Ingolstadt
"Wir haben die richtigen Typen"

19.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

John Laliberte (links) und Brandon Buck jubeln nach einem Treffer - das soll in der kommenden Saison bei den Panthern wieder häufiger der Fall sein. - Fotos: Lüger, Bösl

Ingolstadt (DK) Nach zwei enttäuschenden Spielzeiten soll der runderneuerte ERC Ingolstadt künftig wieder zu den Spitzenklubs in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gehören. Vor dem Start der Vorbereitung haben wir Sportdirektor Larry Mitchell und Geschäftsführer Claus Gröbner zum Doppelinterview getroffen.

Herr Gröbner, der ERC hat in den vergangenen Monaten an vielen Stellschrauben gedreht und Personal gewechselt, um in der neuen Saison in die Erfolgsspur zurückzukehren. Können Sie wenige Tage vor dem ersten Eistraining eine Aufbruchstimmung spüren?

Claus Gröbner: Absolut. Wir haben das auch beim ersten Fanstammtisch in der "Neuen Welt" gesehen, dass wieder eine positive Grundstimmung herrscht. Man darf aber die Bodenhaftung nicht verlieren. Es ist nicht alles gut - genauso wie vergangene Saison nicht alles schlecht war.

 

Herr Mitchell, fast die halbe Mannschaft ist ausgetauscht. Vor dem Hintergrund der langfristigen Verträge in der Abwehr: Konnten Sie Ihre Vorstellungen komplett umsetzen?

Larry Mitchell: Alles umzusetzen wäre, wenn man bei null Spielern anfängt und seine eigene Mannschaft zusammenstellt. Ich bin aber zufrieden mit den Spielern, die ich verpflichten konnte, und auch mit der Mannschaft, die schon hier war. Für die wenigen Monate, in denen ich in Ingolstadt bin, glaube ich, dass wir eine gute Truppe zusammen haben. Die Voraussetzungen sind da, dass wir eine gute Rolle spielen.

 

Bei welchem von den insgesamt zwölf Neuzugängen mussten Sie die größte Überzeugungsarbeit leisten?

Mitchell: Alle waren in ihrer Art unterschiedlich. Kael Mouillierat war vor wenigen Tagen zwar die letzte Verpflichtung, aber da bestand auch der längste Kontakt. Mein Interesse an ihm besteht schon seit einigen Monaten. Ich war sehr, sehr glücklich, dass er noch auf dem Markt war.

 

Die Panther waren immer für attraktives, offensives Eishockey bekannt. Das wird so auch von der Klubspitze gefordert. Haben Sie die richtige Mischung aus Arbeitern und Künstlern gefunden?

Mitchell: Der Trainer ist für das Spielsystem verantwortlich, da werde ich mich sicher nicht einmischen. Fakt ist: Um bestimmte Systeme zu spielen, braucht man die richtigen Spieler. Hierfür haben wir Künstler und harte Arbeiter in der Mannschaft. Was mir persönlich sehr wichtig ist: In einem Teamsport muss der Charakter innerhalb der Mannschaft stimmen. Ich weiß, dass wir die richtigen Typen haben. Jeder einzelne Spieler kann noch so gut sein. Aber nur wenn alle in eine Richtung steuern, wird man Erfolg haben.

 

Auf dem Papier ist der Kader stärker einzuschätzen als in der vergangenen Saison. Bereits damals wurde die direkte Play-off-Qualifikation als Saisonziel ausgegeben. Wie schaut es dieses Jahr aus?

Mitchell: Ich möchte das Ziel setzen, dass wir das Viertelfinale erreichen. Das ist momentan das Wichtigste, wenn man die beiden letzten Jahre betrachtet. Und wenn man weiter zurückgeht, ist Ingolstadt doch das beste Beispiel, dass der Tabellenplatz nach der Hauptrunde nicht ausschlaggebend ist, wie die Saison letztlich endet (grinst).

Gröbner: Das Viertelfinale ist auch in der neuen Saison absolut unser Ziel. Wir wollen auch wieder in der Lage sein, durch den sportlichen Erfolg unsere Einnahmensituation zu stärken.

 

Die finanziellen Spielräume sind durch die leistungsabhängigen Sponsorenverträge nicht größer geworden. Mussten Sie den Spieleretat deshalb senken?

Gröbner: Rein betriebswirtschaftlich würde man sicher sagen, dass man etwas vorsichtiger agiert und den Spieleretat anpasst, wenn man seine Ziele nicht erreicht hat. Für uns war aber von Anfang an klar, dass wir zurück in die Erfolgsspur wollen. Deshalb haben wir den Spieleretat nicht angefasst. Das war von Anfang an mein Versprechen gegenüber Larry.

 

Sie haben mal gesagt, dass Sie die Lohnzettel der Profis in die Kabine hängen könnten und sich niemand beschweren würde. War das in der abgelaufenen Saison auch noch so? Und wie schaut die Situation jetzt aus? Mit Thomas Oppenheimer und Patrick Köppchen haben bekanntlich zwei Großverdiener den Klub verlassen.

Gröbner: Grundsätzlich ist die Aufgabe für Larry nicht einfach gewesen. Wir haben erkannt, dass wir die Kadertiefe verbreitern sollten. Wir haben nach wie vor das Gehaltsgefüge, wie es sein soll. Die besten Spieler verdienen auch am besten. Wir haben es geschafft, dass an der einen oder anderen Stelle zum einen leistungsbezogene Verträge ausgehandelt wurden. Wir sind dadurch variabler. Zum anderen wollen wir uns ein Stück weit von langfristigen Verträgen lösen, damit man auch eine Entwicklung vorantreiben kann. Das ist uns aus meiner Sicht sehr gut gelungen.

 

Herr Mitchell, Sie gelten als großer Kommunikator. Wie wollen Sie Schlüsselspieler Brandon Buck wieder in die Form aus seiner Anfangszeit beim ERC bringen? Er wirkte in der vergangenen Saison nicht immer ganz glücklich und motiviert.

Mitchell: Letztlich liegt es an Brandon. Ich habe mich mit ihm und Patrick McNeill während meiner Scoutingreise in Kanada getroffen, wir haben uns über mehrere Stunden ausgetauscht. Brandon ist auch ein Kommunikator. Ich hatte mit ihm über den Sommer mehr Kontakt als mit anderen Spielern. Ich bin überzeugt, dass er wieder der Brandon Buck aus seiner Anfangszeit in Ingolstadt wird. Er wird definitiv mit Leidenschaft spielen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

 

Einige Spieler haben in der vergangenen Saison die ihnen zugedachten Rollen nicht übernommen. Zudem gab es einen mangelnden Teamgeist. Auch Trainer Tommy Samuelsson stand in der Kritik, nicht konsequent genug reagiert zu haben. Wie haben Sie dieses Problem adressiert?

Mitchell: Da trifft eigentlich dasselbe zu, was ich über die Mannschaft gesagt habe. Jede einzelne Person kann nicht so stark sein wie das Kollektiv. Ich wollte daher von Anfang an einen größeren Trainerstab formen, damit Tommy auch ein Team hat, in dem jeder seine Stärken einbringt. Nach dem Motto "Gemeinsam sind wir stark" haben wir mit Tommy, Clayton Beddoes (neuer Co-Trainer, d. Red.), Fabian Dahlem (neuer Torwarttrainer, d. Red.), Maritta Becker (Fitnesstrainerin, d. Red.) und Scott Atkins (neuer Fitnesstrainer, d. Red.) einen Trainerstab geformt, mit dem wir in die Erfolgsspur zurückkehren werden.

 

Das heißt, der neue Co-Trainer Clayton Beddoes soll der Gegenpol zu Chefcoach Tommy Samuelsson sein?

Mitchell: Ich bin ganz stark der Meinung, dass es noch nie funktioniert hat, dass der Chefcoach der "Good Cop" und der Co-Trainer der "Bad Cop" ist. Das wird in keiner Sportart funktionieren. Beide sollen sich gegenseitig ergänzen.

 

Herr Gröbner, können Sie noch einmal sagen, was letztlich die Beweggründe für die Vertragsauflösung mit Patrick Köppchen waren? Immerhin hatte er sich in der vergangenen Saison nach einer seiner schwächsten Spielzeiten wieder gesteigert.

Gröbner: Patrick Köppchen ist unser Meisterpanther und war beim Titelgewinn der wertvollste Spieler. Er wird immer eine ganz besondere Rolle beim ERC haben. Wahrscheinlich gibt es im Leben immer Momente, in denen für beide Seiten eine neue Orientierung richtig ist. Wir sind an einem Punkt, an dem man nach vorne schauen sollte. Wir wollen jetzt die Aufbruchsstimmung mitnehmen.

 

Wie geht es mit dem "Ingolstädter Weg", dem Nachwuchskonzept des ERC, künftig weiter?

Gröbner: Der ist langfristig angelegt. Wir werden weiterhin die Audi-Sportakademie sehr intensiv betreuen. Es war auch von Anfang an klar, dass Larrys Aufgabe den gesamten Sport und damit auch die Nachwuchsförderung verantwortet. Der Weg, dass wir junge deutsche Spieler an den Profisport heranführen wollen, hat sich nicht geändert. Die Zusammenarbeit mit dem ESV Kaufbeuren beispielsweise stand nie zur Debatte.

Mitchell: Es ist ein schmaler Grat, um auf der einen Seite Spieler zu entwickeln und auf der andere Seite Erfolg zu haben. Es war nicht so, dass wir von Anfang gesagt haben, dass wir neben Fabio Wagner, Simon Schütz und Christoph Kiefersauer nicht noch ein paar junge Spieler dazuholen.

 

Die deutschen Spieler absolvieren in dieser Woche bereits ihre Fitnesstests, ehe Anfang kommender Woche auch die Fraktion aus den USA und Kanada erwartet wird. Sind alle Profis fit und kommen rechtzeitig?

Mitchell: Ich weiß von keinen Verletzungen. Wie fit sie sind, werden wir nach den Tests sehen. Ich möchte Spieler aus meiner Zeit - mich eingeschlossen - nicht demütigen (grinst), aber die Spieler sind heutzutage wesentlich fitter als wir es waren. Ich habe nicht mehr das Bauchweh, das ich noch vor zehn Jahren hatte. Da kam es schon mal vor, dass ein, zwei Spieler zurückkamen und dann noch Extraschichten einlegen mussten. Es gibt kaum noch Spieler, die nicht mit einem Personal-Trainer arbeiten.

 

Wie schaut der Fortschritt beim noch verletzten Neuzugang Joachim Ramoser aus?

Mitchell: Ich plane nicht so schnell mit ihm. Geduld ist das Wunderwort. Wir sind uns alle einig, dass wir ihn nicht unter Druck setzen werden, denn er hat schon eine schwerwiegende Verletzung (der ERC Ingolstadt will keine Details bekanntgeben, d. Red.). Wir geben ihm die Zeit, spielfit zu werden.

 

Das hört sich nicht so an, als ob er dieses Jahr noch spielen kann . . .

Mitchell: Ich sage, dass es möglich ist. Aber im Juli möchte ich mich noch nicht festlegen. Er wird definitiv in der Vorbereitung fehlen.

 

Das Gespräch führten Julian Schultz und Alexander Petri.