Stuttgart
Warnstreikwelle rollt

IG Metall erhöht im Tarifkonflikt den Druck auf Arbeitgeber - Streit um Arbeitszeit

08.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:59 Uhr

Stuttgart/Köln (DK) Die IG Metall demonstriert im Tarifkonflikt Entschlossenheit und ruft bundesweit die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie zu Warnstreiks auf. Sie sollen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Doch die bleiben - unterstützt von Wissenschaftlern - bei ihrer Position.

Vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall die angekündigte Warnstreikwelle anrollen lassen. Gestern legten nach Gewerkschaftsangaben bundesweit mehrere tausend Metaller zeitweise die Arbeit nieder, um ihrer Forderung nach mehr Geld und neuen Arbeitszeitregeln Nachdruck zu verleihen.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann forderte die Arbeitgeber erneut auf, von ihrem strikten Nein abzurücken und mit der Gewerkschaft über die Arbeitszeitforderung zu verhandeln. Die Arbeitgeber halten diese für unrechtmäßig und damit nicht verhandelbar. Die dritte Runde beginnt am Donnerstag im Südwesten. Bis dahin will die IG Metall den Druck sukzessive erhöhen und die Warnstreiks ausweiten. Erste Aktionen hatte es bereits vergangene Woche gegeben. Zuletzt waren die Metaller in Deutschland 2016 in Warnstreiks getreten.

Gestern beteiligten sich nach Angaben der IG Metall mehr als 3000 Mitarbeiter des Autobauers Porsche in Stuttgart am Warnstreik. In Berlin gingen laut Gewerkschaft rund 700 Metaller auf die Straße, in Hennigsdorf in Brandenburg versammelten sich Beschäftigte des Zugbauers Bombardier vor dem Werkstor. Die Gewerkschaft sprach von rund 300 Mitarbeitern, das Unternehmen von rund 200.

Unmittelbar nach Mitternacht hatten schon Mitarbeiter von Firmen im fränkischen Aschaffenburg und im westfälischen Iserlohn die Arbeit für kurze Zeit ruhen lassen. Weitere Aktionen gab es auch in Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland soll es heute losgehen.

"Wenn sich am Donnerstag am Verhandlungstisch nichts tut, dann werden die Arbeitgeber schnell spüren, wie sauer ihre Belegschaften sind", betonte Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück in Stuttgart. Nicht die Arbeitgeber hätten die hohen Gewinne erwirtschaftet, sondern die Beschäftigten.

Die IG Metall fordert sechs Prozent mehr Geld und für alle 3,9 Millionen Beschäftigten die Option, ihre Arbeitszeit befristet auf 28 Wochenstunden senken zu können. Schichtarbeiter, Eltern junger Kinder sowie pflegende Familienangehörige sollen einen Teillohnausgleich erhalten, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren. Dies lehnen die Arbeitgeber jedoch kategorisch ab. Sie bezeichnen die Forderung als unrechtmäßig, weil daraus Ungleichbehandlungen gegenüber Mitarbeitern entstünden, die bereits ohne Ausgleich in Teilzeit arbeiten. Sie berufen sich auf ein arbeitsrechtliches Gutachten, das diese Sichtweise stützt.

Hagen Lesch, Tarifexperte beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sieht die Gewerkschaftsforderung nach weniger Arbeit mit Lohnausgleich gleich in zweifacher Hinsicht problematisch. Im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion sagte er, zum einen drohe den Unternehmen "der Verlust der Arbeitszeit, der ausgeglichen werden müsste". Dazu müsste die IG Metall längere Arbeitszeiten für diejenigen zulassen, die dies wünschten.

Das noch größere Problem wäre die "unfaire Diskriminierung derjenigen, die keinen Lohnausgleich erhalten, vor allem gegenüber denen, die schon heute Teilzeit arbeiten". Damit würden bestimmte Gruppen in der Belegschaft bevorteilt - und das sei "juristisch fragwürdig", so Lesch. "Außerdem bezweifle ich, dass die Beschäftigten mehrheitlich dazu bereit sind, einen Solidarlohn zu zahlen."

Hinsichtlich der Lohnforderung der IG Metall gab sich Lesch zuversichtlich: "Die Forderung fällt im Vergleich zu vergangenen Zeiten nicht aus dem Rahmen. Beim Entgelt werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer daher einigen können." Die Arbeitgeber haben der IG Metall Lohnzuwächse von zwei Prozent plus eine Einmalzahlung angeboten. Sie verlangen aber auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten nach oben.