Wolfsburg
Vorsichtiger Blick nach vorne

Volkswagen sieht sich trotz der Diesel-Belastungen stark genug für den Neustart

28.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Wolfsburg (DK) Wir sind noch handlungsfähig, wir lösen die Probleme und wir stellen uns für eine erfolgreiche Zukunft neu auf: Vor allem um dieses Signal ging es gestern bei der Bilanzvorlage des Volkswagen-Konzerns in Wolfsburg. Die tief hängenden dunklen Wolken des Diesel-Skandals sollten vor den rund 300 Journalisten aus aller Welt mit deutlich zur Schau gestellter Stärke vertrieben werden.

Wie groß der Druck allerdings tatsächlich immer noch ist, war der Vorstandsriege deutlich anzusehen. Selbst beim obligatorischen Fototermin vor Beginn der Veranstaltung wollte manch ein Lächeln für die vielen Fotografen nicht so richtig gelingen. Die Mienen waren ernst und viele Gesichter eine Spur blasser als sonst - vor allem bei Vorstandschef Matthias Müller, der ziemlich unter Druck steht. Nur einmal lächelte er, als ihn eine Frage besonders amüsierte.

Dass der Diesel-Skandal aber gravierende Folgen hat, war bereits an den kürzlich vorgelegten Kernzahlen deutlich geworden. Das mit knapp 4,1 Milliarden Euro Verlust schlechteste Konzernergebnis der Unternehmensgeschichte zeigt deutlich die Dimension der Abgas-Trickserei. In diesem Jahr soll zumindest wieder ein Gewinn geschrieben werden. Details zum 1. Quartal wurden noch nicht genannt. Finanzchef Frank Witter deutete zumindest an, dass das Ergebnis für die Kernmarke VW nach drei Monaten "nicht rot sein werde". Müller räumte allerdings ein, dass die Rabatte für VW-Autos derzeit um zehn Prozent gestiegen seien. Trotzdem seien sie noch niedriger als die Durchschnittswerte der Branche.

In den Gewinnplanungen zeigt sich der Konzern durchaus optimistisch. So hat VW nach den zurückgestellten 16,2 Milliarden Euro keine weiteren Belastungen für den Abgas-Skandal mehr eingeplant. Experten gehen jedoch davon aus, dass noch einige Milliarden nötig sein werden. Seriöse Schätzungen gehen von 20 bis 30 Milliarden Euro Gesamtschaden aus. Doch die Chancen sind gut, dass Volkswagen auch diese Summe bewältigen könnte. Verkäufe von Töchtern schloss Müller aus. Auch eine Kapitalerhöhung sei nicht geplant.

Er sagte: "Der Volkswagen-Konzern ist robust genug, um die finanziellen Sondereinflüsse zu verkraften." Immerhin verfüge das Unternehmen über eine Nettoliquidität von 24,5 Milliarden vor. Außerdem deutet vieles darauf hin, dass die lukrativen Töchter Audi und Porsche in diesem Jahr weiterhin satte Milliardengewinne nach Wolfsburg überweisen. 2015 führte Audi die Rangliste mit 5,1 Milliarden Euro an. Es folgte Porsche mit 3,4 Milliarden vor Volkswagen Pkw mit 2,1 Milliarden Euro (ohne Dieselschaden).

Trotz des Fiaskos will der Konzern am Diesel festhalten. Müller: "Für uns hat der Diesel nach wie vor eine hohe strategische Bedeutung." Alleine schon, um die ehrgeizigen CO2-Ziele der EU erreichen zu können.

Obwohl das Image der Marke VW in den USA ziemlich ruiniert ist, will der Autobauer nicht die Segel streichen. Markenvorstand Herbert Diess sieht dort vielmehr "weltweit das größte Wachstumspotenzial in der nächsten Dekade". Dafür soll die Marke nach Bewältigung des Skandals neu positioniert werden. Und das mit neuen Fahrzeugen. "In den nächsten drei Jahren wird das komplette Produktprogramm in den USA erneuert." Das Vorbild für den Neustart gibt es im Konzern. Frank Witter erinnert an Audi. Die Marke war in Amerika einst mausetot und wächst mittlerweile seit Jahren kräftig. Witter: "Es geht ja."

Eine ähnlich starke Produktoffensive ist auch in China geplant. Dort verkauft der Konzern fast jedes zweite Auto. Der anteilige Gewinn aus der Kooperation mit FAW betrug 2015 rund 5,2 Milliarden Euro. Inzwischen ist der Wettbewerbsdruck zwar deutlich gestiegen, der VW-Konzern will seine Führungsposition aber entschieden verteidigen. Allein in diesem Jahr werden dort mehr als vier Milliarden Euro investiert. Neue Modelle, darunter viele SUV und ein lokal produzierter Kleinwagen, sollen den nötigen Schwung bringen.

Auch für E-Autos soll China der wichtigste Markt werden. Für Europa ist Müller, trotz der jüngst beschlossenen Kaufprämie, nicht ganz so zuversichtlich: "Die Elektromobilität wird sich nur als Gesamtpaket aus alltagstauglicher Technik, aber auch einer flächendeckenden Infrastruktur und intelligenten Anreizen für die Kunden durchsetzen."