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"Die Hilfsbereitschaft hat mich positiv überrascht"

29.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:10 Uhr

 

Eichstätt (dk) Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke über Flüchtlinge, kirchliches Engagement und den Einsatz an der Basis.

Herr Bischof, die Entscheidung fiel innerhalb weniger Tage, Flüchtlingen das ehemalige Gebäude der Maria-Ward-Realschule mitten im Zentrum Eichstätts zur Verfügung zu stellen. Erwarten Sie Widerstand seitens der Bevölkerung?

Bischof Gregor Maria Hanke: Ich hoffe nicht. Es muss jetzt mit den Menschen in Eichstätt ein Dialog geführt werden, die Entscheidung für die Erstaufnahmestätte muss transparent gemacht werden. Es gilt, den Menschen die Not zu schildern, in der sich die Flüchtlinge befinden. Und auf die Not hinzuweisen, die sich hinter jedem Einzelschicksal verbergen kann. Dann haben wir auch die Aufgabe, die Menschen fachlich zu begleiten. Dort, wo Asylsozialberatung geschieht, findet man auch eine große Aufnahmebereitschaft. Es werden sich Ehrenamtsnetze bilden. Diese Ehrenamtsnetze sind der beste Weg für eine Kommunikation mit der breiten Bevölkerung.

 

Wird es von der Diözese weitere Hilfen geben? Finanziell, personell, seelsorgerisch?

Hanke: Die Caritas steckt schon mitten in der Vorbereitung, es haben sich Ehrenamtliche gemeldet, der Malteser Hilfsdienst ist bereit, sich zu engagieren. Über den kirchlichen Bereich hinaus will auch die Bereitschaftspolizei helfen, etwa beim Aufbau der Möbel. Diese große Hilfsbereitschaft hat mich sehr positiv überrascht. Viele, die mit Asylaufnahme zu tun haben, machen die Erfahrung, dass sich seit den 90er Jahren in der Bevölkerung die Mentalität gewandelt hat: Es existiert eine große Hilfsbereitschaft.

 

Mehr Raum vom Bistum wird es nicht geben?

Hanke: Momentan haben wir keine weiteren Möglichkeiten – gerade was die Erstaufnahme betrifft. Was Gemeinschaftsunterkünfte anlangt, da sind auch die einzelnen Pfarreien aktiv. Wo Familien in leer stehenden Wohnungen untergebracht werden können. Auch im Kloster Abenberg ist ein Flügel freigemacht worden. An der kirchlichen Basis gibt es vielfältige Hilfe. Das Zeichen des Bistums kann dies nur bestärken, hoffe ich.

 

Sie saßen als Vertreter der bayrischen Bischöfe vor zwei Wochen beim Asylgipfel am runden Tisch in München. Mit Vertretern von Flüchtlingen, Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und der Landesregierung. Ihr Resümee?

Hanke: Es war notwendig, dass sich alle Beteiligten einmal austauschen und abstimmen. Denn die Problematik ist so groß, dass sie der Staat und die staatlichen Stellen alleine gar nicht mehr schultern können. Wir haben zwei Erstaufnahmestellen – München und Zirndorf. Die sind heillos überfordert. Jetzt geht es um gesamtgesellschaftliche Verantwortung – wie man die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen kann. Da ist die Hilfe der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen gefragt. Von daher war der Asylgipfel eine wichtige Kommunikationsplattform im Dienste der Humanität.

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) macht sich dafür stark, dass EU-weit eine Quote bei den Aufnahmezahlen für Flüchtlinge eingeführt wird. Damit die Last gerechter verteilt wird. Halten Sie das für sinnvoll?

Hanke: Ich kann mir vorstellen, dass angesichts der noch zu erwartenden Zahlen so eine Lösung kommen muss. Dass die Länder nach ihrer Fassungskraft – und die ist unterschiedlich – Flüchtlinge aufnehmen. Wenn wir heuer allein in Bayern 35 000 Menschen aufgenommen haben, dann stoßen wir, wenn das so weiterläuft, irgendwann an unsere Kapazitätsgrenzen. Da gilt dann auch in der EU das Prinzip der Subsidiarität, dass man sich untereinander hilft und stützt.

 

Die Deutsche Bischofskonferenz hat vorige Woche in den Beschlüssen der Herbstversammlung zur Migration auch die Verantwortung des Staates betont.

Hanke: Das ist Faktum. Es darf keinen freien, privaten Markt bei der Betreuung der Flüchtlinge geben. Das muss in staatlicher Obhut bleiben. Es wäre schlimm, wenn der Staat das aus der Hand gäbe. Man hat in anderen Ländern Versuche mit einer Privatunterbringung gestartet und damit keine guten Erfahrungen gemacht. Was die Bischöfe mit ihrem Beschluss deutlich machen wollten: Die Kirche ist gar nicht in der Lage, Infrastrukturpolitik zu machen.

 

Wo liegt dann die Stärke des kirchlichen Engagements?

Hanke: Unsere Aufgabe ist es, humanitäre Hilfe subsidiär zu leisten. Unsere Aufgabe ist es, die Gläubigen an der Basis zu motivieren, ehrenamtlich tätig zu werden. Unsere Aufgabe ist es, dort, wo die Not groß ist, unkonventionell zu helfen. Sowohl hier in Deutschland wie auch in den Krisenherden, im Irak, in Syrien oder in Afrika. Wir haben Hilfswerke – etwa Misereor, Renovabis, Kirche in Not –, die dort direkt tätig sind.

 

Sie sind seit Anfang September bei Kirche in Not Vorsitzender der deutschen Sektion. Welche Aufgaben warten auf Sie?

Hanke: Die Aufgaben, die wir in Deutschland haben, sind Spendenakquise, Bewusstseinsbildung, Unterricht in der Religion. Die Probleme in den Krisenländern im Nahen und Mittleren Osten haben natürlich einen erhöhten Stellenwert.

 

Papst Franziskus hat den Umgang mit Flüchtlingen quasi zur Chefsache gemacht, europäische Bischofskonferenzen beschäftigen sich damit – ein globales Thema, das bis in die Regionen durchschlägt. Die Kirche zieht in diesem Fall weltweit an einem Strang. Oder täuscht der Eindruck?

Hanke: Sicher gibt es ein hohes Bewusstsein für die Flüchtlingsproblematik. Aber die Kirche ist da nicht unerfahren. Allein hier in Eichstätt hatten wir nach dem Zweiten Weltkrieg einiges zu stemmen, wenn ich an die vielen Vertriebenen denke. Das Priesterseminar war überfüllt mit Studierenden aus östlichen Ländern. Die Diözese Eichstätt hat bei der Aufnahme immer großzügig reagiert und diesen Menschen die Möglichkeit zur weiteren Orientierung geboten. Und vor 25 Jahren haben wir eine Gruppe Flüchtlinge aus der DDR ganz unkonventionell aufgenommen. Sie waren in Pfünz untergebracht.

 

Finanzielle Hilfe soll auch die Herbstsammlung der Caritas bringen. Und die deutschen Bischöfe haben beschlossen, die Sonntagskollekte Mitte Oktober der Flüchtlingshilfe zur Verfügung zu stellen.

Hanke: Wir wollen damit unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Wir sind ja Teil dieser Gesellschaft. Wir haben aber auch andere Motive. Als Gläubige wissen wir um das Wort Jesu: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“

 

Kirchen, Klöster und Pfarreien stellen Raum zur Verfügung. Die Bundeswehr bringt – auch auf Druck kommunaler Politiker – Kasernen ins Spiel. Aber der Staat besitzt doch sicher mehr Immobilien, die geeignet wären. Ist der Staat da zu zurückhaltend?

Hanke: Einfach ist das nicht, bis so ein Gebäude funktionstüchtig ist. Wir haben das jetzt bei der Maria-Ward-Schule gemerkt. Wir konnten das in so kurzer Zeit nur durchführen, weil es eine so wunderbare, unproblematische Zusammenarbeit verschiedener Stellen gegeben hat. Angefangen von unserem Generalvikariat, über Bauamt, Hochbauamt, Bezirksregierung, Staatsministe- rium . . . Das glaubt man gar nicht, was da alles zu stemmen ist. Die Personalfrage steht auch im Raum. Angesichts einer Vielzahl gewaltiger logistischer Aufgaben solcher Projekte wäre ich vorsichtig mit schnellen Forderungen und billigen Rezepten. Es geht doch vorrangig um den Menschen.

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