Hilpoltstein

Katholischer Global Player

Neuburger Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm setzt die Gegenreformation in Hilpoltstein durch Sein Bruder wehrt sich

03.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Eine Büste vom Bauherrn Wolfgang Wilhelm thront im Oculus über dem Eingang der Düsseldorfer Andreaskirche. Der Pfalzgraf ließ sie von 1622 bis 1629 nach dem Vorbild der Neuburger Hofkirche bauen. - Foto: Wikipedia

Hilpoltstein (HK) Pest, Krieg und Hungersnöte: Die Gegenreformation in Hilpoltstein, Heideck und Allersberg steht unter keinem guten Stern. Zudem wehrt sich Johann Friedrich erbittert gegen die Rekatholisierung, die sein Bruder Wolfgang Wilhelm im Jahr 1627 in Gang setzt.

"Es herrschte eine Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens", sagt Manfred Seitz, Hilpoltsteins katholischer Pfarrarchivar. Fast 20 Jahre dauert der erbitterte Streit der Konfessionen, der erst mit dem Tod von Sophie Agnes im Jahr 1646 endet. Die Gegenreformation siegt am Ende einer zermürbenden Auseinandersetzung.

"Der Glaubenszwist war aber oft nur vorgeschoben, um persönliche Animositäten auszuleben", sagt Seitz. Glaubenskommissare kontrollieren die Einhaltung der kirchlichen Fastengesetze. Wobei es keine einheitliche Fastenzeit gibt, die Evangelischen noch nach dem Julianischen Kalender rechnen, während bei den Katholischen bereits der neue, von Papst Gregor eingeführte Kalender gilt, der zehn Tage voraus ist. Mussten die einen fasten, "futterten die anderen extra fette Bratwürste, um die Nachbarn zu ärgern", erzählt Manfred Seitz. "Die katholischen Spitzel sind rumgegangen und haben an den Schlöten gerochen, um herauszufinden, ob an Fastentagen Fleisch gekocht wird."

Die Rekatholisierung in Hilpoltstein erfolgt in mehreren Wellen. Auch weil Pfalzgraf Johann Friedrich sich mit allen diplomatischen Mitteln gegen seinen älteren Bruder und Landesherren Wolfgang Wilhelm wehrt. Der war bereits 1613 aus machtpolitischen Gründen zum Katholizismus übergetreten. Wolfgang Wilhelm regiert im Herzogtum Jülich-Berg und ist mit einer Schwester von Maximilian von Bayern verheiratet, dem Anführer der Katholischen Liga. Wolfgang Wilhelm residiert in Düsseldorf und ist "ein global Player", erklärt Manfred Seitz. Er schmiedet Bündnisse mit dem katholischen Spanien, reist an die Höfe von Königsberg, Paris und Madrid.

Wolfgang Wilhelm tritt 1614 das Erbe seines Vaters Philipp Ludwig, eines überzeugten Protestanten, an, der ihn noch auf dem Totenbett wegen seines Glaubenswechsels enterben wollte. Bereits 1615 holt Wolfgang Wilhelm Jesuiten ins Land, die katholische Antwort auf die protestantische Reformation. Ein papsttreuer Elite-Orden hervorragend ausgebildeter Theologen. Zwei Jahre später ist die Pfalz Neuburg bereits ausschließlich katholisch. Später folgt Sulzbach, das mit furchtbaren Repressalien bekehrt wird.

Die ebenfalls zur Pfalz Neuburg gehörenden Ämter Allersberg, Heideck und Hilpoltstein bleiben zunächst verschont. Sie sind zu unbedeutend und Johann Friedrich stellt keine Erbansprüche. Zudem ist Wolfgang Wilhelm ihm zugetan. "Als Kinder haben die jungen Fürsten oft miteinander gespielt", erzählt Manfred Seitz.

Doch im Herbst 1627 ist der Burgfrieden zu Ende. Wolfgang Wilhelm schickt Simon von Labrique los. Er soll die Rekatholisierung durchsetzen - notfalls mit Gewalt. Labrique, der über Pleinfeld und Walting anrückt, hat extra einen Schmied und einige Soldaten im Gefolge. Am 12. November beginnt der Emissär sein Werk in Heideck. Er setzt den evangelischen Pfarrer ab, der das Pfarrhaus innerhalb einer Woche räumen muss. In Schlossberg benutzt Labrique den "Schlüssel Petri", wie er an seinen Landesherren schreibt. Das heißt, er lässt die Kirche aufbrechen, weil sich der Pfleger, der sich auf Johann Friedrich beruft, weigert, den Schlüssel zu übergeben. Auch in Rudletzholz lässt Labrique die Kirchentür aufbrechen. Ein katholischer Geistlicher hält sofort eine Messe, der evangelische Geistliche erhält Predigtverbot.

Labrique zieht weiter nach Aberzhausen, Zell und Bergen, Liebenstadt, Ohlangen und Oberhochstetten. "Gottlob! Glücklich und ohne Tumult", schreibt er an Wolfgang Wilhelm. Aus Laibstadt meldet der Neuburger Vizekanzler sogar Erfreuliches. Die Gläubigen übergeben freiwillig den Kirchenschlüssel und kommen "haufenweise" zur katholischen Messe, die sie "modeste", also sittsam, verfolgen.

Dramatische Szenen spielen sich dagegen in Jahrsdorf ab, wo Labrique am Abend des 17. November 1627 eintrifft. Pfarrer Johann Parst hält gerade Abendmahl mit 198 evangelischen Gläubigen. Das Abendmahl für Laien ist ja eines der wesentlichen Merkmale des lutherischen Glaubens. Labrique wartet bereits vor der Tür. Parst ermahnt die Gemeinde zu "beständigem Glauben", dann predigt der katholische Geistliche Johannes Schießel. Angesichts der feindseligen Stimmung und unter dem strengen Blick von Parst stottert er aber so sehr, dass man ihm die Predigt einflüstern muss. Am Ende predigt ein Jesuitenpater den "alleinseligmachenden Glauben". Als die Messe beginnt, bleiben nur wenige Männer in der Kirche, die Frauen verlassen weinend das Gotteshaus.

Auch in Meckenhausen predigt der neue katholische Pfarrer Gregor Braun "gar zitterlich, also dass er auf mein standhaft Ansehen gar nahe verstummte", wie der abgesetzte Pfarrer Wolfgang Cammerschreiber berichtet. Er selbst richtet trotz des Predigtverbots noch einmal das Wort an seine Gemeinde, bis ein Jesuitenpater einschreitet. Cammerschreiber fährt trotzdem fort: "Ich befehle alles dem lieben Gott und dem Fürsten in Hilpoltstein."

In Ebenried beruft sich der evangelische Pfarrer auf den Eid, den er den Herren von Wolfstein geleistet habe, die ebenfalls Protestanten sind. Doch Labrique ist unnachgiebig. Er quartiert den neuen Geistlichen im Pfarrhaus ein. Der muss von seinem evangelischen Kollegen verköstigt werden. Auch den Schulmeister setzt der Kommissar ab. Zur Messe am nächsten Morgen kommen zwei Kinder und eine Bettelmagd.

Jetzt folgt der schwierigste Teil von Labriques Mission. Er muss Wolfgang Wilhelms Willen gegen dessen Bruder Johann Friedrich durchsetzen, immerhin ein Pfalzgraf. Grobe Gewalt verbietet sich daher. Labrique versucht es mit Diplomatie. Doch die Vorgaben seines Landesherren lassen wenig Spielraum. Die Stadtpfarrkirche soll mit einem Schloss versperrt werden, evangelische Gottesdienste dürfen nur noch in der Kapelle in der Vorstadt (St. Georg) abgehalten werden. "Die Prädikanten sind abzusetzen und haben innerhalb von acht Tagen den Pfarrhof zu räumen", ordnet Wolfgang Wilhelm an.

Aber Johann Friedrich ist nicht gewillt, sich zu beugen. Er verstärkt die Wachen in der Stadt und erlässt eine Reihe von Anweisungen: Die Kirche ist von zuverlässigen Bürgern zu bewachen, die Pfarrer müssen Bibeln, Postillen, Kirchenordnungen und Urkunden verstecken. Wenn Labrique in der Stadt ist, müssen die Kirchenschlüssel persönlich beim Fürsten abgegeben werden. Kirchen- und Schuldiener dürfen nicht vor dem Kommissar erscheinen. Er soll bespitzelt werden, wenn er in ein Wirtshaus einkehrt.

Am 19. November kommt Labrique in Hilpoltstein an. Er nimmt Quartier im Gasthaus von Georg Burck gegenüber dem Schloss und bittet Johann Friedrich um eine Audienz. Um 15 Uhr fährt Labrique die wenigen Meter zur Residenz standesgemäß mit der Kutsche. Johann Friedrich macht ihm seinen Standpunkt klar: Er habe das testamentarisch verbriefte Recht auf freie Religionsausübung. Das habe auch Wolfgang Wilhelm anerkannt. Wenn man ihm seine Kirche wegnehme, sei er schlimmer dran als die Heiden. Er und seine Frau Sophie Agnes hätten ein verbrieftes Recht auf die Stadtpfarrkirche. Ihm sei nicht zuzumuten, in einer katholischen Kirche begraben zu werden.

Nach zähen Verhandlungen begnügt sich Labrique mit der Herausgabe des Schlüssels für St. Georg. Die Stadtpfarrkirche bleibt ihm verwehrt. Hier halten der Fürst und die Hilpoltsteiner Bevölkerung nach wie vor evangelischen Gottesdienst. Labrique muss sich damit zufriedengeben. Erst als der Bischof von Eichstätt 400 Bewaffnete aus den bischöflichen Besitzungen Sandsee, Hirschberg, Berching, Obermässing und Greding zur Verfügung stellt, erteilt Wolfgang Wilhelm Labrique den eindeutigen Befehl: "Die katholische Kirche in Hilpoltstein wird ausschließlich für den katholischen Gottesdienst benützt."

Labrique wird jetzt massiv und droht am 26. November 1627 nach der Frühpredigt den Räten Johann Friedrichs unverhohlen: "Bis jetzt habe ich es im Guten zugewartet. Wenn ihr jetzt aber nicht gehorchen wollt, kommt Kriegsvolk ins Land." Sein Ansinnen, ihm die Kirchentür aufzuschließen, lehnen sie trotzdem ab. Am nächsten Morgen macht Labrique ernst. Nach dem Gottesdienst des Fürsten rückt er mit einigen Soldaten und dem Schmied aus Pleinfeld an und versucht, die Kirchentür gewaltsam aufzubrechen. Als das nicht gelingt, sprengt er eine Seitentür gegenüber dem Schulhaus. Pater Gregorius Faber liest die erste Messe. Es wird nie mehr einen evangelischen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche geben. Die Protestanten müssen ihren Gottesdienst ab sofort auf dem mittleren Boden des Kornkastens - heute das Haus des Gastes - abhalten.

Rein formal ist die Gegenreformation in den Ämtern Allersberg, Heideck und Hilpoltstein damit vollendet. Doch die Auseinandersetzung um den rechten Glauben gehen fast 20 Jahre lang unvermindert weiter. Denn Johann Friedrich seine Frau Sophie Agnes und die Witwe des Pfalzgrafen Dorothea Maria halten nach Kräften an der Augsburger Konfession Luthers fest.

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