Ingolstadt
"Wir brauchen keinen Eishockey-Professor"

ERC-Geschäftsführer Claus Gröbner über die Trainersuche, Brandon Bucks Zukunft und Kritik der Fans

30.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Attraktive Kandidaten habe Sportdirektor Jiri Ehrenberger als Nachfolger für Trainer Kurt Kleinendorst ausgesucht, sagte Geschäftsführer Claus Gröbner gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. - Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Kein Trainer, die ungeklärte Zukunft von Topscorer Brandon Buck und Kritik an Sportdirektor Jiri Ehrenberger: Der ERC Ingolstadt aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) kommt in der Sommerpause nicht zur Ruhe. Mit unserer Zeitung sprach Geschäftsführer Claus Gröbner über die offenen Baustellen bei den Panthern.

 

Herr Gröbner, hätten Sie sich vorstellen können, dass die Sommerpause derart unruhig wird?

Claus Gröbner: Seit ich in Ingolstadt bin, war der Sommer in den seltensten Fällen ruhig. Wir haben in der Meister- und Vizemeistersaison sehr lange gespielt. Jetzt haben wir gedacht, dass es mit dem frühen Ausscheiden vielleicht ein bisschen ruhiger ist. Aber so ganz ruhig ist es nicht geworden, das muss man schon so sagen.

 

Entscheidenden Anteil daran hat Kurt Kleinendorst, der nach seinem plötzlichen Abschied auch noch mit einem Interview Staub aufwirbelte. Hat sich Ihr gutes Verhältnis dadurch geändert?

Gröbner: Auf der persönlichen Ebene habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Ich schätze seine Arbeit. Er hat Identität und Struktur in die Mannschaft gebracht. Ich hätte das Interview allerdings nicht gegeben. Es hatte schon etwas von Nachtreten. Für unsere aktuelle Situation war es nicht gut.

 

Haben Sie mit ihm noch mal darüber gesprochen?

Gröbner: Ja. Ich habe ihm gesagt, dass ich es so nicht gemacht hätte. Denn solche Themen gehören intern besprochen. Mehr will ich dazu aber auch gar nicht sagen.

 

Ein Nachfolger soll spätestens in zwei Wochen bekannt gegeben werden. Nach Informationen unserer Zeitungen gehören inzwischen noch drei Kandidaten zum Kandidatenkreis . . .

Gröbner: Jiri hat drei bis vier Kandidaten eingegrenzt. Ich werde die Woche auch noch mit dem einen oder anderen telefonieren. Dann wird Jiri dem Beirat drei Kandidaten mit einer Empfehlung präsentieren. Wir sind zuversichtlich, dass wir Mitte Juli den neuen Trainer präsentieren können.

 

Sie haben ein Faible für skandinavisches Eishockey. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der neue Trainer aus Nordeuropa kommt?

Gröbner: (lacht) Unter den Kandidaten sind auch Skandinavier, ja.

 

Welches Anforderungsprofil muss der neue Mann mitbringen?

Gröbner: Wir müssen wieder offensives und laufintensives Panther-Eishockey spielen. Wir brauchen einen Coach, der auch mit jungen Leuten arbeitet. Und - das ist mir sehr wichtig - wir brauchen jemand, der auf das Drumherum sehr viel Wert legt. Wir brauchen keinen Eishockey-Professor, wir brauchen jemand, der unsere Philosophie mitträgt.

 

Der Trainerstuhl war beim ERC Ingolstadt in den vergangenen Jahren ein Schleudersitz. Erschwert das die Suche, um einen Coach für die Aufgabe zu begeistern?

Gröbner: Überhaupt nicht. Wir genießen als Organisation einen sehr guten Ruf. Wir hatten noch nie den Fall, dass ein Trainer deswegen abgesagt hätte. Im Gegenteil: Ich finde die Kandidaten, die Jiri ausgesucht hat, sehr attraktiv. Wenn so einer nach Ingolstadt kommt, ist das eher ein Qualitätsbeweis für die Arbeit in der Organisation.

 

Neben der vakanten Trainerposition könnte es sein, dass Sie demnächst auch noch einen neuen Topscorer brauchen. Wie realistisch ist es, dass Brandon Buck bei den Panthern bleibt?

Gröbner: Ich möchte nicht von einer 50:50-Chance reden. Das Thema ist auf alle Fälle noch nicht entschieden.

 

Nachdem die Verhandlungen schon so lange laufen, deutet allerdings vieles darauf hin, dass Brandon Buck den Verein gerne verlassen will, oder?

Gröbner: Das kann man so nicht sagen. Man muss berücksichtigen, dass er ein sehr gutes Angebot hat. Auf der anderen Seite fühlt er sich in Ingolstadt sehr wohl. Er weiß, was er hier hat und ist von den Fans und in der Liga geschätzt. Wir müssen uns auch überlegen, welche Signalwirkung ein Abschied hätte. Wie wettbewerbsfähig wären wir? Welche Möglichkeit hatten wir, ihn adäquat zu ersetzen?

 

Ab welcher Summe werden Sie schwach?

Gröbner: Das kann man nicht sagen. Brandon ist eine zentrale Säule. Wir werden uns sehr bemühen, ihn in Ingolstadt zu halten. Aber eines ist auch klar: nicht gegen seinen eigenen Willen - und das ist die entscheidende Frage. Es wird auf alle Fälle eine Entscheidung sein, die im Sinne des Vereins ist.

 

Für den ERC kommt nur ein Leihgeschäft infrage. Wie realistisch wäre eine Rückkehr?

Gröbner: In jedem Fall würden wir die Transferrechte behalten wollen und keiner Klausel für einen abschließenden Verkauf zustimmen. Wenn Brandon in der KHL überzeugen sollte, stehen wir nächste Saison mit großer Wahrscheinlichkeit vor dem gleichen Problem.

 

Nicht zuletzt durch Kurt Kleinendorsts Äußerungen von gilt Sportdirektor Jiri Ehrenberger bei den Fans als Hauptschuldiger für die aktuelle Situation . . .

Gröbner: Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Jiri ist ein ausgewiesener Eishockey-Fachmann, das hat er in den vergangenen Jahren auch immer wieder bewiesen. Die Aufgabe vom Sportdirektor ist nicht, der Liebling der Fans zu sein. Er muss die Organisation auf der sportlichen Seite besser machen - und da können auch mal Fehler passieren. Man sollte die Unzufriedenheit nicht an einzelnen Transfers festmachen. Jiri hat auch die Aufgabe, die Jugend an den Profibereich heranzuführen. Er arbeitet akribisch daran, nur wird man dafür kaum Lob bekommen, weil vieles im Hintergrund passiert. Wir werden aus den Fehlern lernen und uns weiterentwickeln. Eine Diskussion um seine Personalie wäre nicht richtig.

 

Dennoch: Jiri Ehrenberger dürfte in der kommenden Spielzeit unter besonderer Beobachtung stehen, oder?

Gröbner: Das ist doch klar. Er hat den sportlichen Erfolg in allererster Linie zu verantworten. Aber nicht nur Jiri, sondern auch das Trainerteam und natürlich die Spieler stehen unter Beobachtung.

 

Trotz der unruhigen Sommerpause - warum freuen Sie sich auf die neue Saison?

Gröbner: Ich freue mich tatsächlich sehr. Denn wenn der Puck wieder eingeworfen wird, sieht man, wofür man gearbeitet hat.