Wiesbaden (DK
Anhaltender Bauboom

So viele Wohnungen genehmigt wie lange nicht Dennoch herrscht Mangel

19.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:17 Uhr

Wiesbaden (DK) Die Unterbringung von Flüchtlingen und die niedrigen Hypothekenzinsen sorgen für einen unverminderten Bauboom in Deutschland. In den ersten sieben Monaten 2016 wurden so viele Wohnungen genehmigt wie sei 2000 nicht mehr. Doch das reicht nicht, warnen Wirtschaftsvertreter.

Von Januar bis Juli wurde der Bau von 213 600 Wohnungen genehmigt, teilte das Statistische Bundesamt gestern in Wiesbaden mit. Das entspricht einem Plus von 26,1 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. Noch mehr Wohnungen wurden in den ersten sieben Monaten eines Jahres zuletzt 2000 bewilligt - damals waren es 216 000.

Mit den Zahlen setzt sich der Trend zu mehr Baugenehmigungen mit voller Kraft fort. Schon im 1. Halbjahr wurde ein Rekord seit der Jahrtausendwende verzeichnet. Doch trotz des Höhenflugs mangelt es hierzulande an bezahlbaren Wohnungen, kritisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Zwar stecken Städte und Kommunen nach Einschätzung von Vizepräsident Thomas Bauer seit der starken Zuwanderung von Flüchtlingen im vergangenen Jahr mehr Geld in die Errichtung erschwinglicher Wohnungen. "Es findet vieles statt", sagte er der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Fast jeder Landkreis habe Projekte. Es fehlten aber immer noch Wohnungen, und die Schaffung von billigem Wohnraum dauere viel zu lange, sagte Bauer. Er ist Vorstandsvorsitzender des Schrobenhausener Spezialtiefbau- und Maschinenbaukonzerns Bauer AG.

Auch die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) rechnet laut einer neuen Studie nicht mit schneller Entspannung. Zwar sei mit den steigenden Baugenehmigungen auch mit deutlich mehr fertig gestellten Wohnungen zu rechnen. In Deutschland gebe es aber einen Bedarf von jährlich 350 000 bis 400 000 neuen Wohnungen. Vermutlich werde erst im kommenden Jahr erstmals seit 2001 die Marke von 300 000 fertig gestellten Wohnungen überschritten, heißt es in der Helaba-Studie. "Die angespannte Situation am deutschen Wohnungsmarkt wird noch einige Zeit andauern", folgern die Analysten.

In den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres hat auch der Zustrom von Flüchtlingen die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland in die Höhe getrieben. Die Bewilligungen für Wohnungen in Wohnheimen, zu denen auch Flüchtlingsunterkünfte zählen, stiegen um 142 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. Insgesamt wurden in dem Bereich 13 794 Wohnungen genehmigt, 2015 waren es noch 5700.

Der Bauboom macht sich aber in allen Segmenten des Neubaus bemerkbar. So verzeichneten die Wiesbadener Statistiker bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ein Plus von 26,7 Prozent. Deutliche Zuwächse gab es ferner bei Zweifamilienhäusern (plus 15,1 Prozent) und Einfamilienhäusern (plus 7,6 Prozent).

Ein Grund für das starke Wachstum ist das extrem niedrige Zinsniveau. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen in der Euro-Zone auf das Rekordtief von null Prozent gesenkt. Baukredite sind so günstig wie seit Jahren nicht, während klassische Sparprodukte kaum noch Rendite abwerfen. Investoren flüchten daher auch verstärkt in Immobilien.