Ingolstadt

Eine Datsche für den Wessi

Wie der Ettinger Rudolf Vollnhals dem August-Horch-Museum in Zwickau zu neuem Glanz verhalf – und sich dafür großen Dank erwarb

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt/Zwickau (DK) Eine Woche soll reichen. Wenn das mal nicht zu kurz gedacht ist. Aber ihm soll wirklich ein kleiner Urlaub genügen, um das in Zwickau und Umgebung zu sehen, was ihm 15 Jahre dort verborgen geblieben war. So lange stand Rudolf Vollnhals an der Spitze des August-Horch-Museums in der viertgrößten sächsischen Stadt.

Doch es war ein Leben auf der Überholspur. Der Ettinger betreute die automobile Schau im Osten und vor allem den Ausbau des dazugehörigen Museums quasi nur im Nebenjob und eilte regelmäßig für wenige Stunden oder mal eine Übernachtung „nach drüben“. Die restliche Zeit war der 64-Jährige, inzwischen Pensionist, in der Rechtsabteilung von Audi in Ingolstadt engagiert.

Dort liegt auch der Auslöser, weshalb Vollnhals zu einem weiteren Aufbauhelfer aus Ingolstadt im Osten wurde. Als 1997 ein Bittbrief aus Zwickau eintrudelte, die Ingolstädter mögen doch bitte 500 000 Euro für ein Treuhandgrundstück in der Stadt überweisen, erinnerte sich Audi endgültig an die automobilen Wurzeln: 1909 war die Marke von August Horch eben in Zwickau gegründet worden. Die historischen Gebäude des Werks waren heruntergekommen, „aber noch rettbar“, erinnert sich Vollnhals. Bald entstand daraus der Plan, dem verstaubten Museum mit Garagenausstellung („ein Auto neben dem anderen“) in sanierten Räumen zu neuem Glanz zu verhelfen. Im Jahr 2000 übernahm Vollnhals die Geschäftsführung der gemeinnützigen Museums-GmbH. Er blieb es bis heuer im Juni, als er in den Ruhestand verabschiedet wurde.

Alleine an der Abschiedsfeier lässt sich die Wertschätzung erkennen, die der „Wessi“ erworben hat. „Die haben sich wirklich sehr bemüht“, sagt Vollnhals gerührt, nachdem man ihn mit Präsenten überhäufte. Er darf sogar kostenlosen im Museum übernachten – in einer Datsche, die in einer Autoszene in der Dauerausstellung aufgestellt und nach ihm benannt wurde. Alles für 15 Jahre Einsatz, in denen sich das Museum zum absoluten Anziehungspunkt der Stadt und – nach Meinung mancher – dem schönsten Automuseum Europas mauserte.

Daran war beim Start der Mission Ost nicht zu denken. „Ich habe mich aber immer gut aufgehoben gefühlt.“ Auch wenn es am Anfang Verständigungsprobleme gab: Ein waschechter Ettinger und die Sachsen mussten erst zweimal hinhören, bis das im Dialekt gesprochene Wort ankam. Aber auch das legte sich bald. Vollnhals entwickelte großen Respekt vor der Vielseitigkeit der Menschen, die er als „fleißig, clever und gute Ingenieure“ kennenlernte. Gerade handwerklich hatten seine Mitstreiter durch viel Improvisationskunst im DDR-Alltag ein meisterliches Niveau erreicht.

Gab es anfangs vielleicht Vorbehalte gegenüber dem Tonangeber aus dem Westen (und umgekehrt), so sind diese völlig verloren gegangen. Vollnhals half auch in der Heimat fleißig mit, den Annäherungsprozess voranzutreiben. „Ich habe ganze Busreisen nach Zwickau organisiert.“ Das deutsch-deutsche Brudervolk fand aus seiner Sicht bald zusammen. Und auf den Betriebsfeiern hörte man zu fortgeschrittener Stunde auch mal Sätze wie: „Was, das ist so bei Audi? Das ist ja nicht anders als bei uns beim VEB Sachsenring...“ Ob im westlichen Konzern oder im Volkseigenen Betrieb, der die Trabbis herstellte – Managemententscheidungen sind manchmal zäh und nicht immer nachvollziehbar.

In Zwickau lief es rund: Mehr als 70 000 Besucher kommen jährlich ins 2004 neu eröffnete Horch-Museum. Nächstes Jahr ist der große Erweiterungsbau fertig. Rudolf Vollnhals fiebert dem entgegen. „Das Geld, das wir reingeschaufelt haben, hat sich auf alle Fälle gelohnt“, lautet sein Resümee über die Arbeit.

Den Rest in Zwickau wird er sich ja noch genauer anschauen. Eine Woche Urlaub will er investieren. Aber ob das reicht angesichts einer deutsch-deutschen Erfolgsgeschichte

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