Ingolstadt
"Man kann nie genug Mittelstürmer haben"

ERC-Sportdirektor Larry Mitchell über die Kaderplanung, das Torwartduell und seinen 50. Geburtstag

01.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr
Ingolstadts Sportdirektor Larry Mitchell. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Gestern Abend hat Larry Mitchell im kleinen Kreis daheim in Landsberg in seinen 50. Geburtstag reingefeiert. Nun fliegt der Sportdirektor des ERC Ingolstadt mit seinen beiden Söhnen in einen zweiwöchigen Urlaub nach Kanada. Die Kaderplanungen für die neue Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ruhen deswegen allerdings keineswegs, wie Mitchell vor dem Abflug im Gespräch mit unserer Zeitung verriet.

Herr Mitchell, an diesem Freitag werden Sie 50 Jahre alt. Fahren Sie extra in den Urlaub, um der großen Feier zu entgehen?

Larry Mitchell: (lacht) Ich fliege über Pfingsten mit meinen Kindern nach Ontario, Kanada. Ich habe dort noch ein Haus. In diesem Jahr hat es genau gepasst, dass es mit meinem 50. Geburtstag zusammenfällt. Daher habe ich darauf verzichtet, eine große Feier zu veranstalten.

 

Wird die noch nachgeholt? Oder legen Sie da keinen Wert drauf?

Mitchell: Nein. Ich muss nicht 200 Leute da haben. Als Trainer, der ich die letzten zwölf Jahre war, hat man sowieso keine Freunde. (grinst) 30 Leute beim Reinfeiern genügen, das sind meine wahren Freunde, meine Lebensgefährtin und meine Kinder. Das ist mir viel wichtiger, als eine große Feier zu schmeißen.

 

Was steht im Urlaub auf dem Programm?

Mitchell: Ganz viel Golf spielen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Meine Mutter und mein Bruder mit seiner Familie sind auch da. Durch die späten Sommerferien in Bayern, die immer mit der Eishockey-Saisonvorbereitung kollidieren, habe ich nur wenig Zeit für meine Kinder. Deswegen haben wir vor zehn Jahren angefangen, dass wir an Pfingsten zu dritt über den Großen Teich fliegen. Das ist eine Zeit, die ich sehr genießen kann.

 

Bleibt Ihr Handy dann auch mal aus?

Mitchell: (lacht) Nein, definitiv nicht. Wir haben noch ein paar Spieler zu verpflichten. Es ist die Ausnahme, dass ich nicht erreichbar bin. Ich werde keine zwölf Stunden am Tag arbeiten, aber vielleicht eine oder zwei. Wir wollen schließlich eine vernünftige Mannschaft auf die Beine stellen.

 

Ein Puzzlestück ist gefunden: Mit Torhüter Jochen Reimer von den Nürnberg Ice Tigers haben Sie den ersten "Kracher" nach Ingolstadt geholt. Wie ist der Transfer vonstattengegangen?

Mitchell: Die erfolgreichsten Teams in der DEL haben zwei starke Torleute, die sich gegenseitig pushen. Tommy (Cheftrainer Samuelsson, d. Red.) und ich waren uns einig, dass wir mit einem unerfahrenen Ersatzmann hinter Timo (Torhüter Pielmeier, d. Red.) wahrscheinlich nicht den Erfolg haben, den wir uns wünschen. Dann kommt noch dazu, dass der Spielplan wegen der Olympia-Pause ein wenig gequetscht ist. Der Kontakt zu Jochen bestand länger. Für ihn wären auch Schweden oder Finnland infrage gekommen. Unsere Geduld hat sich ausgezahlt. Vor knapp einer Woche sind wir noch mal zusammengekommen, und dann ging eigentlich alles sehr schnell. Es ist eine Bereicherung für uns, dass wir mit das beste Torhütergespann der Liga haben. Was mir besonders wichtig ist: Jochen ist ein charakterlich einwandfreier Teamspieler. Er passt in jede Mannschaft rein. Zudem ist seine Frau eine ehemalige US-Nationalspielerin, die eigene Trainingscamps für Talente veranstaltet. Sie hat in Nürnberg schon fleißig im Nachwuchs mitgeholfen und wird das auch bei uns tun.

 

Von Timo Pielmeier weiß man, dass er sehr ehrgeizig ist und am liebsten immer spielen würde. Bei Jochen Reimer dürfte es ähnlich sein. Kann es da auch mal krachen?

Mitchell: Das ist mir nicht durch den Kopf gegangen. Dass Timo nicht unbedingt eine Party schmeißt, weil er Jochen Reimer als Torwartkollegen hat, kann ich mir vorstellen. Aber krachen? Nein. Timo hat von mir immer die Wahrheit gesagt bekommen. Er wusste, dass wir einen starken Nebenmann suchen. Ich denke, dass sich beide gegenseitig pushen werden. Für Jochen ist die Situation vielleicht ein bisschen leichter, denn er hat das in seiner Karriere schon in Wolfsburg und Nürnberg erlebt. In beiden Fällen hat es sehr gut funktioniert. Ich werde ein gutes Gefühl haben, egal, wer im Tor steht.

 

Die Positionen im Tor und in der Verteidigung sind nun komplett, der Fokus liegt auf dem Angriff. Nach welchen Spielertypen suchen Sie?

Mitchell: Wir werden noch drei bis vier Stürmer holen. Mit der Verpflichtung Reimers haben wir zwei deutsche Torhüter, deswegen werden wir definitiv drei ausländische Stürmer holen. Vielleicht dazu noch einen deutschen Angreifer. Mir persönlich ist wichtig, einen Rechtsaußen neben Brandon Buck zu finden. Und wenn ich die Mannschaft so anschaue, gibt es sehr viele offensiv ausgerichtete Stürmer. Mit Brett Olson haben wir einen guten Zwei-Wege-Spieler, der seine Stärken in Unterzahl hat. Es ist wahrscheinlich, dass einer der noch zu verpflichtenden Stürmer auch so ein Spielertyp ist, der nachweislich eine defensive Rolle ausfüllen kann. Einer, der gemeinsam mit Olson die hoffentlich vielen Führungen kurz vor Schluss über die Zeit bringen kann.

 

Einer, der diese Qualität nachgewiesen hat, ist der Ex-Ingolstädter Christoph Gawlik, der mit Frankfurt Zweitliga-Meister geworden ist. Der 29-Jährige würde gerne zu den Panthern zurückkehren. Gehört er auch zu den Kandidaten?

Mitchell: Es gibt keine 20 deutschen Stürmer, die diese Rolle übernehmen können, daher ist Gawlik mit Sicherheit im engeren Kreis. Was für ihn spricht, ist seine erfolgreiche Ingolstädter Vergangenheit und dass er gern wieder in der DEL spielen möchte. Allerdings hat er dort zwei Jahre nicht mehr gespielt und war eineinhalb Jahre verletzt. Das sind Dinge, die ich als Sportdirektor berücksichtigen muss. Auch das Finanzielle spielt bei solchen Entscheidungen eine Rolle.

 

Geht der Trend weg von den Spezialisten im Sturm? Sind Allrounder, die mehrere Positionen übernehmen können, gefragter als früher?

Mitchell: Es ist leichter für einen Mittelstürmer, auf den Flügel zu rücken, als umgekehrt. Diese Art Spieler ist wertvoller als je zuvor. Wertvoller als einer, der sagt, dass er nur Rechtsaußen spielen kann. Ich denke, man kann nie genug Mittelstürmer haben. Ich habe mindestens zwei Teams trainiert, in denen wir zu wenige Center hatten. Wenn die ersten Verletzungen kommen, tut man sich sehr schwer. Man verliert zu viele Bullys und läuft von Anfang an der Scheibe hinterher. Es ist möglich, dass wir bis zu sechs Mittelstürmer haben, die auch auf beiden Außenpositionen spielen können - wie Petr Taticek oder Brett Olson.

 

Thomas Oppenheimer möchte trotz eines langfristigen Vertrags zu den Eisbären Berlin wechseln. In Berliner Medien wurde der Wechsel schon als perfekt vermeldet. Ist er das?

Mitchell: Ich kommentiere keine Gerüchte.

 

Mit Fabian Dahlem haben Sie einen Torwarttrainer geholt, die Position des Co-Trainers neben Chefcoach Tommy Samuelsson ist noch offen. Deutet sich da inzwischen eine Lösung an?

Mitchell: Letztlich ist es Tommys Entscheidung. Ich versuche, ihm mit meinen Kontakten zu helfen. Die Suche geht eher Richtung nordamerikanischem Co-Trainer. Viele haben sich beworben, überwältigend viele möchten diesen Job machen. Tommy hat sich mit acht oder neun Kandidaten ausgetauscht. Aber wir haben da absolut keinen Zeitdruck.

 

Das Gespräch führte

Alexander Petri.