Ingolstadt
Wieder auf Trainersuche

ERC-Coach Kurt Kleinendorst übernimmt trotz Vertrags in Ingolstadt seinen Ex-Klub Binghamton

08.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:42 Uhr

Ingolstadt (DK) Paukenschlag beim ERC Ingolstadt: Gestern gab der Klub aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bekannt, dass Kurt Kleinendorst nicht länger Cheftrainer der Panther sein will. Der 55-jährige US-Amerikaner hatte seinen Vertrag in Ingolstadt erst am 20. März verlängert. Am Abend vermeldete dann der NHL-Klub Ottawa Senators, dass Kleinendorst in den kommenden beiden Jahren dessen Farmteam Binghamton Senators in der AHL trainiert.

Nur ein paar dürre Zeilen umfasst die Pressemitteilung, die die Panther gestern per E-Mail um 16.02 Uhr versendeten. "Cheftrainer Kurt Kleinendorst hat den ERC Ingolstadt am Dienstagabend informiert, dass ihm ein Angebot einer NHL-Organisation vorliegt, das er gerne wahrnehmen würde. Der 55-jährige US-Amerikaner gab an, dass neben dem guten Angebot vor allem auch familiäre Gründe eine Rolle in seinen Überlegungen spielen. Der ERC Ingolstadt wurde von Kleinendorsts Nachricht überrascht", heißt es darin.

Das gilt auch für Sportdirektor Jiri Ehrenberger, der sich schon per Telefon auf die Suche nach einem Nachfolger gemacht hat. "Das ist auch für mich unerwartet gekommen", sagt der 61-Jährige, der gleichzeitig Verständnis für seinen (Ex-)Trainer äußert: "Wenn sich die Möglichkeit bietet, zu Hause in einer guten Organisation zu arbeiten, macht man sich Gedanken. Auch seine Familie dürfte das begrüßen."

Gestern Abend wurde dann bekannt, dass Kleinendorsts neuer Arbeitgeber auch sein alter ist: Mit den Binghamton Senators aus dem US-Bundesstaat New York gewann er 2011 deren einzigen Calder Cup, den Meistertitel in der zweitklassigen AHL. Binghamton fungiert als Farmteam der Ottawa Senators aus der NHL, der besten Eishockey-Liga der Welt. "Wir freuen uns darauf, Kurt wieder bei uns zu haben. Er hat bewiesen, dass er die richtige Balance zwischen der Entwicklung junger Spieler und Erfolg findet", wird Binghamtons Sportdirektor Randy Lee auf der Homepage des NHL-Klubs aus der kanadischen Hauptstadt Ottawa zitiert.

Ob der ERC eine Ablöse von den Senators erhält, wollte Ehrenberger nicht verraten. "Mit diesem Gedanken haben wir uns noch nicht befasst", sagt der Sportdirektor. Bis zum Start der Saisonvorbereitung hat Ehrenberger nun noch rund anderthalb Monate Zeit, um einen Nachfolger für Kleinendorst zu präsentieren.

Bei den Anhängern der Panther fielen die Reaktionen auf Kleinendorsts Abgang unterschiedlich aus. Einige äußerten in den sozialen Netzwerken Verständnis für das Ergreifen der Chance, andere beklagten die zunehmende Missachtung gültiger Verträge auch im Eishockey. Vor einigen Wochen hatte schon Stürmer Alexander Barta trotz gültigen Arbeitspapiers um einen vorzeitigen Abgang nach Düsseldorf gebeten.

Kleinendorst, der in der Saison 1988/89 als Stürmer beim ERC auf Torejagd ging, hatte den schwach in die Saison gestarteten Klub Ende November 2015 am Tabellenende als Nachfolger von Cheftrainer Manny Viveiros übernommen. Es war Kleinendorsts erster Trainerjob in Europa - von einem dreijährigen Gastspiel in England in den 90er-Jahren einmal abgesehen.

Zuvor hatte der Mann aus dem US-Bundesstaat Minnesota unter anderem sieben Jahre lang als Scout und Assistenztrainer bei den New Jersey Devils in der NHL gearbeitet. 2003 gewann der vierfache Familienvater mit den "Teufeln" den Stanley Cup. 2010 hatte er mit der U 18-Nationalmannschaft der USA den WM-Titel geholt - mit den heutigen NHL-Stars Brandon Saad oder Jason Zucker. Auch in Ingolstadt war Kleinendorst zumindest teilweise erfolgreich: Den ERC führte er noch in die Pre-Play-offs, wo allerdings gegen die Straubing Tigers in zwei Spielen Schluss war.

Trotz des frühen Scheiterns wollte Ehrenberger Kleinendorst halten - und bei der Saisonabschlussfeier gab der Coach die Verlängerung seines Vertrages bis 2017 bekannt. "Ich bleibe in Ingolstadt", sagte er unter dem Jubel der rund 1500 Anhänger in der Saturn-Arena. "Tolle Stadt, tolle Fans, ich habe Freunde hier. Und das Team besteht aus guten Jungs", begründete der US-Amerikaner seinen Entschluss für die Panther.

Erst vor rund sechs Wochen war Kleinendorst noch in Ingolstadt zu Gast, um mit Ehrenberger die neue Saison zu planen - und schaute auch zum Interview mit unserer Zeitung in der Redaktion vorbei. "Wir werden besser sein", sagte er damals in Bezug auf die kommende Saison.

Wer dann als Cheftrainer hinter der Ingolstädter Bande stehen wird, ist aktuell noch offen. "Wir werden Augen und Ohren offen halten", sagt Ehrenberger. "Wir machen uns jetzt Gedanken, wer von der Persönlichkeit her zu uns passt. Klar ist, dass der neue Mann sich im Profigeschäft auskennen sollte." ‹ŒKommentar