Ingolstadt

Wenn die Wahrheit auf der Strecke bleibt

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Mit dieser Meldung schreckte ein Internetnutzer die Ingolstädter auf. Die Polizei sprach von „völligem Blödsinn“. −Foto: Screenshot: DK

Ingolstadt (DK) Lügenpresse. So lautete das Unwort des Jahres 2014, und es sind nicht zuletzt Vertreter rechter und fremdenfeindlicher Lager, die es gerne in herabsetzender Weise gebrauchen. Der Vorwurf: Etablierte Medien würden bewusst Nachrichten unterdrücken oder wesentliche Sachverhalte weglassen.

Dass bei der Berichterstattung aber nur Fakten zählen und nicht jedes blanke Gerücht verbreitet werden darf, scheint manchen Kritikern egal zu sein. Gut, dass es das Internet gibt, dort kann jeder die "echte Wahrheit" ausbreiten, meinen sie. Wie das mitunter endet, zeigt ein Fall aus Ingolstadt.

Der Nutzer eines sozialen Netzwerks setzte am Donnerstagabend eine Meldung ab, die es in sich hat: An der "deplazierten [sic!] Asylbewerberunterkunft" beim Apian-Gymnasium seien um 7.30 Uhr mehr als vier Streifenwagen und ein Mannschaftswagen vorgefahren. Die Rede ist von einem "Schussgeräusch" und dem schlechten Gefühl bei Eltern und Schülern - und "ganztags keine Info in keinem Medium". Die Gesellschaft sei "ja so verlogen", lautete eine Reaktion auf diese Zeilen.

Was der Verfasser vermutlich implizieren wollte, lässt sich leicht erahnen. Ebenso leicht wäre für ihn aber herauszufinden gewesen, was Donnerstagfrüh tatsächlich vor dem Ingolstädter Gymnasium abgegangen war, bevor er seine Schreckensmeldung verbreitete - umso mehr, als die Aktion für jeden ernsthaft an der Wahrheit Interessierten ziemlich ersichtlich erschien: "Es hat keinerlei Einsatz in der Asylbewerberunterkunft gegeben", stellte Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt am Freitag auf unsere Anfrage klar. "An diesem Morgen hat neben der üblichen intensiven Schulwegsicherung nach dem Ende der Ferien eine angekündigte Schulbuskontrolle stattgefunden." Nicht mehr und nicht weniger. "Da ist kein Schuss gefallen." Die Zeilen im Netz seien "absoluter Blödsinn".

Immerhin sah die Polizei sich unter der Schlagzeile "Achtung Fake!" veranlasst, zu der "recht hitzig geführten Debatte" im Netz den tatsächlichen Sachverhalt zu erläutern und Entwarnung zu geben. "Fest versprochen: Wesentliche Sicherheitsstörungen berichten wir aktiv!", heißt es zum Schluss. Unsere Zeitung hatte diesbezüglich bereits am Donnerstagabend in der Einsatzzentrale nachgefragt, wo ebenso Unverständnis herrschte, wie eine solche Falschmeldung zustande kommen kann.

Das wollte unsere Online-Redaktion noch am selben Abend auch von dem Verfasser der Zeilen wissen und "funkte" ihn an: Ob er denn Augenzeuge gewesen sei oder wie er auf seine Behauptungen komme? Der "Autor" hatte derweil noch weiter Öl ins Feuer gegossen und von einem "GAU" gesprochen, was die Platzierung der Asylbewerberunterkunft betrifft. Eine Reaktion von seiner Seite zu seinen Behauptungen kam nicht. "Ingolstadt - gefällt mir!" nennt sich die Gruppe, in der er mitdiskutiert. Ob ihm das Wohl der Menschen in der Schanz wirklich am Herzen liegt, darf allerdings stark bezweifelt werden. 

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