Baar-Ebenhausen

Die Heimat mit anderen Augen sehen

Das Gasthaus Flotzinger zeigt Fotografien der Münchner Straße in Baar-Ebenhausen

25.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:54 Uhr

Baar-Ebenhausen (DK) Es sind bloß knapp 1000 Meter. Eine kurze Strecke Straße, aber mit langer Geschichte. Vom Rathaus bis zur "Aidmühl-Linde" am nördlichen Ortsende von Baar-Ebenhausen. Dorf- und Landstraße. Seit vielen Jahrhunderten der gleiche Weg. Augenscheinlich nichts Besonderes, eine alltägliche Szenerie. Kein verlockendes Motiv zum Bildermachen für Künstler, Maler und Fotografen. Oder? "Im schwindenden Licht der Erinnerung" war der Titel eines zweiteiligen Artikels im DONAUKURIER vom 6. und 7. Juli 2011 von Gerhard Steiniger. Dabei ging es um die Auseinandersetzung mit der Geschichte von Baar-Ebenhausen.

Bei der historischen Aufarbeitung der Gemeindegeschichte in den letzten Jahren hat sich die Hauptstraße (Münchner Straße) als Leitmotiv für die nunmehrige Ausstellung, die im Wirthaus Flotzinger gezeigt wird, herausgebildet. Im Reiseatlas des Adrian von Riedl aus dem Jahr 1796 wird sie als "Chaussee von München über Ingolstadt in die Oberpfalz" dargestellt. Mit dem Straßendorf Ebenhausen im geografischen Mittelpunkt.

Seit 2006 mit der Umstellung auf Digitalfotografie sind Hunderte von Ortsaufnahmen entstanden und schlummerten bisher im PC-Speicher von Gerhard Steiniger. Eine Auswahl davon zeigt auf überraschende Weise, dass die auf das Format 40 mal 60 Zentimeter vergrößerten Bilder durchaus künstlerischen Anforderungen gerecht werden.

"Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, dass man neue Landschaften entdeckt, sondern dass man mit neuen Augen sieht" - ein Zitat des großen französischen Dichters Marcel Proust lässt sich treffend als Kommentar für die Ausstellung verwenden. Licht und Perspektive, Zeit- und Standpunkt, sind die wesentlichen Voraussetzungen für die Momentaufnahmen, um aus unscheinbaren Alltagsmotiven nicht bloß ein Abbild, sondern echte Bilder zu schaffen. Von besonderer Dominanz und vielfältiger Ausdruckskraft sind der Rokokoturm der Pfarrkirche und die Eiche - zusammen oder als Einzelmotiv. Der Turm, bauliches Denkmal von 1768 wird heuer 250 Jahre alt. Die Eiche, Naturdenkmal, ist 1881 als sogenannte Friedenseiche gepflanzt worden. Die ebenso mächtige wie prächtige Krone im Wechsel der Jahreszeiten ist im Gegenlicht bei Raureif ein Glückserlebnis für den Fotografen gewesen. In den ortsgeschichtlichen Aufzeichnungen von J. Kopold (1966) ist für die Pflanzung der Landwirt Peter Flotzinger (1853-1931) verantwortliche gewesen. Selbiger hat bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit seiner Ehefrau Anna das Café Hindenburg an der Hauptstraße geführt. Sohn Josef (1884-1947) war von 1933 bis 1945 Bürgermeister der Gemeinde. Seine Witwe Anna hat 1953 das heutige Café Flotzinger errichtet. Es ist der letzte von vier Gaststättenbetrieben an der Hauptstraße.

Das somit selbst wesentlich mit der historischen Ortsgeschichte verbundene Haus durch eine ständige Ausstellung aufzuwerten war für Gerhard Steiniger ein heimatpflegerisches Anliegen. Bisher unbekannte, zum Teil über 100 Jahre alte historische Fotografien im Hauptgastraum ermöglichen einen spannenden Blick zurück in die dörfliche Welt von gestern. Sie bieten mehr als bloß dekoratives Ambiente. Für die Gemeinde ist die "Heimatgalerie" eine repräsentative Einrichtung der Selbstdarstellung.

Geöffnet ist täglich während der Betriebszeiten. Der Zugang über den Seiteneingang ist sogar barrierefrei. Hier im kleinen Saal auf der rechten Seite ist es auch sinnvoller mit der Besichtigung zu beginnen, weil dort die erwähnten DK-Berichte als Hintergrundinformation gerahmt aufgehängt sind.

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/die-heimat-mit-anderen-augen-sehen-3243627
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