Hilpoltstein

Ein Ritual zwischen zwei Tassen Kaffee

Autor Gerd Berghofer liest in der Residenz einige seiner beliebten Freitagsglossen und prangert "sprachlichen Durchfall" an

01.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

Pointiert und betont pragmatisch: Gerd Berghofer liest in der Hilpoltsteiner Residenz einige seiner Freitagsglossen - Foto: Raithel

Hilpoltstein (HK) Auftakt war ein kleiner Disput am Küchentisch, der schließlich in der ersten Glosse Gerd Berghofers endete. Jetzt freuen sich inzwischen Hunderte Leser jeden Freitag auf neue Post des Autors und Berghofer hat deshalb am Samstagabend in der Hilpoltsteiner Residenz eine Auswahl seiner Werke vorgestellt.

Ein Freitagmorgen in der Küche eines Georgensgmünder Ehepaars: Die Gattin liest Zeitung und deutet empört auf einen Artikel über Pferdefleisch in der Lasagne. „Du schreibst doch sonst über alles!“, fährt sie ihren Mann an. Ihr Mann, der Autor und Rezitator Gerd Berghofer, stimmt seiner Frau nickend zu und schickt sich an, einen Text zu schreiben. Er packt seinen ganzen Frust in den Text und fragt sich, als er fertig ist, was nun damit geschehen solle. Der Text geht kurz darauf an seinen E-Mail-Verteiler, der beruflich bedingt einige tausend Adressen umfasst. Die erste Freitagsglosse geht in die Welt.

Neben etlichen Rückläufern, die nur darauf hindeuten, dass es die eine oder andere Adresse nicht mehr gebe, sind auch positive Rückmeldungen der Leser unter den Antworten, die sich wünschen, öfter vergleichbare Texte zu erhalten. Gesagt, getan; zuerst unregelmäßig, dann alle zwei Wochen und mittlerweile wöchentlich, geht elektronische Post mit der aktuellen Glosse freitags an die Leser Gerd Berghofers. „Außer in den Ferien, da schreibe ich nur, wenn mich etwas wirklich ärgert.“

Ein richtiges Ritual sei mittlerweile entstanden, berichtet Gerd Berghofer. Der Freitagmorgen beginnt mit einer Tasse Kaffee und bis er sich die zweite hole, müsse die Glosse fertig sein.

„Mütter am Spielfeldrand“ ist einer der Texte, die im vergangenen Herbst auch in einem ersten, vom Publikum ersehnten Sammelband Gerd Berghofers Freitagsglossen erschienen ist. Der Text erzählt das Leben, von „Helikopter-Müttern“, die ihre „angehenden Profifußballer“ bis in die Kabine begleiten, um ihnen Stutzen und Schuhe anzulegen und am Spielfeldrand dann Trainer und Schiedsrichter meinen ersetzen zu müssen, da sie es selber viel besser wüssten. Gerd Berghofer geht das auf die Nerven. Doch, so sagt sich Berghofer, „Strategie ist das halbe Leben“ – und er schwärmt seiner Frau, nachdem er das erste Fußballturnier „bewältigt“ hat, vor, wie toll es doch gewesen sei. Diese macht die Begeisterung ihres Mannes stutzig und verleitet sie schließlich dazu, zum nächsten Turnier wieder selbst den Filius zu begleiten.

In einer nächsten Glosse stellt Berghofer dem Publikum die „Sparadiese“ vor, also die Supermärkte auf der sprichwörtlichen grünen Wiese am Ortsrand, die die Tante-Emma-Läden verdrängt haben. „Sie bekommen überall gesagt, was Sie brauchen. Aber brauchen Sie immer jemanden, der Ihnen sagt, was Sie brauchen“ Im Tante-Emma-Laden sei es da früher viel einfacher gewesen, man brauchte Senf, ging in den Laden und bekam Senf. Im heutigen Supermarkt dagegen steht man vor einer riesigen Auswahl: Senf mit Honig, Senf mit Chili und so weiter: Und man wisse überhaupt nicht mehr, was man denn eigentlich wolle.

War das Thema „Mütter am Spielfeldrand“ für Gerd Berghofer schon ein Trauma, so ist eine übergroße Speisekarte ein noch viel größeres. Mittlerweile sei er bei Karten mit einer schier erdrückenden Anzahl an Gerichten dazu übergegangen, sich Markierungszettel zu Hilfe zu nehmen und aus den Gerichten, die es in die engere Wahl geschafft haben, mittels „ehne-mene-muh“ auszulosen.

Ein besonderes Augenmerk legt Gerd Berghofer auf die deutsche Sprache. Seien es „rhetorische Glanzleistungen“ in Form einer Rede Peer Steinbrücks im Bundestag 2013, die Berghofer als „verbales Freibier für die Sozen“ tituliert. Oder sei es eben auch die Verunglimpfung der deutschen Sprache durch „Das Pubertier“, wie in der gleichnamigen Glosse ausgeführt.

Die Sprache der Eltern sei noch nie die Sprache der Kinder gewesen, das ging ihm auch selbst schon so, gesteht der Autor dem Publikum ein. Wenn es bei der heutigen Jugend aber zu derartigem „sprachlichen Durchfall“ käme, dass die „Hilfsverben als Trottel des Satzbaus“ einfach weggelassen würden, gehe das auch für Gerd Berghofer zu weit. Auf den unvollständigen Satzbau seines Sohnes „Kann ich bitte ein Eis“ reagierte er daher erst einmal gar nicht, denn es könnte ja noch ein Verb kommen. Dann schlug er ein „kaufen, suchen, machen“ vor, was wiederum den Sohn verwirrte.

Ganz und gar nicht verwirrt ist hingegen das Publikum, das dem Rezitator reichlich Applaus spendet und an der einen oder anderen Stelle zustimmend nickt.

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