Wolfsburg
Viele offene Fragen bei Volkswagen

Wer folgt auf Ferdinand und Ursula Piëch im Aufsichtsrat? – Bleibt der Porsche-Enkel auch Anteilseigner?

27.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:22 Uhr

Wolfsburg/Frankfurt (DK) Nach dem vorerst beendeten Machtkampf und dem Abgang von Ferdinand Piëch müssen bei VW einige Weichen neu gestellt werden. Wer rückt an die Spitze des Aufsichtsrats, wer übernimmt die zwei leeren Plätze in dem Gremium? Und was macht Piëch mit seinen VW-Anteilen?

Nach dem Rückzug von VW-Patriarch Ferdinand Piëch stehen bei Volkswagen weitreichende Entscheidungen an. Für den 78-Jährigen muss ein Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats gefunden werden, außerdem ist nun auch der Platz seiner Frau Ursula in dem Gremium leer. Schlägt jetzt die Stunde von Martin Winterkorn, der vor dem Angriff durch Piëch als dessen ausgemachter Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze galt? Oder kommt der Neue aus dem Kreis der Großaktionäre Piëch und Porsche? Oder wird es jemand von außen?

Für den Aktionärsschützer Ulrich Hocker bietet sich die Chance für eine Verjüngungskur. „Jetzt wäre es an der Zeit, dass Martin Winterkorn den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt und in der Geschäftsführung ein Generationswechsel stattfindet“, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Vor der Hauptversammlung am 5. Mai erwartet er hierzu aber keine Entscheidungen.

Das Aktionärstreffen wird der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber als kommissarischer Chefaufseher leiten. „Er hat die ausdrückliche Unterstützung der Anteilseigner“, hatte zuvor Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) erklärt.

Autoanalyst Max Warburton von Bernstein Research rechnet ebenfalls mit einem Aufstieg Winterkorns in das Kontrollgremium. Unter einem neuen Konzernchef könne dann die künftige Struktur für den zweitgrößten Autobauer der Welt festgezurrt werden.

Als potenziellen Nachfolger Winterkorns an der Vorstandsspitze soll schon Piëch Porsche-Chef Matthias Müller favorisiert haben. Der 61-Jährige könnte als Übergangslösung einspringen, bevor die nächste Generation von Managern das Ruder übernimmt. Mit Piëchs Rückzug haben sich nach Einschätzung von Beobachtern die Chancen von Audi-Vorstandschef und Betriebswirt Rupert Stadler auf den Spitzenposten bei VW wieder verbessert. Der oberste VW-Kontrolleur bevorzugte für die Toppositionen zwar Techniker, hatte sie im Unternehmen sogar schon ausgemacht, doch werden die Karten nun offenbar neu gemischt. Auch Skoda-Chef Winfried Vahland gilt nach wie vor als Kandidat für den VW-Chefsessel.

Die Suche nach neuen Gesichtern für den VW-Aufsichtsrat könnte dagegen schwieriger werden. Selbst wenn Winterkorn dort auf Piëch folgen sollte, müsste noch der Platz von Ehefrau Ursula nachbesetzt werden. Das Thema steht zudem unter dem Vorzeichen der nahenden Frauenquote. Nach dem Ausscheiden von Ursula Piëch sitzen in dem Gremium nun nur noch zwei Frauen – die Bankerin Annika Falkengren und die Gewerkschafterin Babette Fröhlich.

Der Piëch-Biograph Wolfgang Fürweger sieht nur wenige Kandidaten für die Nachfolgefrage: „Die beiden Namen, die in Salzburg als mögliche Nachfolger genannt werden, sind Josef Ahorner und Florian Piëch“, sagte er. Ahorner ist der Sohn von Piëchs verstorbener Schwester Louise, Florian das Kind von Ferdinand Piëchs älterem Bruder Ernst. Seine Berufung wäre aus Fürwegers Sicht allerdings eine Überraschung, weil sein Familienzweig keine Anteile mehr an der Porsche-Dachgesellschaft PSE hält, die das Machtzentrum bei der Kontrolle von VW darstellt.

Eine Aufsichtsratspersonalie ist derweil schon bekannt: Der VW-Großaktionär Katar plant eine Neubesetzung eines seiner zwei Mandate. Das Emirat, das 17 Prozent der Stimmrechte an VW hält, will den Chef des Luftfahrtkonzerns Qatar Airways, Akbar Al Baker, in das Kontrollgremium entsenden.

Könnte sich bald auch der gestürzte VW-Übervater von Anteilen trennen? Fürweger sieht dies als „Kardinalfrage“. Nachdem der Porsche-Enkel das Vertrauen in Vorstandschef Winterkorn verloren und nach dem eigenen Abgang auch keinen Einfluss mehr auf die Entwicklung habe, sei ein kompletter Abschied Piëchs von VW nicht auszuschließen.

In solchen Gedankenspielen steckt eine Menge Sprengkraft. Daher beteuerte Piëch-Cousin Wolfgang Porsche als Aufsichtsratschef des VW-Großeigners PSE schon, die Familien stünden langfristig zu VW. „Wir werden weiterhin mit großer Loyalität unsere Verantwortung als Großaktionär für den Volkswagen-Konzern und seine 600 000 Mitarbeiter wahrnehmen“, ließ er am Sonntag mitteilen.

Die PSE, die in den Händen der Familien Porsche und Piëch liegt, besitzt 50,7 Prozent der VW-Stammaktien. Im Gegensatz zu den im Dax notierten Vorzugsaktien haben diese Papiere ein Stimmrecht. An der PSE-Holding wiederum hält Ferdinand Piëch gut 13 Prozent der Stammaktien – auch dort gibt es neben den Stammaktien weitere Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.

Gemessen am Börsenwert der Porsche SE von zuletzt knapp 27 Milliarden Euro haben Piëchs Anteile damit einen Wert von knapp 1,8 Milliarden Euro. Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch haben ein Vorkaufsrecht, wenn ein Familienmitglied Firmenanteile versilbern will. Die Börse zeigte sich von Piëchs Abschied nicht bestürzt, sondern setzt auf neue Impulse. Während der Dax gestern Mittag leicht im Minus lag, legten die VW-Vorzugsaktien um rund drei Prozent zu.