen Schalke ziemlich am Ende – Durchhalteparolen und die Hoffnung auf Realitätssinn

27.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:09 Uhr

Hamburg (DK) Der Kapitän ist beispielhaft: „Wenn wir so weiterspielen, steigen wir ab“, sagte Rafael van der Vaart am Tag nach der desaströsen Vorstellung des HSV gegen Schalke. Auf dem Spielfeld versteckte sich der Holländer vor den Schalker Gegenspielern.

Kein Kapitän als Vorbild, keine Mannschaftsleistung, kein erkennbares Spielsystem, kein Biss, kein Einsatz, keine Galligkeit – die Mängelliste nach dem verpatzten Rückrundenstart beim HSV ist groß. Spätestens seit Sonntagabend ist die Angst vor dem Abstieg in Hamburg real. „Die Situation ist enorm brenzlig und wir werden bis zum Schluss um den Klassenerhalt spielen, das muss allen klar sein“, sagte Heiko Westermann nach der Partie. Nur er und Marcell Jansen stellten sich den Fragen der Journalisten – alle anderen versteckten sich vor den Mikrofonen, wie schon zuvor auf dem Platz. Die Statistik des Spiels: Während die Schalker Spieler 118,01 Kilometer zurücklegten, liefen die Hamburger nur 112,04 Kilometer – ein extrem schwacher Wert und ein Beleg für mangelnde Einsatzbereitschaft.

„Wir müssen auch mal böse sein“, hatte der konsternierte Trainer Bert van Marwijk nach dem Spiel gesagt. Was er meinte, steht auch in der Statistik: Nur neun Fouls und keine Gelbe Karte für den HSV. Ein nobler Wert, der allerdings im Abstiegskampf nicht gefragt ist. „Keine Gelbe Karte im Abstiegskampf ist auch ein Signal“, sagt Sportchef Oliver Kreuzer, der mit Blick auf die gefangenen Gegentore auch meinte: „Früher hätte ich meine Schwiegermutter umgebracht, um so ein Tor zu verhindern.“

Das Problem der Hamburger: So richtig hat niemand eine Lösung für den Weg aus der Krise parat, die Befürchtung, dass der HSV – im Gegensatz zu den Konkurrenten aus Freiburg, Nürnberg und Braunschweig – im Abstiegskampf mangels Erfahrung untergehen könnte, ist groß, denn im Kader sind besonders viele Schönspieler (Badelj, Ilicevic, Van der Vaart, Calhanoglu, John), aber wenig erfahrene Haudegen. „Jetzt heißt es vor allem die Arschbacken zusammenkneifen und den Schwanz nicht einzuziehen“, meint Heiko Westermann, einer der wenigen Kämpfer im Team.

Trainer Bert van Marwijk wirkte nach der Begegnung angeschlagen. Seine Einschätzung, dass die Spieler seine Ideen und Vorgaben immer besser verstehen würden, hat sich als Fehleinschätzung offenbart. Der Auftritt gegen Schalke war trotz Winter-Trainingslager keinen Deut besser, als das Gekicke bei den Heimniederlagen gegen Mainz (2:3) oder Augsburg (0:1) im Dezember.

Was der Holländer jetzt tun kann? „Es muss sich in den Köpfen etwas ändern, wir spielen nur noch um den Klassenerhalt, aber es geht nichts von selbst. Ich erwarte jetzt gegen Hoffenheim eine Antwort von den Spielern“, sagte van Marwijk, der in den nächsten Spielen auf Torjäger Pierre-Michel Lasogga wegen seiner Oberschenkel-Zerrung verzichten muss, was seine Lage nicht angenehmer macht, denn von den vorhandenen Offensivkräften ging zuletzt keine Torgefahr aus – Artjoms Rudnevs, der Torjäger der vergangenen Saison, wurde bekanntlich für wenig Geld nach Hannover verliehen und für einen schnellen Last-Minute-Transfer fehlt das Geld.

Was für die Hamburger Abstiegskämpfer besonders bitter ist: Die Fans kehren ihnen den Rücken. Der Frust über sechs Niederlagen in neun Heimspielen führte am Sonntagabend zu bewegenden Momenten: Noch nie verließen so viele Zuschauer nach nicht einmal einer Stunde geräuschlos die Arena des Grauens.