Prag (DK) Bei seinem Anblick geraten die Fans in Ekstase: Jaromir Jagr ist eine lebende Eishockey-Legende und in Tschechien ein Volksheld. Bei der WM in Prag soll der inzwischen 43-Jährige sein Heimatland noch einmal zur Goldmedaille führen. Am Sonntag (16.15 Uhr) trifft er auf die deutsche Mannschaft.
Interviews auf Englisch hat er in Prag noch nicht gegeben. Auch in seiner Muttersprache gibt sich Jaromir Jagr wortkarg. Der Mann mit den grauen Bartstoppeln lässt lieber seine Leistung auf dem Eis sprechen. Und die reißt nicht nur die tschechischen Fans von den Sitzen der imposanten 02-Arena im Prager Nordosten. Wenn Jagr an den Puck kommt, kreischen die Zuschauer in einer Lautstärke, als habe soeben eine angesagte Boyband das Eis betreten.
Der Schnellste ist er nicht mehr. Doch kaum einer führt den Puck so sicher, ist so schwer von ihm zu trennen, hat eine solche Übersicht und ist so eiskalt vor dem Tor wie Jagr. Der Hit der US-Band Maroon 5 „Moves like Jagger“ ist der WM-Schlager – wenn auch ein wenig umgedichtet: „Moves like Jagr“.
Beim Sieg gegen Lettland im zweiten Spiel kürte sich der Angreifer aus der Industriestadt Kladno zum ältesten WM-Torschützen der Geschichte. Mit 43 Jahren. Jagr ist trotz seines Alters kein Mitläufer – Jagr ist Leistungsträger, Hoffnungsträger, Nationalheld.
Vor allem aber ist er ein Phänomen. Als sein Nationalmannschaftskollege Tomas Hertl 1993 geboren wurde, hatte Jagr in der nordamerikanischen Profiliga NHL schon zwei Stanley Cups mit den Pittsburgh Penguins gewonnen. Jagr scheint die Gesetze des Alterns außer Kraft gesetzt zu haben. „Nach jedem Training ist mein Körper etwas müder als noch vor einigen Jahren“, gab er in einem Interview immerhin zu. „In den vergangenen Jahren ging es für mich darum, zu akzeptieren, dass ich zur Regeneration meines Körpers immer mehr Zeit benötige.“
Vor zwei Jahren probierte es der Stürmer daher mit einer Ernährungsumstellung: Jagr aß mehr Fisch, Reis und Salat. Doch schon nach kurzer Zeit fühlte er sich geschwächt, beendete die Schonkost und ließ sich stattdessen wie gewohnt Fleisch und böhmische Knödel servieren. Seiner Leistung tat das keinen Abbruch – auch wenn der Masseur bei Jagr öfter ran muss als bei anderen.
Mit 1802 Punkten (722 Tore und 1080 Vorlagen) ist Jagr in der Geschichte der NHL der viertbeste Profi – nur Wayne Gretzky, Mark Messier und Gordie Howe waren erfolgreicher. Für acht Klubs in der besten Liga der Welt hat der Tscheche schon die Schlittschuhe geschnürt. Auch außerhalb sorgte er stets für Aufsehen – beispielsweise in Deutschland: In der Lockout-Saison 1994/95 lief Jagr einmal für den Oberligisten Gelsenkirchen auf, erzielte einen Treffer und gab zehn Vorlagen. Außerdem ist Jagr einer von nur 25 Spielern, die sowohl einen Stanley Cup, eine Weltmeisterschaft und Olympische Spiele gewonnen haben. Mehr geht eigentlich nicht. Doch eines treibt ihn, der seine Nationalmannschaftskarriere eigentlich schon beendet hatte, noch an: der Sieg bei der WM im eigenen Land. 2004 waren die Tschechen ebenfalls in Prag schon im Viertelfinale gescheitert.
Bei allem Ruhm ist Jagr doch stets bodenständig geblieben. Seine Rückennummer 68 trägt er in Gedenken an den Prager Frühling, bei dem seine Großväter ums Leben kamen. 2011 rettete er seinen Heimatklub Kladno vor dem Ruin, indem er als Mehrheitseigner einstieg.
Doch wie lange wird Jagr noch spielen? „So lange, wie ich für das jeweilige Team noch von Nutzen bin. Ich selbst bin dabei auch mein größter Kritiker, denn ich will auf einem Niveau spielen, mit dem ich auch zufrieden bin“, sagte er vor zwei Jahren. Noch ist das Karriereende nicht absehbar: Erst im April schloss Jagr einen neuen Einjahresvertrag beim NHL-Klub Florida Panthers ab. Sein Verdienst: 3,5 Millionen Dollar. „Diese Mannschaft hat eine große Zukunft“, sagte Jagr. „Hoffentlich kann ich ein Teil davon sein.“
