Hilpoltstein

Grimms Märchen mal ganz anders

Achim Amme liest Rotkäppchen und Co. in ungewöhnlichen Dialekten – Hilpoltsteiner Publikum ist begeistert

23.11.2012 | Stand 03.12.2020, 0:47 Uhr

Von Schweizer bis Plattdeutsch: Der Hamburger Autor Achim Amme liest aus bekannten Märchen in unbekannten Versionen. - Foto: Raithel

Hilpoltstein (shh) Normalerweise lesen Großeltern den Enkeln Märchen vor, vielleicht auch Mutter oder Vater dem Kind vor dem Einschlafen. Dass aber ein Hamburger Autor in die Hilpoltsteiner Residenz kommt und zwei Dutzend Erwachsenen aus Grimms Märchen vorliest, kommt doch eher selten vor.

Stadt und VHS hatten unter dem Titel „Rotkäppchen und Co. Für Erwachsene sowieso“ zum Märchenabend mit Achim Amme zum 200. Jahrestag der Veröffentlichung der Märchensammlung der Gebrüder Grimm eingeladen.

„Das Bührle“ eröffnete den unterhaltsamen Abend, der arme Bauer, der es mit mancher List, viel Glück und einer gewissen Kaltschnäuzigkeit schafft, viel Geld zu bekommen und ein ganzes Dorf für sich zu haben. Die Märchen sind immer auch ein Beleg für die Pädagogik der Zeit, der sie entstammen, wie danach die drastische Parabel „Das eigensinnige Kind“ bewies. Viele der Märchen hatten die Brüder Grimm von hugenottischen Frauen aus dem Raum Kassel erfahren.

Mit dem nächsten Text wagte der Hamburger Amme dann einen Exkurs ins Plattdeutsche. Der „Hase und der Swienigle“, alias „Igel“. Der Versuch gelang, dank Simultanübersetzung gelang es den Zuhörern dem nicht unbekannten Märchen zu folgen. Auch der bekannte Kinderbuchautor Janosch nahm sich Märchen aus der Sammlung vor und erzählte die Geschichte vom Soldaten „Fix und Fertig“ für den es nach dem Krieg keine Verwendung mehr gab. Als Hausdiener fand er schließlich bei seinem ehemaligen Admiral eine Stellung und folgte ihm gehorsam.

Vom Schmerzschreiwald erzählte Achim Amme anschließend in Reimform aus seiner eigenen Feder. Der Walde verbiete den Schrei und der Schrei wolle dem Verbot gehorchen, doch der Schmerz will sich nicht verstecken. Amme spielte mit seinen Stimmen, von ganz leise bis ganz laut, aber: „Der Schmerz gewinnt!“

Aus einer Sammlung von über 300 Varianten von Rotkäppchen stellte Amme exemplarisch einige vor. So zum Beispiel eine in American English vom Killertyp im Quicky-Rausch – Und wenn sie noch nicht out sind, sind sie heut noch in. Besonders auch die amtsdeutsche Variante fand viele Lacher, als das hierorts wohnhafte R. Nahrungs- und Genussmittel zur Großmutter brachte. Da von Seiten des Wolfes eine Verknappung auf dem Nahrungsmittelmarkt herrsche, versuchte er eine Täuschung der Bettlägerigen.

Es folgte eine Fassung in Schwizerdütsch und zum krönenden Abschluss die von Joachim Ringelnatz. „Also Kinners, listen to me!“ setzte Amme mit Kapitänsstimme an, erzählte von der „sauberen Dirn’“, die zur Großmutter drei Flaschen spanischen Wein, zwei Flaschen Punsch, eine Flasche Rostocker Korn und viele Spirituosen mehr zur Großmutter bringen sollte. Doch Ringelnatz brachte das eine oder andere Märchen in seiner Erzählung durcheinander, so dass auch Episoden aus Hänsel und Gretel, Schneewittchen und Rapunzel dabei waren. Dank sehr unterhaltsamer Texte, einem Autor, der auch Schauspieler sein könnte und der tollen Stimme von Achim Amme wird der Abend allen wohl lange in Erinnerung bleiben.

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