München
"Wir müssen neue Wege gehen"

Handwerkspräsident Franz-Xaver Peteranderl über den Fachkräftemangel und den Diesel-Skandal

15.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:29 Uhr

Bayerns Handwerkspräsident Franz-Xaver Peteranderl. - Foto: Stäbler

München (DK) Franz-Xaver Peteranderl erscheint zum Interview in Jeans und Sicherheitsschuhen - direkt von der Baustelle. Eigentlich wollte der Bauunternehmer aus Garching im Betrieb kürzertreten, nachdem er im vergangenen Jahr an die Verbandspitze des bayerischen Handwerks gewählt wurde. Doch bisher hat der 62-Jährige keinen Nachfolger gefunden, was einen direkt zum Thema Fachkräftemangel bringt. Dieser werde die Betriebe "noch auf Jahre hinaus beschäftigen", sagt Peteranderl.

Herr Peteranderl, Sie führen ein Bauunternehmen mit rund 15 Mitarbeitern. Hatten Sie zuletzt Probleme, geeignetes Personal zu finden?

Franz-Xaver Peteranderl: Lediglich was meine eigene Position betrifft. Da suche ich weiterhin nach einer Führungskraft, die mich entlastet. Ansonsten habe ich bislang stets geeignete Mitarbeiter gefunden, allerdings soll mein Betrieb zurzeit auch nicht größer werden.

 

Damit sind Sie - gerade im Baugewerbe - die Ausnahme. Und auch insgesamt geht es dem bayerischen Handwerk prächtig - wäre da nicht der Fachkräftemangel.

Peteranderl: Ja, den Fachkräftemangel gibt es - und zwar über alle Branchen hinweg. Wir steuern dieses Jahr im bayerischen Handwerk auf ein Umsatzplus von nominal 3,5 Prozent zu. Doch das Wachstum könnte noch stärker sein, wenn die Betriebe genügend Fachkräfte finden würden.

 

Der Personalmarkt ist angesichts der guten Konjunktur wie leer gefegt, gerade in Regionen wie dem Raum Ingolstadt. Wie können Handwerksbetriebe mit der Industrie mithalten, die oft deutlich mehr bezahlt?

Peteranderl: Vielen Beschäftigten geht es nicht nur ums Finanzielle. Und in einem Handwerksbetrieb hat man als Mitarbeiter viele Vorteile, weil man den Chef persönlich kennt. Ich denke da etwa an Aufstiegsmöglichkeiten oder an die Vereinbarkeit von Job und Familie. Und trotzdem: Wir müssen wegen des Fachkräftemangels im Handwerk auch neue Wege gehen.

 

Wie können diese aussehen?

Peteranderl: Wir haben zum Beispiel im Baugewerbe eine Kooperation mit dem Kosovo geschlossen, um junge Menschen nach Bayern zu holen, die hier eine Ausbildung machen. Und auch bei der Integration von Flüchtlingen sehe ich noch Luft nach oben.

 

Viele Betriebe haben große Hoffnungen in die Geflüchteten gesetzt. Inzwischen herrscht eher Ernüchterung.

Peteranderl: In der Anfangszeit sind einige Betriebe frustriert gewesen - auch wegen der unterschiedlichen Vorgehensweisen der Ausländerbehörden in den Landkreisen. Mittlerweile hat sich das aber besser eingespielt. Und die Rückmeldungen, die wir von den Betrieben erhalten, die Flüchtlinge einstellen, sind in der Regel positiv.

 

Der Zuwanderung zum Trotz: Das Handwerk wird weiter auf die Ausbildung angewiesen sein. Und hier haben gerade Berufe wie Metzger oder Bäcker ein Imageproblem.

Peteranderl: Zunächst mal ist es so, dass das Handwerk in Bayern seine Ausbildungszahlen zum Start des Lehrjahres sogar leicht verbessern konnte - das ist angesichts des demografischen Wandels ein schöner Erfolg. Dennoch müssen wir weiter für unsere Berufe werben, gerade bei den Eltern. Ihnen müssen wir sagen, dass eine Ausbildung kein sozialer Abstieg ist, sondern etwas sehr Positives. Sie macht sich im Lebenslauf viel besser als ein Studium, das man nach drei Semestern abbricht.

 

Aber wie wollen Sie einem 16-Jährigen bei einer Arbeitsmarktsituation wie zurzeit im Raum Ingolstadt den Metzgerberuf schmackhaft machen - angesichts der Arbeitszeiten und mauer Bezahlung?

Peteranderl: Das ist sicher nicht leicht. Aber gerade bei Metzgern gibt es seit einiger Zeit vermehrt Jungunternehmer, die neue Wege gehen, die konsequent auf Qualität aus der Region setzen, die ihre Produkte auch im Internet anbieten - und die ihre Kunden finden. Zudem ist es so, dass die Digitalisierung längst im Handwerk angekommen ist. Ein Bäckereibetrieb ist heute ein Hightech-Unternehmen.

 

Ein Thema, das nicht nur Bäckereien derzeit umtreibt, sondern das gesamte Handwerk, ist die Diesel-Debatte.

Peteranderl: Da positionieren wir uns klar und sagen: Fahrverbote sind auch mittelfristig keine Option. Gerade bei Transportern zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen gibt es aktuell keine Alternative zum Diesel. Viele Betriebe haben sich kürzlich neue Fahrzeuge mit Euro-5-Diesel angeschafft. Wenn diese nun nicht mehr in die Umweltzonen dürfen, ist das auch wegen des Wertverlusts existenzgefährdend für sie.

 

Und wie erklären Sie das der Frau, die an der Landshuter Allee in München wohnt, wo die Schadstoffgrenzen seit Jahren nicht eingehalten werden?

Peteranderl: Dieser Frau und allen anderen, die dort wohnen, muss man auch klarmachen, dass die Luft in München trotzdem noch nie so sauber war wie jetzt. Der Diesel ist nach wie vor der effizienteste Motor, den wir haben. Und auch bei der Umweltbilanz liegt er noch vorne.

 

Das Interview führte Patrik Stäbler.