Ernährung
''Gesund und zugleich preiswert geht''

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Eckhart Witzigmann. - Foto: oh

Die meisten Menschen in Deutschland wünschen sich hochwertige Nahrung, schauen aber gleichzeitig sehr auf den Geldbeutel, wenn es um Lebensmittel geht. Über diese Diskrepanz haben wir uns mit „Jahrhundertkoch“ Eckart Witzigmann unterhalten.

Herr Witzigmann, hochwertig, gesund und gleichzeitig preiswert kochen und essen – geht das überhaupt?

Eckart Witzigmann: Na ja, das ist schon ein wenig die Quadratur des Kreises, weil Qualität bei den Produkten leider ihren Preis hat. Ganz allgemein kann man sagen, von nichts kommt nichts. Zumindest gesund und zugleich preiswert geht zusammen, hochwertig ist häufig leider auch hochpreisig.

 

In Deutschland achten die Menschen sehr auf ihren Geldbeutel, wenn es um Lebensmittel geht. Woran, denken Sie, liegt die Einstellung, dass Lebensmittel möglichst wenig kosten sollen?

Witzigmann: Der Slogan „Geiz ist geil“ wurde für Deutschland erfunden und gilt leider auch für Lebensmittel. Man vergisst viel zu oft die erste Worthälfte, ich verstehe Lebensmittel primär als Mittel gesund zu leben. Bei der Nachkriegsgeneration habe ich ja noch verstanden, dass alles möglichst billig zu sein hatte, da ging es zuerst einmal darum satt zu werden. Wer aber 73 Jahre nach Kriegsende immer noch auf billig setzt, schadet sich letztlich selbst.

 

Welche Lebensmittel bieten sich an, wenn man ein gutes und preiswertes Menü zusammenstellen will?

Witzigmann: Am sichersten fährt man, wenn man mit den Jahreszeiten geht. Der saisonale Speiseplan ist immer noch der beste und preiswerteste Kompass; an zweiter Stelle würde ich die Regionalität setzen. Da muss ich aber zugleich anmerken, dass das Thema Regionalität zwischenzeitlich auch zu einem Totschlag-Argument geworden ist, weil Regionalität nicht automatisch auch hohe Qualität verspricht. Das sind zwei paar Stiefel, die kurzen Wege sind das eine, die Qualität das andere.

 

Worauf sollte man bei der Zusammenstellung seines Speiseplans achten?

Witzigmann: Ich bin da keiner, der mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Welt läuft, eigentlich sollte jeder das essen, worauf er Lust hat und was ihm schmeckt. Wenn das dann noch saisonal und regional große Schnittmengen hat, umso besser. Jeder der sich gesund ernähren und dabei munter bleiben will, sollte generell lieber weniger, aber Dinge von höchster Qualität zu sich nehmen. Wenn ein Kilo Fleisch unter 15 Euro kostet, stimmen die Parameter nicht mehr, da sollten bei allen die roten Lampen aufleuchten.

 

"Wer auf billig setzt, schadet sich letztlich selbst."

Eckhart Witzigmann

Wo sollte man Lebensmittel am besten kaufen?

Witzigmann: Ich habe zur Jahrtausendwende in einem Interview über die Entwicklung von Lebensmitteln die Behauptung aufgestellt, der größte Luxus der Zukunft wird sein, den Erzeuger seiner Lebensmittel persönlich zu kennen. Das mag zugespitzt klingen, ich fühle mich jedoch sehr bestätigt in meiner Einschätzung. Lebensmittel-Kauf ist Vertrauenssache, das ist auf dem Land sicher leichter als in Berlin. Ich finde es eine tolle Entwicklung, dass der Preis zunehmend der Qualität folgt und der Geiz nicht bis zur Ladenkasse kommt. Auf breiter Basis regiert immer noch das Sonderangebot, und dann treten Dinge wie Qualität oder Wohlergehen der Tiere in den Hintergrund. Ich persönlich halte die Märkte der Selbsterzeuger immer noch für eine gute Adresse.

 

Bio ist in. Bio-Produkte finden sich in jedem Discounter. Andererseits gibt es spezielle Bio-Läden, in denen die Waren aber oft um ein Vielfaches teurer sind. Lohnt sich der Gang in den Bio-Laden?

Witzigmann: Tests und Untersuchungen haben gezeigt, dass mit dem Begriff Bio viel Schindluder getrieben wird. Nur Bio reicht als Qualitätskennzeichnung schon lange nicht mehr, da müssen schon noch andere Qualitätsmaßstäbe vorhanden sein. Ich habe kürzlich Bio-Kartoffeln aus Ägypten in einem Laden gesehen, die billiger als andere Sorten waren. Aber angeblich Bio. Und wer solchen Dingen auf den Leim geht, der ist auch für andere doppelte Böden sehr empfänglich. Ich halte das Angebot in den meisten Bio-Läden für engagiert und seriös, aber 12,50 Euro für 200 Gramm Tiefkühlachs halte ich dann doch wieder für überzogen. Als Konsument muss man schon sehr genau hinschauen und vergleichen. Aber wie gesagt, Qualität hat ihren Preis und Bio macht das Ganze dann nochmals einen Grad teurer.

 

Sind Bio-Produkte tatsächlich höher zu bewerten als konventionell hergestellte Lebensmittel?

Witzigmann: Ich bin weder Lebensmittel-Techniker noch Scharfrichter, für mich zählt letztlich immer der Geschmack. Und wenn es dann noch Bio ist, ist das Gefühl wahrscheinlich noch besser. Aber es gibt zwischenzeitlich auch konventionell hergestellte Lebensmittel von hoher Qualität. Da sind auch jede Menge Emotionen mit im Spiel, aber ich habe den Eindruck, dass es im Moment einfach auch chic ist, zu Bio zu greifen. Und wenn man dann die Analysen betrachtet, über Schadstoffe und langfristige Gesundheitseinbußen, muss jeder sich selbst darauf einen Reim machen. Wenn die gesundheitlichen Vorteile einer Bio-Karotte erst nach 30 Jahren und einem täglichen Verzehr von 15 Kilo zu Tage treten, ist das alles sicher eine ideologische Entscheidung.

 

Finger weg von Fertiggerichten und von Fast Food heißt es immer wieder. Kann man das tatsächlich so pauschal sagen?

Witzigmann: Wer sich der Mühe unterzieht, einmal die Zutatenliste bei Fertiggerichten oder von Fast Food zu studieren, muss schon ein grandioser Chemiker sein, um das alles zu deuten. Und wer das auslässt und sich halbwegs gesund ernährt, neigt sicher weniger zu Übergewicht, als der Heavy User der Mikrowelle. Die Realität ist doch, dass die Leute ohne Ende Kochsendungen im Fernsehen anschauen, ehrfurchtsvoll alles über selbst kochen und frische Lebensmittel inhalieren und am Ende der Sendung dann eine Tiefkühlpizza in die Mikrowelle werfen. Das ist leider die traurige Realität.

 

Wie bewerten Sie Tiefkühlkost?

Witzigmann: Lebensmittel frisch eingefroren sind für mich kein No-Go. Das Unheil bei Tiefkühlkost ist meistens, dass das Zeug Tage im Kühlschrank liegt und man es dann, anstatt es in den Abfall zu werfen, lieber einfriert. Da ist das Desaster schon vorprogrammiert.

 

Und zum Schluss vielleicht noch einen Tipp des Jahrhundertkochs!

Witzigmann: Nachdem noch kein Meister vom Himmel gefallen ist: Bitte nie aufgeben beim Kochen, immer weiter machen, immer wieder probieren. Da macht nur Übung den Meister und das darf nie ein Grund sein, zum Fertiggericht zu greifen.

 

Interview: Josef Bartenschlager

ZUR PERSON

Eckart Witzigmann gilt als einer der besten Köche weltweit. Er etablierte die Nouvelle Cuisine in Deutschland und entwickelte sie weiter. Sein Restaurant „Aubergine“ in München erhielt – als erstes deutsches Restaurant – drei Sterne im Guide Michelin. Witzigmann selbst wurde mit dem Titel „Koch des Jahrhunderts“ geehrt.