Neuburg

Stalker terrorisiert Opfer zwei Jahre lang

40-Jähriger belästigt Ex-Freundin Während des Prozesses rastet er völlig aus 18 Monate Gefängnis

22.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:38 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David Ebener/dpa

Neuburg (DK) Turbulent und lautstark - anders kann man die Verhandlung gegen einen vorbestraften Stalker am Amtsgericht Neuburg nicht bezeichnen. Er brüllte und schrie, bis er des Saales verwiesen wurde. Das Urteil gegen ihn, ein Jahr und sechs Monate Gefängnis, bekam er gar nicht mehr mit.

Alles gute Zureden half nicht. Kein Beschwichtigen, kein Bitten. Nichts. Niemand konnte ihn in seiner Rage bändigen. "Ich akzeptiere dieses Verfahren nicht", brüllte er, und schob hinterher: "Und das sage ich in normalem Ton." Es war ein wahrlich denkwürdiger Auftritt, den der 40-jährige Mann aus dem Landkreis Pfaffenhofen da gestern hinlegte. Denkwürdig nicht nur wegen der Art und Weise, wie er sich vor Gericht aufführte, sondern auch wegen des Stalkings-Vorwurfs. Der Angeklagte ist wegen Nachstellung und Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz bereits dreimal vorbestraft, einmal zu einer Geld- und zweimal zu Bewährungsstrafen.

Der "Dauerterror", wie es Richterin Bettina Mora ausdrückte, dem das Opfer ausgesetzt war, begann im September 2013. Da lernte die 40-Jährige ihren späteren Stalker kennen und ließ sich auf eine Beziehung mit ihm ein. "Anfangs war alles harmonisch", berichtete sie. "Aber dann war mir das alles viel zu eng, zu intensiv, er hat sich richtig bei mir eingenistet." Er habe ihr keine Freiräume gelassen, sei krankhaft eifersüchtig gewesen. "Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, habe Haus und Garten. Ich konnte kein drittes Kind gebrauchen." Im Dezember desselben Jahres trennte sie sich vom Angeklagten.

Ein Jahr lang stellte er ihr nach, kontaktierte sie auf allen denkbaren Kanälen, tauchte bei ihr zu Hause auf. Stellte eine Kerze vor der Haustür ab. Schickte ihr Theaterkarten. Buchte einen Urlaub für zwei. Schrieb ihrer 14-jährigen Tochter übers Internet. Wochenlang, monatelang. Sogar in ihre Arbeitsstelle kam er, wollte mit ihr reden. Die 40-Jährige nahm wieder ihren Mädchennamen an, änderte ihr Autokennzeichen. "Zeitweise habe ich sogar die Filiale gewechselt", erzählte die Frau. "Ich wollte vermeiden, ihm über den Weg zu laufen, wenn ich allein in der Arbeit bin." Ihre Töchter seien ebenfalls verstört gewesen. Sie selbst habe unter Angstzuständen und Schlafstörungen gelitten. Habe sich in psychotherapeutische Behandlung begeben und Antidepressiva nehmen müssen. "Ich habe einfach nicht mehr funktioniert." Anfang 2015 hat sie ein Kontaktverbot gegen ihren Ex-Lebensgefährten erwirkt, im August wurde es verlängert. Gehalten hat sich der Mann nie daran. Im Oktober verurteilte ihn das Amtsgericht Pfaffenhofen zu elf Monaten auf Bewährung. Noch am selben Tag kontaktierte er erneut den Vater seines Opfers. Die ganze Chose begann von Neuem - bis er in U-Haft kam und die Bewährung widerrufen wurde. Selbst aus dem Gefängnis schrieb er der 40-Jährigen weiterhin Briefe, die die Justiz nicht weiterleitete.

Die Polizeibeamtin, die die Fälle damals bearbeitete, erzählte vor Gericht, dass der Angeklagte ihr die E-Mails an das Opfer sogar weiterleitete, er war sich also vollkommen darüber im Klaren, was er tat. Seine Taten räumte er in einem Brief, den er seinem Anwalt übergeben hatte, auch voll ein. Seinen Hass auf die Justiz begründete er damit, dass man ihn als "kranken Stalker" behandelt habe. Tatsächlich war dies nicht der Fall. Er hatte sich geweigert, sich von einem Psychiater begutachten zu lassen - auch als er stationär eingewiesen wurde, um festzustellen, ob er schuldfähig oder tatsächlich "krank" ist. Und so konnte der Experte vor Gericht nur berichten, dass der Angeklagte, der vor acht Jahren im Zusammenhang mit einem ersten Stalking-Fall einen Suizidversuch überlebt hat, wohl eine "narzisstisch-querulative Persönlichkeitsstörung" aufweise, die auf jeden Fall therapiert werden müsse. Als Motiv für das Stalking nannte er keinen "Liebeswahn", sondern dass der Mann verstehen wollte, warum sich die Frau von ihm getrennt habe. Er sei "voll schuldfähig". Weil er nicht ausschließen konnte, dass der Täter es erneut versuchen könnte, sich das Leben zu nehmen, empfahl er eine Unterbringung in einem Gefängnis mit entsprechender Krankenabteilung.

Und dass er ins Gefängnis muss, daran zweifelte keiner der Beteiligten. Staatsanwalt Nicolas Kaczynski forderte ein Jahr und neun Monate. "Er hat dem Opfer buchstäblich das Leben zur Hölle gemacht." Rechtsanwalt Stefan Heinl sah das anders. "Der Täter hat nur einen Weg aus seiner Hoffnungslosigkeit gesehen, nämlich durch das Stalking."

Richterin Mora verurteilte ihn schließlich zu einem Jahr und sechs Monaten. "Ich habe noch nie einen Angeklagten erlebt, der sich selbst so schadet. Als würde er ein sinkendes Schiff noch mit dem Beil zerhacken."

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