Ingolstadt (DK) Gehört der schrill heulende Dauerton aus den Lautsprecherboxen eigentlich schon zum Konzert oder hat hier nur die übersteuerte Elektronik ein Anfangsproblem? Wenig später, als die Drums aufschließen und die E-Gitarre aggressiv wabert, ist klar: die elektronische Verzerrung ist der Einstieg in das Konzert von Anna Aaron und ihrer Band im Bürgerhaus

Digital verstärkter Donnerhall

Elektronische Verzerrungen und aggressiv wummernde E-Gitarren: Anna Aaron gastiert im Ingolstädter Diagonal

23.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

Harte Sachlichkeit: Sängerin Anna Aaron und ihre Band traten im Ingolstädter Diagonal auf - Foto: Erl

Ingolstadt (DK) Gehört der schrill heulende Dauerton aus den Lautsprecherboxen eigentlich schon zum Konzert oder hat hier nur die übersteuerte Elektronik ein Anfangsproblem? Wenig später, als die Drums aufschließen und die E-Gitarre aggressiv wabert, ist klar: die elektronische Verzerrung ist der Einstieg in das Konzert von Anna Aaron und ihrer Band im Bürgerhaus/Diagonal.

Der Song der 29-jährigen Sängerin aus der Schweiz zu dieser Ouvertüre heißt „Angel“. Schon mit den ersten Tönen wissen ihre Fans im dicht besetzten Diagonal, was nun angesagt ist. Lieblichkeit war früher mal, heute dominiert harte Sachlichkeit, und ihre Musik ist dramatisch, düster, überbordend laut und gespickt mit elektronischen Effekten. Aaron ordnet ihre Stimme dieser dominanten Elektronik unter – vielleicht aber ist die Anlage auch nur eine Spur zu voluminös auf den kleinen Saal eingestellt.

Egal, das Gesamtergebnis macht mächtig was her. Die kompromisslose Gewaltigkeit von Stimme, Instrumenten und Elektronik schraubt sich ins Ohr und die harten Beats dringen durch die Schädeldecke ins Hirn. Die zierliche Frau singt in Englisch. Doch eigentlich ist die Sprache egal, denn in diesem digital verstärkten Donnerhall sind ohnehin nur Fragmente des Textes zu verstehen und so bleibt die Botschaft aus den Liedern auf der Strecke.

Die Musik der jungen Schweizerin lässt sich nur schwer einordnen, es ist weder Rock noch Pop, schon gar nicht Jazz und auch nicht Heavy Metal. Sie macht ihr eigenes Ding – zusammen mit der Gitarristin und Begleitsängerin Emilie Zoe Péleraux, dem Bassisten Christophe Farine samt Notebook für die Klangbeigaben und dem Drummer Fred Bürki. Anna Aaron liebt diese Nahtstelle zwischen organischem und elektronischem Sound und verwischt gerne die Grenzen. Öfter lässt sie den schrillen Sphärengesang ihrer Stimme elektronisch nachhallen und gönnt sich derweil auch mal einen Schluck Mineralwasser. Dann wieder zerhackt die Elektronik ein hingebungsvolles schrilles Kreischen fließend in einen Stakkatotriller.

Ohne Zweifel vermag die Band die Zuhörer zu fesseln und zu begeistern. Viele sind gekommen, weil sie die junge Eidgenössin noch aus ihrem Konzert vor zwei Jahren hier kennen. Auch der Sängerin ist der Auftritt von damals im Gedächtnis geblieben. „Die kleinen Städte haben oft das verrückteste Publikum“, attestiert sie den Ingolstädtern, und wieder brandet der Jubel auf.

Die Stimmung in der drangvollen Enge vor der Bühne ist schon von Beginn an großartig. Die Begeisterung im Publikum feuert die Musiker an und gibt der ohnehin mitreißenden Dynamik einen zusätzlichen Schub. „Wir haben nicht jeden Abend so ein tolles Publikum, das könnt ihr mir glauben“, sagt Anna Aaron nach einem furiosen Finale und den mächtig vom Publikum verlangten Zugaben. Sie verabschiedet sich mit einer Ballade – nur sie und das E-Piano, ganz ohne Begleitmusiker – in der ihre Stimme wunderbar trägt und in der jedes Wort voller Poesie zu verstehen ist.

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