Wolfsburg
Geheimprojekt Nachbesserung

VW hat angeblich eine Lösung für das Abgas-Problem beim 1,6-Liter-Diesel – Doch wie sieht die aus?

17.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:32 Uhr

Wolfsburg/Ingolstadt (DK) Während Volkswagen bei den meisten vom Abgas-Skandal betroffenen Motoren mit einem Software-Update Abhilfe schaffen will, braucht der 1,6-Liter-TDI auch technische Änderungen. Nur welche? VW schweigt. Wir haben einen Experten gefragt.

Im Nebel des VW-Abgas-Skandals verliert man leicht den Überblick. Immer neue Hiobsbotschaften aus Wolfsburg stellen die Treue der Kunden auf eine harte Probe: Zuletzt wurde bekannt, dass auch die CO2-Angaben von hunderttausenden Benzinmotoren nicht korrekt sind. Bei den Diesel-Motoren ist derzeit wohl das größte Sorgenkind der 1,6-Liter-Motor. Wie der Konzern bekannt gab, reicht hier ein Software-Update nicht aus, sondern es müssen Veränderungen an der Hardware vorgenommen werden. Angeblich hat VW nun eine Lösung gefunden, die aktuell von einer Gruppe von Wissenschaftlern und Experten aus dem Bundesverkehrsministerium und vom Kraftfahrt-Bundesamt untersucht wird. Wie diese aussieht, ist bislang nicht bekannt.

Auf unsere Anfrage bei Volkswagen gab es keine Reaktion. Weder zur genauen Zahl der betroffenen 1,6-Liter-Diesel-Motoren, noch zu technischen Details der Lösung. Karl Huber, an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) Professor für das Fachgebiet Thermodynamik und Verbrennungsmotoren, wundert sich grundsätzlich darüber, wie es sein kann, dass scheinbar nur bei der Software gemogelt wurde und im Nachhinein auch die Hardware verändert werden müsse: „Die entscheidende Frage ist: Welchen Aufbauzustand hatten die Fahrzeuge, die zur Zulassung vorgeführt wurden“ Der VW-1,6-Liter-Motor nach EU-5-Norm hat keine Abgas-Nachbehandlung zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen. „Er verfügt lediglich über innermotorische Maßnahmen, wie eine gekühlte Abgas-Rückführung, so wie das bei vergleichbaren Motoren anderer Hersteller auch üblich ist“, erklärt Huber.

Ein Grundproblem könnte laut dem Experten im vergleichsweise niedrigen Einspritzdruck von maximal 1600 bar liegen. Dadurch ist der Motor hinsichtlich der Gemischbildung limitiert: „Er kann nicht so ein feines Kraftstoffspray erzeugen, was sich nachteilig auf den Zündverzug und die Verbrennung auswirkt und die Emissionen erhöht“, so Huber. Andere Hersteller hätten in dieser Klasse meist 1800 bar, wobei aktuelle Common Rail Systeme im Pkw bis zu 2500 bar Spitzendruck liefern. Eine Lösung wäre also der Einbau einer neuen Einspritzanlage. Doch das sei von den Kosten eigentlich nicht darstellbar, weiß der THI-Professor: „Die Einspritzausrüstung ist die teuerste Baugruppe eines Diesel-Motors und kostet annähernd so viel wie der Grundmotor.“

Weil bei VW inzwischen aber die Rede von „kleinen Eingriffen“ am Motor und einem „finanziell überschaubaren“ Aufwand ist, könnte es sich auch um einen begrenzten Teiletausch handeln. So könnten etwa Teile der Einspritzanlage gewechselt werden – etwa die Injektoren oder die Einspritzpumpe. Das wäre dann billiger.

Sollten die Experten die „kleine Lösung“ ablehnen, würde es wohl richtig teuer: Eine Variante wäre dann die Nachrüstung eines sogenannten Denox-Speicherkatalysators. „Dieser ist aber nicht so leistungsfähig wie die SCR-Technik (Selective Catalytic Reduction), kommt aber dafür ohne den AdBlue-Zusatz aus“, erklärt Huber. Das System ist als zusätzliche Komponente im Abgas-Strang schwer nachzurüsten. Des Weiteren muss der Speicherkatalysator, vergleichbar mit einem Rußfilter, in bestimmten Abständen entladen werden, was den Kraftstoffverbrauch erhöht. Bei schwefelhaltigen Kraftstoffen sind darüber hinaus ein Entschwefelungsbetrieb für den Katalysator und ein Schwefelwasserstoff-Sperrkatalysator vorzusehen.

Eine letzte Option wäre die Nachrüstung mit SCR-Technik, wobei das Abgas mit wässriger Harnstofflösung – an der Tankstelle AdBlue genannt – nachbehandelt wird. Doch das sei ebenfalls extrem aufwendig. „Im Prinzip müsste man das Auto umfangreich zerlegen, um die dazu notwendigen Komponenten (Leitungen, Sensoren, AdBlue-Einspritzventil, SCR-Katalysator, AdBlue-Tank) einzubauen.“

Wenn eine Nachrüstung der Fahrzeuge mit vertretbarem Aufwand nicht gelingt, dann besteht eigentlich nur die Möglichkeit der Fahrzeugrücknahme, oder das Kraftfahrt-Bundesamt erlaubt die Einstufung der Fahrzeuge in die Emissionsklasse die sie aktuell erfüllen. Aus ökologischer Sicht, meint Huber, sei das aber natürlich unerwünscht.