München (DK
"Noch tragbarer Kompromiss"

Bayerische Metallindustrie übernimmt Pilotabschluss aus Baden-Württemberg

08.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:50 Uhr

München (DK) Die bayerische IG Metall frohlockt, die Arbeitgeber befürchten dagegen eine weitere Tarifflucht ihrer Betriebe. Aber jetzt gilt der Metallabschluss auch im Freistaat. Samt einem Extra-Detail.

Die Tarifparteien der bayerischen Metall- und Elektroindustrie haben den Pilotabschluss aus Baden-Württemberg gestern übernommen. Damit erhalten die meisten der 846 000 Beschäftigten der Branche im Freistaat ab April 4,3 Prozent mehr Geld und im nächsten Jahr noch Zusatzzahlungen. Außerdem können die Beschäftigten für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken. Im Gegenzug dürfen die Betriebe dann mehr 40-Stunden-Verträge abschließen.

Nach mehrstündigen Verhandlungen einigten sich IG Metall und Arbeitgeberverband vbm in München außerdem darauf, dass die Betriebe Langzeitkonten auf freiwilliger Basis einführen können - "als bayerische Besonderheit". Laut IG Metall verpflichtet sich der vbm, seine Schadensersatzklage wegen der Warnstreiks gegen die IG Metall zurückzuziehen.

Vbm-Verhandlungsführerin Angelique Renkhoff-Mücke sagte, der Abschluss sei insgesamt "ein noch tragbarer Kompromiss", auch dank der langen Laufzeit von 27 Monaten. Das schaffe für die Unternehmen lange Planungssicherheit. Mit den "neu geschaffenen tariflichen Möglichkeiten für eine erheblichen Ausweitung des Arbeitszeitvolumens" könnten die Betriebe künftig mit der eigenen Belegschaft dem Fachkräftemangel begegnen. "Den Beschäftigten steht damit sowohl die Ausweitung als auch die Reduzierung ihrer Arbeitszeit offen. Flexibilität ist besonders wichtig für die Zukunftsfähigkeit unseres Standorts", erklärte Renkhoff-Mücke.

"Die hohe Entgeltsteigerung geht allerdings an die Belastungsgrenze und für manche Unternehmen auch darüber hinaus. Daher steht eine Erosion der Tarifbindung zu befürchten", so die vbm-Verhandlungsführerin. Nur noch 475 000 Metaller, also gut die Hälfte, arbeiten heute in tarifgebundenen Betrieben.

Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler sagte, mit Warnstreiks hätten sich die Beschäftigten das Ergebnis erkämpft. Sie könnten künftig über ihre Arbeitszeit mitbestimmen. Das werde in anderen Branchen Schule machen. Eltern, Pflegende und Schichtarbeiter können statt des tariflichen Zusatzgeldes acht zusätzliche freie Tage bekommen. Zwei dieser Tage finanziert der Arbeitgeber.

Am Dienstag hatten sich die IG Metall und die Arbeitgeber in Baden-Württemberg auf einen Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie geeinigt. Vorausgegangen war zuletzt eine Welle ganztätiger Warnstreiks. Daran beteiligten sich laut IG Metall bundesweit rund 500 000 Beschäftigte. Das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft (IW) Köln hatte die durch die Warnstreiks für die Betriebe entstandenen Einbußen auf 771 bis 895 Millionen Euro geschätzt. Die Gewerkschaft hatte für den Fall, dass sich die Arbeitgeber nicht bewegten, mit einer Verschärfung des Arbeitskampfes gedroht.