Ingolstadt

Ab in die Zukunft

Was sollten Autos im Jahr 2040 alles können? Studierende der THI entwarfen anschauliche Szenarien

02.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Hommage an einen Hollywoodklassiker auf der Comic Con 2015 in Dortmund: Der Zeitreisende Marty McFly ist aus Wachs, und der DeLorean hinter ihm kann nur im Kino fliegen, das aber spektakulär in "Zurück in die Zukunft II", gedreht 1989. Der Film spielt 2015. - Foto: Pixabay

Ingolstadt (DK) Fliegen wird es noch nicht so bald, das Auto der Zukunft, dafür macht es sich vielleicht selbstständig als Bote nützlich. Oder als Butler. Studierende von Harry Wagner, Professor für Automotive & Mobility Management an der Technischen Hochschule (THI), haben erkundet, wohin die Reise geht.

Dieser Herr hat es wirklich nett im Alter: Harald Klöpper aus Frankfurt, Firmeninhaber im Ruhestand, bezeichnet sich als "jung gebliebenen Familienmenschen". Er ist 72, also ein Mann in seinen besten Jahren, wie man heute sagt. Oder neudeutsch: ein Best Ager. Ob unternehmungslustige Aktivsenioren allerdings auch in Zukunft noch so genannt werden, muss sich erst zeigen, denn Herr Klöpper wurde 1968 geboren; er feiert anno 2040 seinen 72. Geburtstag. In diesem fernen Jahr spielen die Studentinnen Anja Marxer und Nicole Feucht mit ihrem Kommilitonen Philipp Eder anhand fiktiver Personen Szenarien für die Mobilität der Zukunft durch. Sie öffnen damit einen Horizont von Fragen, die nicht nur für die Automobilindustrie von schicksalhafter Bedeutung sind. Sondern für die ganze Gesellschaft.

Wie werden wir uns in 20, 30 Jahren fortbewegen? Oder von der Gegenseite her gedacht: Wie werden Fahrzeuge eines Tages uns bewegen?

Harald Klöpper, bei dem sich viel Geld und jede Menge Freizeit idealtypisch begegnen, wird gewiss weit vorne dabei sein - Dank seines . . ., nun ja. Früher sagte man dazu schlicht Auto. Aber das ist lange her. 2040 weiß sein Auto alles. Klöppers Frau Michaela wird das auch sehr zu schätzen wissen, weil die Einkäufe für den täglichen Bedarf automatisch nachbestellt werden. Auch, was außer der Reihe organisatorisch so anfällt, lässt sich bequem vom Auto aus regeln, denn es hat alle Unterlagen der Klöppers gespeichert. Fahren kann das Smart Home auf vier Rädern übrigens auch.

Klar, dass die zwei Spaßrentner anno 2040 komplett autonom chauffiert werden, wenn sie in Frankfurt um die Häuser ziehen. Das Auto setzt die Klöppers vor der Alten Oper ab und sucht sich selbstständig einen Parkplatz. Wenn die Eheleute später kulturell beseelt aus dem Konzerthaus schreiten, wartet ihr Gefährt schon auf sie. Und hätte da noch einen tollen Ausgehtipp: In der Nähe habe eine coole Bar aufgemacht. Ob die Herrschaften da nicht kurz hinmöchten, flötet das formvollendete Butler-Auto mit seinen immer spursicheren Manieren. Zeitlich ginge es. Es kennt natürlich alle Terminpläne seiner Halter. Klar wollen die Klöppers. Schließlich dürfen sie sich dem Alkohol unbefangen hingeben; sie müssen ja nicht selber fahren. Es geht pilotiert vom Wirtshaus ins smarte Heim.

Zecht man so in der Zukunft? Oder seriöser gefragt: Das Auto als mobile Alltagsschaltzentrale mit völliger Vernetzung - rollt diese Form von Mobilität auf uns zu? Das Projektteam der TH Ingolstadt kann nicht vorhersagen, wie die Mobilität in der Zukunft genau daherkommen wird, aber Anja Marxer, Nicole Feucht und Philipp Eder haben umfangreiche Nachforschungen angestellt und Interviews mit jungen Menschen in aller Welt geführt, um jenseits knalliger Science-Fiction-Visionen seriös zu skizzieren, wohin die Reise vermutlich geht.

Die Ausgangsfrage der Studenten mutet zunächst übersichtlich an: Wie wird ein Premium-Fahrzeughersteller zum Premium-Mobilitätsdienstleister? Aber schon mit der Definition ihres Forschungsfelds öffnen die jungen Leute einen weiten Raum. Alle Wege in die Zukunft werden von den "Megatrends" unserer Zeit geprägt: Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung, Verbindungsfähigkeit (Connectivity), Sicherheit und Neoökologie (diese postuliert ökologische und soziale Konzepte für Ökonomie, Städtebau, Konsum und Mobilität). Im Spannungsfeld dieser Entwicklungen stellen die Studenten Fragen nach den Wünschen künftiger Autokäufer und dem erhofften Nutzen. Das Spektrum reicht von Grundbedürfnissen wie Funktionalität bis zu Wertschätzung und Selbstverwirklichung der Kunden von morgen; Harald Klöpper und die fiktiven Protagonistinnen der drei anderen, ebenfalls hochgradig technikoptimistischen Zukunftsszenarien lassen so einiges an Erwartungen zusammenkommen.

"Wir haben uns gefragt: Was kann ein Fahrzeug noch sein", erzählt Anja Marxer. Eine Menge: Bote, Büro, Beschützer, Life Coach, Familienersatz, Alltagsorganisator, Teamkoordinator, Butler, Reisebegleiter, Berater, ja vielleicht sogar ein Freund. Und noch mehr. "Wir werden eine völlig neue Dimension von Flexibilität erleben", sagen die Studierenden. "Mobilität kann ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens werden. Dafür brauchen wir intelligente Systeme und Algorithmen."

Das Projektteam wirft bei den Zuhörern der Präsentation noch ganz andere Fragen auf: Wie schaut eigentlich die Welt jenseits des Premiumsegments aus, wenn sich nahezu alle Bereiche des Lebens mit (wie vorhergesagt) umstürzender Kraft verändern? Wer geht in Führung? Wer wird abgehängt? Wer bleibt auf der Strecke?

Und schließlich: Wer träumt wirklich von einer Welt, in der einem das eigene Kraftfahrzeug Freizeittipps ans Herz legt? Noch dazu autonom, also ungefragt? Technikbegeisterte wie Harald Klöpper werden im Jahr 2040 sicher antworten: "Ist doch super!" Skeptiker steigen dann vermutlich lieber aufs Rad. Und eilen ganz autonom davon.

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/ab-in-die-zukunft-3237507
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