Berlin

Zurück zur Wehrpflicht?

Bundeswehr-Skandal: Ruf nach Wiedereinführung wird lauter

11.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

Berlin (DK) Vor knapp sechs Jahren ist sie ausgesetzt worden, jetzt wird wieder über die Wehrpflicht gestritten. Auslöser der Debatte ist der Bundeswehr-Skandal um Oberleutnant Franco A., der mit seinen mutmaßlichen Komplizen einen rechtsextrem motivierten Anschlag geplant haben soll.

Die Entscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht und der Umbau der Truppe zu einer Freiwilligenarmee waren in der Union höchst umstritten. Nachdem der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit der Forderung nach Aussetzung der Wehrpflicht vorgeprescht war, schwenkte Kanzlerin Angela Merkel schließlich auf seine Linie ein - sehr zum Unmut insbesondere konservativer Politiker in der Union. Nun ist das Thema wieder im Gespräch.

Zurück zur Wehrpflicht als Konsequenz aus dem Bundeswehr-Skandal? Anhänger dieser Forderung sehen darin eine Garantie, dass die Truppe den Querschnitt der Bevölkerung abbildet und damit besser vor rechten Umtrieben geschützt wäre. Kanzlerin Merkel (CDU) versuchte gestern, die Debatte zu bremsen. "Ich denke, wir haben eine grundsätzliche Entscheidung getroffen", antwortet sie am Rande von Beratungen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf eine entsprechende Frage.

"Die Bundeswehr braucht Berechenbarkeit in ihrer Entwicklung, damit der von der überwiegenden Mehrheit sehr gut geleistete Dienst auch berechenbar und gut fortgesetzt werden kann." Sie halte die jetzt von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigten Reformen für richtig und notwendig.

Einige Unionspolitiker und Experten mögen die Position der Kanzlerin nicht teilen. Nach Bekanntwerden des Skandals um Franco A. hatte sich unter anderem der Militärhistoriker Michael Wolffsohn, der lange Zeit an der Münchener Bundeswehr-Universität gelehrt hatte, zu Wort gemeldet - mit der These, dass das eigentliche Problem die Aussetzung der Wehrpflicht sei. "Diese Entscheidung ist verantwortlich dafür, dass der Bundeswehr jetzt die ganz ,normalen' Bürger fehlen", erklärte Wolffsohn. So seien die Dämme geöffnet worden für den Zustrom extremistischen Personals, das bequem an Waffen und eine militärische Ausbildung kommen wolle: "Lyriker gehen nun mal nicht freiwillig zum Militär." Ins gleiche Horn stößt CDU-Politiker Patrick Sensburg. Der Bürger in Uniform sei "ein verlässliches Frühwarnsystem zur Erkennung von Extremismus von links und rechts", sagte er. Die Zivilbevölkerung sei "auch das Immunsystem gegen Demokratiefeindlichkeit".

Kommando zurück? Verteidigungsministerin von der Leyen setzt bei der Aufarbeitung des Skandals andere Schwerpunkte. Die Rückkehr zur Wehrpflicht steht nicht auf ihrer Agenda. Weiß sie doch, dass die Bundeswehr nicht mit einer weiteren Mega-Reform überfordert werden darf. Die CDU-Politikerin will die Meldewege in der Truppe auf den Prüfstand stellen, den Militärischen Abschirmdienst stärken und den Traditionserlass der Bundeswehr zum Umgang mit Wehrmachtsandenken überarbeiten. "Ein langer Prozess", wie sie diese Woche erklärte.

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