Neuburg

Ein Blick in die "Bayerische Sixtina"

Der Gemäldeschatz in der Schlosskapelle ist spät wiederentdeckt worden

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Als hohe Kunst ihrer Zeit galt die Illustration der Bibel mit farbigen Miniaturbildern. Die Verfasser hatten dem Maler kleine Regieanweisungen an den Rand geschrieben. Für die wertvollen Buchschätze hat die Schlösserverwaltung individuelle Ausstellungsräume im Schloss gestalten lassen.

Neuburg (DK) Ein Blick in die Schlosskapelle ergänzt die Ausstellung "Kunst und Glaube". Sie ist der älteste für den protestantischen Ritus ausgestaltete Raum in Deutschland mit einer wechselvollen Geschichte.

Der Freistaat Bayern hat das wertvolle Kleinod jetzt behutsam saniert und die Deckenbilder mit LED-Lichtern neu in Szene gesetzt.

1525 wurde Pfalzgraf Ottheinrich noch von Papst Clemens VII. als besonderer Verteidiger der katholischen Kirche gerühmt. Man fühlt sich an seinen Zeitgenossen, den Tudor Heinrich VIII. erinnert, der einst auch den offiziellen Titel "defensor fidei" erhalten hatte. Jedenfalls wandte sich Ottheinrich innerlich bereits der neuen Lehre zu und der päpstliche Nuntius Vergerio musste vermelden, dass der Fürst im Glauben wanke.

1542 erließ Ottheinrich ein Religionsmandat, in dem die Einführung des Protestantismus im Fürstentum Pfalz-Neuburg verkündet wurde. Bereits 1538 hatte er mit der Errichtung einer Schlosskapelle im Westflügel begonnen. Mit namhaften Künstlern: Martin Hering aus Eichstätt für den Altar, Hans Schachinger aus München für die Orgel und Hans Bocksberger d.Ä. (1510 -1545) aus Salzburg als Gestalter des "biblisch gemäl an den Wänden". Das Bildprogramm gab der theologische Berater Ottheinrichs, Andreas Osiander, aus Nürnberg vor.

Hans Bocksberger gelang in Neuburg eine Pionierleistung. Er entwarf ein illusionistisches Architektursystem, mit dem er die trapezförmige Decke vereinheitlichte. Der Bilderzyklus umfasst über 40 Darstellungen an Bogenfeldern, Laibungen und Decke. Ottheinrichs Platz befand sich auf der Westempore, gegenüber dem Altar. Auf eine zentrale Ausrichtung von Altar, Kanzel und Orgel wurde geachtet, um so dem lutherischen Verständnis der Gleichwertigkeit von Sakrament und Wort Genüge zu leisten.

Im Zuge der Gegenreformation und Rekatholisierung Neuburgs wurde im 17. Jahrhundert unter Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm die protestantische Ausmalung übertüncht. Erst um 1917 begann man wieder zu ahnen, welcher Gemäldeschatz hier verborgen sein könnte. Ab 1934 legte man die Malereien frei. 1951 wurden die Arbeiten abgeschlossen. Das Ergebnis brachte der Neuburger Schlosskapelle die Würdigung als Vorbild protestantischer Sakralarchitektur, ja als "Bayerische Sixtina" ein. Auch der von Martin Hering geschaffene Altar wurde 1957 zurückgegeben und für die Abendmahlfeier in Gebrauch genommen. Seit 1955 feiert die evangelische Kirche hier Gottesdienste.

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