Eichstätt

Fachstelle ohne Wirbelwind

Landkreis richtete eine eigene Beratung gegen sexuelle Gewalt ein – 10 000 Euro Zuschuss für Verein

24.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:30 Uhr

Stellten im Kreistag ihr Beratungskonzept vor: Wirbelwind-Geschäftsführerin Andrea Teichmann (rechts) und Beraterin Petra Kufner. Landrat Anton Knapp (links) hatte ihnen Rederecht eingeräumt, was im Kreistag normal nicht üblich ist. - Foto: smo

Eichstätt (EK) Der Landkreis bekommt eine Fachstelle gegen sexuelle Gewalt. Selten gab es so intensive Debatten im Kreistag wie am Montagabend. FW, SPD, ÖDP und ein Teil der Grünen machten sich für ein Engagement des Vereins Wirbelwind stark. Der bekommt jetzt einen zeitlich begrenzten Zuschuss.

Andrea Teichmann, Geschäftsführerin und hauptamtliche Beraterin bei Wirbelwind Ingolstadt, zeigte sich nach der Sitzung ein wenig frustriert: „Es ist bedauerlich, dass eine echte Kooperation nicht möglich ist.“ Mit den Stimmen der CSU-Fraktion und von Klaus Bittlmayer (Grüne) hat der Kreistag, wie bereits kurz gemeldet, am Montagabend die Einrichtung einer Fachstelle gegen sexuelle Gewalt beschlossen – angedockt an das Jugendamt.

Diese Konstellation war heftig umstritten. Rund eineinhalb Stunden diskutierten die Kreisräte über das Thema. Der Antrag für die Fachstelle war im Jugendhilfeausschuss vor drei Wochen vorberaten und mit einer Gegenstimme – der von Eva Gottstein (FW) – dem Kreistag empfohlen worden. Gottstein war es auch, die sich am Montag für Wirbelwind starkmachte. Sie verwies auf die Zusammenarbeit des Vereins mit Ingolstadt und Pfaffenhofen und meinte, an Jugendamtsleiter Siegmund Hammel gerichtet: „Was dort klappt, würde auch mit Ihrem Amt klappen.“ Gottstein, Beate Ferstl (SPD), Jutta Herzner-Tomei (parteilos) und Franziska Frühholz (ÖDP) machten auf den Behördenstatus einer Landkreis-Beratungsstelle aufmerksam. „Das ist so ein sensibles Thema, da gehe ich in kein Amt, wo mich jeder sieht“, sagte Herzner-Tomei.

Mit Andrea Teichmann und Petra Kufner hatten Vertreter von Wirbelwind an der Kreistagssitzung teilgenommen – und von Landrat Anton Knapp Rederecht bekommen. Das ist in dem Gremium nicht üblich. Die Wirbelwind-Beraterinnen stellten ihr Konzept vor. Auch Jugendamtsleiter Hammel präsentierte die Überlegungen seiner Abteilungen zur Fachstelle.

Beate Ferstl kritisierte die Informationspolitik der Verwaltung und warf ihr vor, dass man in der Jugendhilfeausschusssitzung vor drei Wochen das Angebot von Wirbelwind „ganz anders“ dargestellt habe, als das jetzt passiert sei. Das wies Landrat Anton Knapp, auch auf einen Einwurf von Eva Gottstein, zurück. „Ich habe nicht den Eindruck mitgenommen, dass falsch informiert wurde.“ Knapp wollte auch die Darstellung der Fachstelle als „Amt“ nicht gelten lassen. Eine Unterbringung in den geplanten Neubauten des Landkreises (in Eichstätt und Lenting) solle eine räumliche Trennung bringen. „Wer denkt bei KoKi (Koordinierende Kinderschutzstelle, d. Red.) an ein Amt“ Anonymität müsse über das normale Maß hinaus gewährleistet sein, unterstrich Knapp. Alexander Heimisch (CSU) meinte: „Auch Banken müssen zwischen Kunden eine Trennung herstellen.“

Für Klaus Bittlmayer (Grüne), der im November den Antrag auf Prüfung einer Zusammenarbeit mit Wirbelwind oder der Einrichtung einer kreiseigenen Beratungsstelle eingereicht hatte, ist die Frage, wer berät, zweitrangig. „Es ist ein Armutszeugnis, dass wir nicht schon längst so eine Stelle haben.“ Er hegte „starke Sympathie“ für das Konzept des Jugendamts. Dieter Betz (SPD) konnte keine großen Unterschiede zwischen Wirbelwind und der vom Jugendamt geplanten Fachstelle feststellen. Aber: „Man sollte nutzen, was jemand gut kann.“ Wirbelwind habe seit 22 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet. Bernhard Sammiller (CSU) präferierte den Vorschlag der Verwaltung stark. „Den guten Ruf hat sich das Jugendamt auch erst erarbeitet.“ Ähnlich würde es seiner Auffassung nach mit einer Fachstelle funktionieren.

Anton Haunsberger (FW) wollte beides umgesetzt haben: „Warum unterstützen wir nicht Wirbelwind und richten die Fachstelle ein“ Landrat Anton Knapp warnte davor, Konkurrenz aufzubauen, und ließ zunächst über die Einrichtung der Fachstelle abstimmen. Dagegen regte sich allerdings quer durch die Opposition Protest: Man wollte über die Fachstelle und einen Zuschuss für Wirbelwind abstimmen. Das lehnte Landrat Knapp ab. Schließlich passierte die Einrichtung der Fachstelle durch den Landkreis den Kreistag mit 30 gegen 24 Stimmen. Der von Haunsberger angeregte Zuschuss von 10 000 Euro pro Jahr für Wirbelwind – befristet auf 2015 und 2016 – wurde mit 48 Ja-Stimmen angenommen. Wirbelwind-Vertreterin Andrea Teichmann meinte zum Zuschuss: „Das ändert an der Situation wenig.“ Man könne davon kein neues Personal einstellen und müsse wohl weiterhin Menschen aus dem Landkreis Eichstätt, die zur Beratung kommen, ablehnen. „Wir bleiben an dem Thema dran.“ Sie wolle weiter kämpfen, „damit den Betroffenen die Möglichkeit gegeben ist, nicht in ein Amt gehen zu müssen“. Jugendamtsleiter Siegmund Hammel will das Beratungsangebot noch in der zweiten Jahreshälfte anlaufen lassen.

Weiterer Bericht aus der Sitzung folgt.

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