Ingolstadt

"Jeden Tag einen guten Job"

Ingolstädter zeigen nach Razzia große Solidarität mit den Audi-Beschäftigten

19.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:28 Uhr

Durchsuchung am Tag der Jahrespressekonferenz: Sowohl Mitarbeiter als auch Gewerkschaftsmitglieder werfen der Staatsanwaltschaft fehlendes Fingerspitzengefühl vor.

Ingolstadt (DK) Die Solidarität mit den Audi-Mitarbeitern ist groß: Der Wunsch nach einer schnellen Aufklärung der Diesel-Abgasaffäre wächst nach der Razzia, die die Münchner Staatsanwaltschaft am vergangenen Mittwoch in den Räumen des Unternehmens veranlasst hatte, immer mehr.

Die Geduld der Arbeitnehmer nicht auf die Probe zu stellen, fordern allen voran die Gewerkschaften. "Die Mitarbeiter setzen sich jeden Tag, jede Schicht, jede Stunde ein, um Premium-Autos zu bauen, die Wahrheit muss auf den Tisch", forderte Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, Johann Horn, bei der Delegiertenversammlung am Samstag (siehe Seite 18). Diejenigen, die das Werk der Beschäftigten aus Gier oder Karrierebewusstsein zerstören, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Er mahnte aber, die "Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils" gelten zu lassen.

Ähnlich sieht das Audi-Betriebsrat Jörg Schlagbauer, der sich über das fehlende Fingerspitzengefühl der Staatsanwaltschaft ärgert. Die Durchsuchung ausgerechnet am Tag der Jahrespressekonferenz anzusetzen, sei den "Menschen bei Audi gegenüber eine Frechheit", sagte er am Samstag im Gespräch mit unserer Zeitung. Er wünsche sich, schnell mit der Affäre abschließen zu können, damit die Arbeitnehmer wieder nach vorne schauen können. "Sie machen jeden Tag einen guten Job und haben es verdient, dass man wertschätzend mit ihnen umgeht."

Diese Aussagen entsprechen in den sozialen Netzwerken dem Konsens der Audi-Mitarbeiter selbst. "Es soll endlich zu einem Abschluss kommen, dass wir uns den zukünftigen Aufgaben widmen können", heißt es dort. Ein anderer Nutzer appellierte, die rund 80 000 Menschen bei Audi nicht zu vergessen: "Es täte der gesamten Mannschaft gut, eine neue Richtung verfolgen zu können." Bestätigt wird er durch einen weiteren Beitrag: "Die Oberen im Konzern bringen Arbeitsplätze in einem Ausmaß in Gefahr, dass einem ganz schlecht wird."

Marco Kunz macht sich Gedanken um das Wohl der jungen Audianer. Der 23-Jährige, der im Zuge der Delegiertenversammlung zum Beisitzer des Ortsvorstands der IG Metall gewählt wurde, ist Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertreter des Unternehmens. "Natürlich geht es darum, herauszufinden, was noch im Verborgenen liegt", sagte er. Grundsätzlich seien die Prognosen für die Jugend aber gut. "Wir haben weiterhin Bedarf nach Personal sowie jungen Fachkräften und bilden auf hohem Niveau aus", betonte er.

Darüber dürften sich mögliche künftige Audianer freuen, die sich am Hochschulinformationstag der THI über Studiengänge informierten. Moritz Bleier aus München interessiert sich für Fahrzeugtechnik und könnte sich vorstellen, einmal bei Audi einzusteigen. "Klar hört man von der Diesel-Affäre und dem ganzen Drumherum", sagte der 18-Jährige. "Das heißt aber nicht, dass Audi kein zukunftsfähiges Unternehmen ist." Seine Freundin Maria Schaller sieht das etwas anders. "Man muss vorsichtig bleiben und die Augen offen halten", meinte die 20-Jährige. Auch sie als Maschinenbau-Studentin habe Interesse an einem Job bei Audi, aber als junger Mensch sehe sie für sich durchaus viele andere Möglichkeiten, in einem Betrieb unterzukommen.

Am Wochenmarkt auf dem Theaterplatz wusste beim Stichwort "Audi" unterdessen jeder sofort, um was es geht. "Die Razzia, die Razzia", rief eine der Verkäuferinnen und schob hinterher: "Das war doch klar, dass so etwas kommt." Gustav Bruder, der sich am Würstelstand ein Paar Bauernwürste schmecken ließ, stimmte zu: "Eine Razzia war schon lange im Gespräch", sagte der Rentner, der sich sicher ist, dass Audi die "unruhige Phase" überstehen wird. Sein Gegenüber, Bernd Obermeier, hätte sich dagegen mehr Souveränität von der Unternehmensleitung gewünscht: "Rupert Stadler hat im Fernsehen nur vor sich hingestopselt, kein Wunder, dass da jeder zweifelt."

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