Oberstimm

Barthelmarkt in Oberstimm ist eröffnet

Vier Tage Ausnahmezustand

23.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:17 Uhr


Oberstimm (DK) Zwei Worte sagen manchmal mehr als alle Bücher von Goethe, Schiller und Arno Schmidt zusammen: Ozapft is! Mit zwei Schlägen hat Manchings Bürgermeister Herbert Nerb am Freitagnachmittag das erste Fass am Barthelmarkt angezapft. Vier Tage kann jetzt auf der Oberstimmer Festwiese der Gerstensaft in Strömen fließen. Es werden wieder über 200 000 Besucher erwartet.

Tradition wird groß geschrieben auf einem der ältesten und größten Volksfeste in Bayern. Und die Überlieferung besagt, dass zu so einem Auftakt eine Bierprobe, ein Standkonzert und ein Festzug dazu gehören. Im Mittelpunkt standen wie immer die prächtig geschmückten Pferdegespanne der Brauereien. Da konnte natürlich keiner mithalten: weder die Abordnungen der Vereine noch alle diejenigen, die wichtig sind (die einen mehr, die anderen weniger) oder die sich zumindest selber für wichtig halten. Einmal geht es rum um die Festwiese, was aber nicht daran liegt, dass die Leute so gern marschieren. Vielmehr legt der Markt Manching Wert darauf, dass alle im Zelt sind beim Anstich. Und das wäre bei einem kürzeren Weg aufgrund der großen Länge des Festzugs nicht zu schaffen.

Spätestens mit dem Anzapfen des ersten Banzen zerfließt die Tradition freilich in eine – sagen wir mal – etwas schaumige Unschärfe. Denn die durstigsten Seelen und manche jugendlichen Partygänger sitzen da schon in manchen Zelten. Wenn auch heuer beim Hernbräu bis zum Anstich abgesperrt war. Und dass das Fest erst im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde, hat die Oberstimmer noch nie gestört: Die haben schon 1930 ihre 2000 Jahre (!) Barthelmarkt gefeiert. „Die Wahrheit iss so was Gewöhnliches, nich?“, wusste schon der unvergleichliche deutsche Schriftsteller Arno Schmidt (1914 - 1979).

Dass ausgerechnet in einem Jahr, in dem die Temperaturen Ende August die 30-Grad-Marke erreichen sollen, hoch geschlossene Dirndl in Mode sind, ist fast schon tragisch. Am schlimmsten trifft es jedoch wieder die echten Trachtler, die ohne Gilet und Janker nicht aus dem Haus gehen und zusammen mit den Gebirgsschützen aus Fischbachau, die Weißbiergarten-Wirt Ludwig Mittl wieder eingeladen hat, eine Anmutung von richtigem bairischem Brauchtum in Oberstimm aufkommen lassen. Aber wie sagte schon der Dichter: „Nur die phantasielosen flüchten sich in die Realität.“

Dirndl, Lederhose und Landhausmode gehören deshalb genauso dazu wie eine g‘scheite Brotzeit und eine Fahrt im Colossus, das ist das 35 Meter hohe Riesenrad, im Wellenflieger oder im Hochkarussell. Wer will, kann heuer auch am Barthelmarkt ins Dschungel-Camp gehen und ein paar Prüfungen absolvieren. Wobei wir freilich nicht wissen, ob die Kandidaten auch in Oberstimm auf gerösteten Mehlwürmer herumkauen dürfen. Wem das immer noch nicht langt, kann ja schauen, ob er sich im Taumler, dieser sich drehenden schrägen Scheibe, noch auf den Füßen halten kann. A propos Schräglage und andere Defizite: Sollte tatsächlich der höchst unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ein Barthelmarkt-Besucher einen zuviel über den Durst getrunken hat, darf er sich ebenfalls mit Arno Schmidt trösten: „Schon gemeinsame Brechreize schaffen eine Art ausreichender Sympathie.“

Wer aber mal was richtig Lustiges sehen will, der sollte am Samstagnachmittag von der Fest- zur benachbarten Rennwiese wechseln. Denn da werden nicht nur seit 1926 die Pferderennen ausgetragen (Traber und Galopper), die einzigen in der Region übrigens. Nein, es wird auch wieder ein Stafettenrennen geben. Menschliche Viererteams treten in den Disziplinen laufen, Rad fahren, reiten und Schubkarren schieben (mit „menschlichem Inhalt“) gegeneinander an – und ein Team der Lokalredaktion des DONAUKURIER ist erstmals auch dabei. Wer also schon immer wissen wollte, ob Thorsten Stark so schnell läuft wie er schreibt, ob Conny Hammer ein Pferd ebenso gut beherrscht wie den Auslöser der Kamera, wie Stefan Eberl Tanja Stephan im Schubkarren bugsiert und Bernhard Pehl als Radler mehr kann als in seiner Rolle des Reserve-OB, der sollte ab 14.30 dabei sein.

Bereits jetzt ein Wort zu Montagfrüh – in der Montagsausgabe selbst dürfte es dafür zu spät sein. Wie bereits im Vorjahr sind Wirte, Sicherheits- und Rettungskräfte sowie die Marktverwaltung per Funk miteinander verbunden. Angesichts des zu erwartenden enormen Andrangs (über 60 Reisebusse aus ganz Süddeutschland dürften wieder kommen) und der guten Erfahrungen aus dem Vorjahr soll das Prozedere von 2018 ausgeweitet werden. Damals waren die Nebeneingänge zu und die Haupteingänge der Zelte nur mit Seilen gesichert, was problemlos funktioniert hat. Heuer werden nun sämtliche Eingänge mit Seilen abgetrennt und erst geöffnet, wenn der Andrang zu groß wird. Dann geht es in den Barthelmarkt-Endspurt, der bis tief in die Montagnacht reicht. Und danach? Da wollen wir zum Schluss nochmals den von uns hoch geschätzten, unvergleichlichen Arno Schmidt bemühen: „Wer denkt heute noch 10 Tage voraus?“

Bernhard Pehl

URL: https://www.donaukurier.de/archiv/barthelmarkt-in-oberstimm-ist-eroeffnet-2446797
© 2024 Donaukurier.de