München

Schicksal einer Künstlervilla

Vor 50 Jahren wurde die Villa Stuck vor dem Abbruch gerettet: Ausstellung als Erinnerungsreise und Bestandsaufnahme

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Foto: DK

München (DK) Wie ist in dieser Villa hoch über der Isar getanzt, geschlemmt und gefeiert worden! Ein Künstlerleben wie ein rauschendes Fest - diesen Eindruck gewinnt man, wenn man die Fotos, Gemälde und Dokumente anschaut, die Margot Brandlhuber über die Villa Stuck gesammelt hat. Aber fast wäre alles dem Vergessen anheimgefallen, denn 1961 wird tatsächlich der Abbruch des Hauses erwogen. "Betreff: Schicksal Villa Stuck" überschrieb 1964 der damalige Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel ein amtliches Schreiben - heute ist es der Titel einer Schau, die in Erinnerung ruft: Vor 50 Jahren wurde die Künstlervilla gerettet - für die Stadt München, für die internationale Kunstwelt, für künftige Generationen.

Pünktlich zum Jahrestag dieser "Wiederauferstehung" hat man in der Villa Fenster und Türen geöffnet, Einbauten und Wandverkleidungen im Atelier-Gebäude entfernt und dort Werke ihres Erbauers Franz von Stuck inszeniert: Im acht Meter hohen Erdgeschoss Plastiken, die seine Entwicklung verdeutlichen - von der "Tänzerin" mit flatterndem Schleier 1897 bis zur griechischen Hetäre "Phryne" in strenger, statischer Haltung 1925. Und darüber, im Atelier-Saal mit Oberlicht, stehen zahlreiche Gemälde im Raum, als hätte Stuck gerade erst den Pinsel aus der Hand gelegt.

Es ist auf den ersten Blick ein einfacher Trick, die Werke auf Staffelleien zu präsentieren, um eine Atelier-Situation zu simulieren. Aber verblüffend ist, was die Betrachter dadurch alles zu sehen bekommen: Die unverglaste Oberfläche lässt den Pinselduktus erkennbar werden, das ganze Bild rückt näher, auf Augenhöhe. Und erst die Rückseiten mit ihren Verstrebungen, dem Leinengewebe und den Aufklebern zu Besitzverhältnissen - die Werke und ihre Rahmen sind durch diesen Kunstgriff nicht länger museale Ikonen an der Wand, sondern sind Schaustücke, die zum neugierigen Betrachten einladen. Nur so, ganz aus der Nähe, lässt sich studieren, wie Stuck einer griechischen Göttin einen durchsichtigen Schleier über den Körper malte, mit glänzenden, fast fließenden Farbspuren auf der Oberfläche.

Franz von Stuck, der 1863 geborene Müllersohn aus Niederbayern, wurde in München zum Shooting-Star der Kunstszene. 1898, im Alter von 34 Jahren, ließ er nach eigenen Entwürfen seine Villa errichten, mit einem ersten Atelier als fast religiös aufgeladenes Zentrum des Hauses. Dieser Raum mit seinem Altar für das Gemälde "Die Sünde" wird auch für Feste und Bankette genutzt - doch zum Arbeiten fügt Stuck 1915 ein eigenes Ateliergebäude dem Haus hinzu, denn "dort habe ich auch mehr Licht und Sonne", so der Künstler. Es entsteht ein neutraler Werkstatt-Raum, ein weißer Kubus, wie ihn später Architekten für Museen und Ausstellungen entwickeln und benennen.

Mit dem Tod von Stuck 1928 beginnt eine lange Leidenszeit des Hauses, die in der Ausstellung durch historische Dokumente und Fotografien dargestellt wird. Lange ist unklar, wie die Räume genutzt werden können, 1944 wird das Haus bombardiert, 1945 beschlagnahmt, 1957 zieht die Hochschule für Musik ein, 1961 wird der Abbruch erwogen. Wie marode damals die Architektur war zeigt ein Film des Bayerischen Rundfunks, der vor allem eines vor Augen führt: Die Rettung dieser Künstlervilla und ihre Verwandlung in ein international bekanntes Jugendstil-Gesamtkunstwerk ist eigentlich ein Wunder. Aber die Tatsache, dass ab den 1960er-Jahren moderne und zeitgenössische Kunst von wechselnden Galeristen gezeigt wurde, beweist letztlich die Qualität dieser Räume.

Es ist ein Verdienst der aktuellen Ausstellung, dass auch die jüngste Geschichte mit ihren Festen, Empfängen und Ausstellungen dokumentiert wird - so etwa auch die großen Schauen zu Schiele und Nolde, zu Klee und Kokoschka in den 1980er-Jahren. Den Besuchern von heute werden da manche Erinnerungen kommen, denn die Villa spiegelt nicht nur Kunstgeschichte, sondern auch Geschichte der Stadt. Und was könnte aktueller sein als die Frage von Denkmalschutz oder Abriss zu reflektieren - in dieser Zeit, wo Immobilienfirmen in München Häuschen und Häuser abreißen oder historische Treppenhäuser und Fenster demontieren lassen, weil "eine Sanierung sich nicht rechnet" und ein Neubau profitabler ist. Im Fall der Villa Stuck haben 1965 Hans Joachim und Amélie Ziersch ein Zeichen gesetzt - sie haben die Villa gekauft, renoviert und 1967 der Stadt geschenkt. Nur deshalb kann München jetzt feiern: 50 Jahre Museum Villa Stuck.

"Betreff: Schicksal Villa Stuck", bis 6. Mai, Di bis So von 11 bis 18 Uhr, am ersten Freitag im Monat von 18 bis 22 Uhr freier Eintritt. Weitere Infos unter www.villastuck.de.

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/schicksal-einer-kuenstlervilla-3204066
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