Jimmy Waite: "Meine ganze Familie ist enttäuscht"

12.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:12 Uhr
Leistungsträger und Publikumsliebling: Jimmy Waite. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Jimmy Waite hat beim ERC Ingolstadt eine Doppelfunktion inne. Seit sechs Jahren ist der 39-jährige Kanadier Leistungsträger und Publikumsliebling bei den Panthern. Nach dieser Saison ist damit Schluss. Denn der Torhüter erhält keinen neuen Vertrag beim Verein der Deutschen Eishockey-Liga.


Stattdessen hat sich der ERC für die neue Saison die Dienste von Dimitri Pätzold gesichert. Erfahren hat Waite davon erst über die Presse. Von Vereinsseite wurde der längst unterschriebene Kontrakt mit Pätzold zunächst "als Gerücht" bezeichnet. Endgültige Gewissheit über sein Schicksal erhielt Waite erst bei einem Gespräch mit dem designierten Sportdirektor Jim Boni. Im Gespräch mit unserem Redakteur Stefan König klingt die Verbitterung über die Art und Weise seines Abschieds immer wieder an.

Hallo Jimmy. Was hat Ihre Familie gesagt, als Sie ihr berichtet haben, dass Ihre Zeit in Ingolstadt nach dieser Saison abgelaufen ist?

Jimmy Waite: Meine Familie unterstützt mich in allem, was ich tue. Deshalb ging es ihr wie mir auch: Sie war enttäuscht darüber, wie alles über die Bühne gegangen ist. Ich habe immer gesagt, dass ich meine Karriere beim ERC beenden will, bei meiner letzten Vertragsverlängerung hat mir sogar ein Mitglied des Beirates gesagt, dass ich solange die Leistung stimmt, einen Job bei den Panthern sicher habe. Es ist eben manchmal ein Unterschied, was die Leute sagen und was sie dann machen.

Gab es weitere Reaktionen aus Ihrem privaten Umfeld?

Waite: Oh ja. Viele Freunde haben mich angerufen und mir gesagt, dass es ihnen leid tut und sie traurig sind. Es ist natürlich vor allem für meine Kinder hart, wenn sie ihren Freundeskreis verlieren. Deshalb ist die ganze Familie enttäuscht. Wir haben gewusst, dass das einmal passieren wird. Jetzt müssen wir für ein Jahr noch einmal umziehen, das war eigentlich nicht geplant.

Hat sich mittlerweile jemand aus dem Management bei Ihnen gemeldet?

Waite: Nein.

Nur Jim Boni, der designierte Sportdirektor?

Waite: Ja. Er hat mir gesagt, dass der Etat gekürzt wird und für eine Vertragverlängerung mit mir kein Geld da ist. Ich bin ihm nicht böse. Schließlich hat er Dimitri Pätzold nicht verpflichtet. Ich hatte aber schon gehofft, dass mir jemand aus dem Management noch einmal erklärt, warum ich keinen neuen Vertrag mehr bekommen habe.

Stattdessen sind Sie nun wieder auf der Suche nach einem Verein, wo Sie Ihre Karriere beenden können. Salzburg soll dabei ein ernstes Thema sein.

Waite: Das ist nur ein Gerücht. Mein Agent hat mit Salzburg zwar gesprochen, aber es ging noch nicht ins Detail. Es ist nicht einfach, einen Verein zu finden. In der DEL sind zum Beispiel fast alle Torhüterposten vergeben. Dann spielt natürlich auch das Finanzielle eine Rolle. Ein paar Vereine, mit denen ich gesprochen habe, haben ihr Budget noch nicht zusammen. Deshalb warten sie noch ab. Es besteht eine kleine Möglichkeit, dass ich in der DEL bleibe. Auf jeden Fall sollte eine Internationale Schule für meine Kinder nicht weit weg sein.

Ein solche Einrichtung wird es kurioserweise bald in Ingolstadt geben.

Waite: Ja, das ist ein komisches Timing. Auch deshalb wäre Ingolstadt weiter der perfekte Ort für uns gewesen. Das ist schon bitter.

Sie wollen aber in Europa bleiben?

Waite: Ja, auf jeden Fall. Für die AHL und die NHL bin ich schon zu alt (lacht). Nein, 82 Spiele pro Saison möchte ich mir nicht mehr antun. Österreich könnte wirklich interessant sein. Vielleicht finden wird dort eine nette Stadt.

Während der Länderspielpause hat der Verein einige Entscheidungen getroffen. Neben Ihnen werden auch eine Reihe anderer Spieler in Zukunft nicht mehr das Panther-Trikot tragen. Sind das nicht jede Menge negative Einflüsse vor dem Schlussspurt in der Liga?

Waite: Es sind zumindest keine positiven Einflüsse, das ist sicher. Aber auf der anderen Seite sind wir alle Profis. Deswegen denke ich, dass wir alle auch sehr gut mit der Situation umgehen werden. Schließlich will sich jeder von uns bei anderen Vereinen für einen Vertrag empfehlen.

Sind die Pre-Play-offs noch möglich?

Waite: Ja, aber wir müssen auf die Fehler der anderen Teams hoffen. Bis zum Schluss werden wir alles geben. Ich sehe das von Spiel zu Spiel.

Im Umfeld des Vereins gibt es Stimmen, die sagen, dass Sie leistungsmäßig von Jahr zu Jahr immer etwas abgebaut haben. Sehen Sie das auch so?

Waite: Nein, ich denke, dass ich heuer eine meiner stärksten Saisons gespielt habe. Die Statistiken geben mir dabei sicher recht.

Sie wurden drei Mal in Folge zum besten Torhüter in der DEL gewählt. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

Waite: Solche Titel sind natürlich schön. Aber als Goalie bist du immer nur so gut wie deine Vorderleute. Keiner hat es zwei Mal in Folge geschafft. Ich war es drei Mal in Serie. Das ist eine große Ehre. Genau so wie ich bei den Shut-outs vorne liege. Das sind Dinge, auf die man gerne zurückblickt.

Gab es während der sechs Jahre beim ERC Anfragen von anderen Klubs?

Waite: Ja, immer wieder. Aber mir hat es in Ingolstadt sehr gut gefallen. Deshalb war ein Wechsel nie ein Thema. Umso enttäuschter bin ich nun von der Art und Weise, wie ich den Verein verlassen muss.

Leo Conti, Steffen Karg oder Sebastian Vogl – Sie hatten während der sechs Jahre einige Stellvertreter. Wer war der beste?

Waite: Talent hatten sie alle. Sebastians Entwicklung kann ich am besten beurteilen. Er hat sich von Jahr zu Jahr weiter entwickelt und gesteigert. Ich würde ihm raten, den Umweg Zweite Liga in Kauf zu nehmen, um dort eine Saison lang Spielpraxis zu sammeln. Das hat zum Beispiel auch Dimitri Kotschnew gut getan. Er war mein Ersatz in Iserlohn. Nun spielt er in Russland.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Karriere?

Waite: Ich möchte in jedem Fall im Hockey-Geschäft bleiben. Schließlich kenne ich nichts anderes. Ich könnte mir sehr gut einen Job als Torwarttrainer vorstellen. Zudem ist eine Sportartikelfirma in meiner Heimat an einer Zusammenarbeit interessiert.

Ihre Deutschkenntnise werden Sie dann also sicher nicht mehr verbessern?

Waite (grinst): Ich dachte wirklich, dass ich nach zwei Jahren wieder nach Kanada zurückkehren würde. Deshalb habe ich am Anfang bei meiner ersten Station in Essen, keinen Deutsch-Unterricht genommen. Wenn ich gewusst hätte, dass es dann insgesamt acht Jahre werden, hätte ich mich stärker reingehängt. Ob ich nun noch damit beginne? Ich glaube eher nicht.