Ingolstadt

Wie in Zeiten vor der Digitalisierung

Unis und VG Wort streiten ums Geld Für die Studenten steht der Online-Zugang zu Vorlesungsmaterial auf dem Spiel

08.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:56 Uhr

Ingolstadt (DK) Unter den Studierenden an den bayerischen Hochschulen gibt es derzeit einige Aufregung: Viele erhalten Post von ihrer Universität mit der Bitte, benötigte wissenschaftliche Texte, die online zur Verfügung gestellt werden, schnell herunterzuladen. Der Grund: Von Januar kommenden Jahres an sollen Hochschulen die Nutzung urheberrechtlich geschützter Texte einzeln erfassen und vergüten. Viele Hochschulen aber sperren sich dagegen.

"Der neue Abrechnungsmodus wäre mit einem aus unserer Sicht unverhältnismäßigen Aufwand verbunden gewesen, für den man neue Abrechnungs- und Kontrollstrukturen benötigt hätte. Dozierende hätten minutiös angeben müssen, welches Werk sie in welchem Umfang und welcher Teilnehmerzahl zugänglich machen", teilte die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt mit. Auch die Leitung der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen hat sich dazu entschlossen, den Vertrag nicht zu unterschreiben. Man sei sich bewusst, dass sich dadurch für die Studierenden ein erheblicher Mehraufwand bei der Beschaffung von Literatur ergeben wird, heißt es in einem Schreiben des Vizepräsidenten Friedrich Paulsen an die Studierenden. Doch man sei guter Hoffnung, dass bis zum kommenden Sommersemester eine Lösung vorliegen werde.

Der Hintergrund: Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), eine Vereinigung von Autoren und Verlagen, hat vor Gericht erreicht, dass jede Seite eines Skripts pro Seminar und Student erfasst und honoriert werden muss. Denn die Lernmaterialien an Universitäten enthalten oft Textpassagen von Mitgliedern der VG Wort. Diese nimmt für die Autoren die Urheberrechte wahr - sprich, wenn Dozenten Texte verwenden, wird das bei der VG Wort registriert, der Nutzer muss den Beitrag an die VG Wort zahlen, und diese leitet sie an den Urheber weiter.

Bislang erhält die Gesellschaft eine pauschale Vergütung von den Universitäten. Doch die VG Wort setzte vor Gericht eine Neuregelung durch, da die Autoren ihrer Ansicht nach nicht ausreichend entschädigt werden. Für das Jahr 2016 allerdings hatten sich Kultusministerkonferenz und VG Wort geeinigt, die Texte pauschal zu vergüten. Für 2017 gilt diese Abmachung nicht mehr.

"Doch der administrative Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag, das hat ein Pilotprojekt an der Universität Osnabrück gezeigt", betonte Walter Schober, Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt. "Ökonomisch macht das weder für die Hochschule noch für die VG Wort Sinn. Ich hoffe nach wie vor, dass die VG Wort zu einer vernünftigen Lösung bereit ist", so Schober. Falls nicht, hätte das gravierende Folgen, denn Dozenten könnten die Unterlagen nicht mehr in Online-Plattformen einstellen. "Es hätte massive Konsequenzen für die Lehre und würde uns ins letzte Jahrhundert zurückkatapultieren, in die Zeit vor der Digitalisierung."

Das sieht auch die KU Eichstätt-Ingolstadt so: "Es wirkt anachronistisch, wenn Studierende sich nun wieder Materialien kopieren müssen, die sie vorher vom Dozenten online zur Verfügung gestellt bekamen. Bislang konnten Studierende ohne gesonderte Erlaubnis Auszüge aus Büchern und Zeitschriften über unsere Online-Lernplattform erhalten. Die Lehrenden sind nun dazu angehalten, online zugängliche Materialien, die urheberrechtlich geschützte Werke enthalten, bis Ende des Jahres zu löschen."

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/wie-in-zeiten-vor-der-digitalisierung-3567739
© 2024 Donaukurier.de