"Bei Koistinen mache ich mir nichts vor"

ERC-Sportdirektor Mitchell über Weiterverpflichtung des Verteidigers, Coach Shedden und den Aufschwung

16.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:57 Uhr
Doppelbelastung adé: Larry Mitchell kann sich bei den Panthern wieder ausschließlich als Sportdirektor betätigen. −Foto: Meyer

Ingolstadt (DK) Sechs Siege in den vergangenen sieben Spielen machen es möglich: Der ERC Ingolstadt ist wieder ein Kandidat für die direkte Play-off-Teilnahme in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Sportdirektor Larry Mitchell, der sich seit der Verpflichtung Doug Sheddens als neuen Trainer wieder auf seinen Sportdirektor-Posten konzentrieren kann, spricht über die Gründe für den Aufschwung und gibt einen Einblick in seine Gedankenspiele für die neue Spielzeit.

 

 

"Wir brauchen keine 23 Identifikationsfiguren, sondern ein funktionierendes Team."

Larry Mitchell

 

Herr Mitchell, fühlen Sie sich bestätigt, dass Sie sich mit der Trainersuche Zeit gelassen haben?

Larry Mitchell: Wenn man sieht, dass wir in den vergangenen 17 Spielen 14-mal gepunktet haben, darf man das als positiv betrachten. Mit Ausnahme des Krefeld-Spiels (3:7 am 17. Dezember, d. Red.) war ich auch mit den letzten Wochen zufrieden, in denen ich noch Trainer war. Mein Ziel war es, die Mannschaft mit Doug und Ville Koistinen sowie Tim Stapleton stärker zu machen.

 

Was macht Shedden anders, wie hat er das Team angepackt?

Mitchell: Er sagt mir, dass die gleichen Spielsysteme, an die ich glaube, auch seine bevorzugten Systeme sind. Ich war in der vergangenen Saison in der Liga der Einzige, der das 1-3-1-System in der neutralen Zone (ein Angreifer, ein dreiköpfiger Riegel in der Mitte und ein Ausputzer, d. Red.) gespielt hat. Doug spielt das seit zehn Jahren. Er hat die Mannschaft definitiv im Griff, das sieht man.

 

Haben die Spieler jetzt auch mehr offensive Freiheiten? Die jüngste Torausbeute und das kreativere Spiel legen das nahe.

Mitchell: Nein, Freiheiten hatten die Spieler schon immer. Weder Tommy Samuelsson noch Larry Mitchell haben ihnen die geraubt. Sicher hat jeder seine Aufgabe in der Defensive, aber offensiv hat zum Beispiel ein Thomas Greilinger immer die Freiheit, seine Gegenspieler auszuspielen. Der Unterschied ist: Vorher haben wir aus 30 Chancen ein Tor erzielt, jetzt schießen wir vier. Warum das so ist, kann niemand beantworten. Diesen "Ketchup-Effekt" kann man auch nicht trainieren.
 

Shedden hat einen Vertrag bis zum Saisonende. Gibt es eine Klausel, dass sich der Kontrakt zum Beispiel bei Erreichen des Halbfinales automatisch verlängert?

Mitchell: Wir werden nicht über Vertragsinhalte reden, aber ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir einen Trainer bis Saisonende wollten und danach alles möglich ist. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass er lange in der Schweiz gearbeitet und dementsprechende Ansprüche und Vorstellungen hat.

 

Andere Gehaltsvorstellungen.

Mitchell: Unser Glück war, dass er mit seinem Ex-Klub Lugano eine Vereinbarung getroffen hat, die sicher nicht schlecht für ihn war. (grinst) Ein leidenschaftlicher Trainer wie Shedden will arbeiten, deswegen hat es für beide Seiten bis Saisonende gepasst. Ich habe mir nie vorgemacht, dass das eine langfristige Geschichte ist. Mein Fokus lag darauf, die Saison zu retten. Wenn Shedden erfolgreich arbeitet, hat er aber sicher nicht die schlechtesten Karten auf eine Verlängerung. (lacht)

 

Welche Rolle spielt der Abgang von Brandon Buck vor einem Monat für den Aufschwung?

Mitchell: Aus meiner Sicht die Hauptrolle. In den neun Spielen ohne ihn haben wir 20 Punkte geholt. Ich denke, dass ich sehr ehrlich war. Wenn nicht alle an einem Strang ziehen und ein Spieler da ist, der seit Längerem unzufrieden war, war es für Buck und für uns die beste Entscheidung.

 

Wegen der Olympischen Spiele legt die Liga kurz vor den Play-offs eine dreiwöchige Pause ein. Für strauchelnde Klubs wie Mannheim könnte das eine Chance sein, sich neu zu sammeln. Kann die Pause umgekehrt für den ERC, der gerade einen Lauf hat, eine besondere Herausforderung werden?

Mitchell: Ich denke schon. Das ist eine neue Situation für die meisten Trainer. Als ich noch in der Verantwortung war, hatte ich mich schon damit beschäftigt, wie lange ich der Mannschaft freigeben möchte. Doug hat auch seine Vorstellungen.

 

Decken die sich?

Mitchell: Wir haben uns in der Mitte getroffen. (lacht) Es gibt da kein richtig oder falsch. So eine lange Pause habe ich nur einmal mitgemacht. Es gab auch Überlegungen, ein Freundschaftsspiel zu bestreiten. Aber tun wir uns einen Gefallen, wenn sich dabei zwei Mann verletzen? Doug wollte kein Testspiel. Gut, dass ich noch keines vereinbart hatte. (lacht).

 

Sie sind schon mitten in den Planungen für die kommende Saison. Weil der Umbruch in den vergangenen Jahren immer sehr groß war: Würden Sie am liebsten nur ein paar Spieler austauschen?

Mitchell: Die laufenden Verträge bestimmen die Planung jedes Sportdirektors. Viel wichtiger ist aber, wie wir die Saison beenden. Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, wieso sollten wir dann mit derselben Mannschaft weitermachen? Wir haben einen guten Kern, und wir haben jetzt unseren Topscorer Mike Collins weiterverpflichtet. Bei einigen werden wir sicher auch demnächst reagieren. Bei anderen werden wir abwarten, wohin die Reise geht.

 

Reagieren werden Sie sicherlich im Fall von Verteidiger Koistinen, der auf Anhieb begeistert hat. Wäre die Olympiapause ein Zeitpunkt für Gespräche?

Mitchell: Bei Ville Koistinen mache ich mir nichts vor. Ich weiß, was er vorher verdient hat. Wenn man den Luxus hat, Spieler aus der Schweiz in Ingolstadt zu haben, sollten wir alle - inklusive mir - das genießen, solange sie da sind. Wenn es einen Weg gibt, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten, werden wir uns Mühe geben. Ich habe mit seinem Berater ein Gespräch vereinbart. Ich will abtasten, ob es eine Chance gibt, mit ihm zu verlängern. Zumindest hat er meinen Gesprächswunsch nicht direkt abgelehnt. (lacht)

 

Wie stehen die Chancen von Kapitän John Laliberte, der zuletzt gegenüber unserer Zeitung betonte, seine Karriere in Ingolstadt beenden zu wollen? Er ist einer der letzten Meisterpanther und eine Identifikationsfigur.

Mitchell: Johnny wird betrachtet wie alle anderen. Wir brauchen keine 23 Identifikationsfiguren, sondern ein funktionierendes Team. John ist sicher ein Kandidat, keine Frage. Ich bin jemand, der versucht, klaren Kopf zu bewahren. Ich habe in unserer schlechten Phase niemanden abgeschrieben, und jetzt werde ich keinen überbewerten. Bei Greilinger und Collins habe ich eine Ausnahme gemacht, weil sie sehr konstant waren und es mehr als verdient haben.

 

Ihr Plan, auf der Torhüterposition mehr Konkurrenz zu schaffen, ist voll aufgegangen: Das Duo Timo Pielmeier und Jochen Reimer ist ein starker Rückhalt. Reimers Vertragslaufzeit wurde nie kommuniziert - kann es sein, dass er schon ein Arbeitspapier bis 2019 besitzt?

Mitchell: (grinst) Es könnte sein, dass wir da demnächst was vermelden.

 

In der Verteidigung sind Patrick McNeill, Benedikt Kohl, Fabio Wagner, Dustin Friesen und Simon Schütz noch an den ERC gebunden, und für Koistinen, Sean Sullivan, Matt Pelech und Benedikt Schopper gäbe es Argumente zur Verlängerung. Eine spannende Situation.

Mitchell: Für mich ist es eher schwierig. Wer konstant seine Leistung abgerufen hat, wird sicher bevorzugt. Die anderen haben zumindest phasenweise einen guten Job gemacht, wenn man bedenkt, wie oft wir mit fünf Verteidigern spielen mussten. Aber frisches Blut tut jeder Mannschaft gut, vielleicht werden wir eine oder zwei Positionen austauschen. Das ist aber eher ein Luxusproblem.

 

Das Gespräch führte

Alexander Petri.