Berlin

Nahles soll SPD-Fraktion führen

Schulz stellt Weichen für die Opposition und stößt in der Partei erstmals auf Kritik

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Berlin (DK) Der Schock sitzt tief bei der SPD. Auch am Tag danach haben die Genossen ihre historische Wahlschlappe noch nicht verarbeitet. Hinter den Kulissen geht es zur Sache: Martin Schulz, der als Kanzlerkandidat gescheiterte Parteivorsitzende, arbeitet daran, seine Machtposition in der Partei zu sichern.

Mit seinem angriffslustigen Auftritt in der "Elefantenrunde" hatte er am Sonntagabend wie ein Wahlkämpfer in eigener Sache gewirkt - mit heftigen Attacken nach außen, um bei den eigenen Leuten ja nicht in Bedrängnis zu geraten. Schulz stimmt seine Partei auf Oppositionskurs ein, lässt Kanzlerin Angela Merkel mit Blick auf eine Fortsetzung der großen Koalition noch einmal abblitzen.

Gestern tritt er allen Spekulationen über einen Doch-noch-Verzicht auf den SPD-Vorsitz entgegen. Natürlich werde er beim Parteitag im Dezember noch einmal antreten, erklärt er nach Beratungen von Präsidium und Vorstand im Willy-Brandt-Haus und schlägt die bisherige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles als Vorsitzende der von 193 auf 153 Abgeordnete geschrumpften Bundestagsfraktion vor. Schulz, der dem Vernehmen nach selbst mit dem Posten geliebäugelt hatte, verzichtet auf die Rolle des Oppositionsführers unter der Reichstagskuppel und lässt der 47-jährigen Rheinland-Pfälzerin den Vortritt. Die Fraktionsspitze - ein mögliches Sprungbrett für eine Kanzlerkandidatur 2021.

Schulz und Nahles haben im Bundestagswahlkampf gut zusammengearbeitet, vom "Arbeitslosengeld Q" bis zur Rente gemeinsam Konzepte entwickelt. Ob sie tatsächlich das "Dream-Team" bilden können, das die tief deprimierte SPD jetzt braucht und das sie eines Tages wieder zurück in die Regierung führen kann, darüber gibt es geteilte Meinungen in Partei und Fraktion. Zumindest meldeten sich gestern zwei einflussreiche Strippenzieher zu Wort. "Die neue SPD-Fraktion braucht jetzt Zeit, die notwendigen personellen Fragen in Ruhe zu diskutieren", erklärte Johannes Kahrs, der Vorsitzende des konservativen "Seeheimer Kreises". Vorschnelle Festlegungen über die Fraktionsführung würden nicht weiterhelfen. Mit Achim Post, dem Chef der einflussreichen SPD-Landesgruppe NRW im Bundestag, meldete sich ausgerechnet ein Schulz-Vertrauter zu Wort. "Ich bin gegen Vorentscheidungen, bevor der Fraktionsvorstand und die neue Fraktion sich das erste Mal nach der Wahl getroffen und über das Ergebnis diskutiert haben." Auch wenn die Rebellion ausbleibt: Erstmals seit Schulz im März mit 100 Prozent zum SPD-Vorsitzenden gewählt worden ist, bekommt er Gegenwind aus den eigenen Reihen.

"Die SPD wird gebraucht. Wir werden den Kopf nicht hängen lassen", kündigt Schulz an, spricht von einer stolzen Partei und holt - ganz so, als wäre der Wahlkampf noch nicht zu Ende - zum Rundumschlag gegen Angela Merkel und die Union aus. Ihre "Schlaftabletten-Politik" habe ein Vakuum entstehen lassen, das von der AfD genutzt worden sei. Mit der SPD in der Opposition bekomme die Republik "die Konfrontation, die Angela Merkel seit Jahren verweigert". Opposition sei für seine Partei auch angesichts einer starken AfD im Parlament "eine staatspolitisch verantwortliche Aufgabe".

Ist das sein letztes Wort? Ob er ausschließen könne, als Minister in eine Bundesregierung von Merkel oder der CDU/CSU zu gehen, wird Schulz noch gefragt. Er stutzt. "Ja, ganz klar", antwortet er schließlich. "In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten", schiebt er hinterher. Was Beobachter spekulieren lässt, ob sich da nicht doch jemand ein Hintertürchen offen hält - für den theoretischen Fall, dass Jamaika scheitert und die Union bereit wäre, auf Angela Merkel als Kanzlerin zu verzichten.

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