Eichstätt

"Tintenfischkacke" als Trostpreis

Am Fossiliensteinbruch findet jeder etwas Ein Ferienausflug zum Museum Bergér

29.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Foto: DK

Eichstätt/Schernfeld (EK) Seiner Beute ist sich der Raubfisch "Caturus" selbst im Tod sicher. Mit dem Fisch im Maul sinkt er auf die noch weiche Kalkschlammwüste am Meeresgrund und nachfolgende Schichten decken ihn zu. Ungefähr 150 Millionen Jahren ist das nun her. Räuber und Gejagter für immer vereint: Zu sehen sind die beiden im Museum Bergér am Harthof.

An diesem Vormittag ist eine Ferienprogramm-Gruppe aus Moosburg an der Isar zu Besuch im Museum. Der Chef selbst, Georg Bergér, zeigt den Kindern, wie sie mit Hammer und Meißel am Steinbruch die Schichten trennen können: "Mit viel Gefühl rundherum anklopfen." Wichtig ist, dass die Platte dabei aufrecht steht, so wie Glasscheiben, die senkrecht transportiert werden, damit sie nicht zerbrechen. Die häufigsten im Steinbruch vorkommenden Fossilien sind Haarsterne, die so aussehen, wie sie heißen. "Niemand verlässt den Steinbruch ohne so ein Viech", versichert Georg Bergér - zumindest in verdauter Form, als "Tintenfischkacke", denn Haarsterne waren deren Lieblingsspeise. Im Museum sind Ammoniten von der Größe eines Fingernagels bis zu der eines Autoreifens ausgestellt.

Und besonders ist, dass nur Fossilien aus den Steinbrüchen der Familie gezeigt werden, das heißt aus einem Umkreis von einem Kilometer. Zu sehen sind neben Ammoniten auch Krebse, Insekten, Pflanzen und Saurier sowie "Holotypen" - jene Arten, die weltweit zum ersten Mal in den Steinbrüchen am Blumenberg gefunden worden sind. Die Libelle "Bergéria inexpecta" ist zum Beispiel nach der Familie benannt. Sehenswert ist auch der Abdruck des Urvogels Archaeopteryx, das Original steht in Berlin.

"Vielleicht findet ihr einen Bruder oder Vetter", motiviert Georg Bergér die Kinder. Allerdings dürfen sie ein Fundstück nur behalten, wenn es den Wert von 5000 Euro nicht übersteigt. Vom Museum aus führt der rund zehnminütige Fußweg zum Steinbruch an einem Golf-Übungsgelände vorbei. An diesem Tag muss niemand auf umherfliegende Golfbälle Obacht geben. Den Eingang des Besuchersteinbruchs bewacht ein lebensgroßer Raubsaurier. Mechthild Soller verteilt unermüdlich Hammer und Meißel an die 39 Kinder. Dabei hat sie für jeden ein Lächeln übrig. Schon seit neun Jahren arbeitet die 71-Jährige am Steinbruch, aber vor kurzer Zeit ist auch ihr noch etwas Überraschendes passiert: Ein Besucher war überzeugt, einen Flugsaurierzahn gefunden zu haben. Winzigklein, "wie die Dorne einer Rose". Und tatsächlich: Der Wert liegt bei rund 400 Euro. "Seitdem schaue ich bei jedem kleinen Strich, ob es ein Zahn ist", sagt Mechthild Soller.

Die Feriengruppe aus Moosburg breitet sich auf der unteren der beiden Ebenen aus. Stetes Klopfen ist zu hören. Hammer trifft Meißel, Meißel den Plattenkalk - oder auch nicht. Die schwarze Hose der sechsjährigen Jasmin färbt sich über und über mit hellem Steinstaub. Fröhlich ist sie, als sie ein Eckchen wegklopft, das dann auch gleich in ihrer kleinen Tasche am Hosenbein verschwindet. Das Steinchen zählt.

Auch Hobby-Klopfer Wolfgang Blaschke geht es nicht nur um den großen Fund. Seit 1995 fährt der 57-Jährige fast jährlich über 550 Kilometer von Baesweiler bei Aachen zum Blumenberg, um Fossilien zu suchen. Früher hat er zwölf Stunden am Tag geklopft, heute wirkt er fast erleichtert, dass der Steinbruch um 17 Uhr schließt.

Betreuerin Theresa Thaler motiviert wenige Meter weiter Kinder, die noch nichts gefunden haben. "Wir haben die Erwartungen wohl ein wenig hoch geschraubt", sagt die 19-Jährige mit einem Augenzwinkern. Über vier Stunden möchten sie noch suchen. Wem das zu lang ist, der kann, zurück am Harthof, einen Abstecher zur längsten aus einem Stück gefertigten Holzbank Bayerns machen: einer Douglasie mit 36,50 Metern. Dort lässt es sich gut sitzend oder liegend vom Steineklopfen erholen.

Schon der Weg dorthin ist abenteuerlich. Hinter dem Museum geht es vorbei am Werk der Firma "Natursteine Bergér", an Kastanien und am Misthaufen, direkt auf die Pferdekoppeln zu. Durch die muss man durch. Ein Schild warnt: "Die nächsten 100 Meter ist mit freilaufenden Pferden zu rechnen". Immer geradeaus erreicht man nach insgesamt nicht einmal fünf Gehminuten die Bank. Hier, wo sich einst überall das Jurameer erstreckte, schlängelt sich die Altmühl durchs Tal. In ihr geht der "Esox lucius" auf Jagd. Besser bekannt als Hecht, der heuer mit dem Titel "Fisch des Jahres" von sich hören lässt.

Tipps für den Ausflug: festes Schuhwerk tragen, Ersatzkleidung und Plastiktüten sowie eine Brotzeit mitnehmen; die Mitarbeiter am Steinbruch empfehlen aber auch gerne Wirtshäuser in der Nähe.

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