München
Immer mehr Gewerbesteuer

Bayerische Wirtschaft warnt vor einer Politik wie in Nordrhein-Westfalen

19.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:47 Uhr

Foto: DK

München (DK) Kommunen klagen gern, dass ihnen das Geld nicht reicht: Die Ausgaben steigen, die Einnahmen sinken. Doch ist das tatsächlich so? Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) hat nachgerechnet - und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.

Vor allem dank kontinuierlich wachsender Gewerbesteuerhebesätze füllen sich auch in Bayern seit Jahren die Stadtsäckel. Im Jahr 2013 waren es 8,2 Milliarden Euro, im Jahr darauf schon 8,6 Milliarden und 2015 bereits 8,8 Milliarden. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer im Freistaat fast verdoppelt, auf etwa 330 Euro pro Jahr und Einwohner.

Einige Kommunen wie etwa Augsburg kennen dabei kein Halten mehr: Dort wurde der Hebesatz zuletzt von 435 auf 470 erhöht. Ingolstadt dagegen widersteht auch in harten Zeiten der Versuchung - und erntet dafür Lob vom vbw: "Die haben es unverändert gelassen."

Die Gewerbesteuer ist mit einem Anteil von etwa 40 Prozent an allen Einnahmen die wichtigste Geldquelle der Kommunen. Ihre Höhe wird durch die Anwendung des Hebesatzes berechnet, den die Stadt- beziehungsweise Gemeinderäte jedes Jahr neu beschließen. Um die tatsächliche Steuerschuld einer Firma zu berechnen, wird der Faktor des Hebesatzes mit dem Steuermessbetrag (den gibt das Finanzamt vor) multipliziert. Seit gut zehn Jahren ist in Deutschland ein Mindesthebesatz von 200 Prozent vorgesehen.

Allerdings zahlen meist mehr als 60 Prozent der Unternehmen an einem Ort gar keine Gewerbesteuer mehr, ein weiteres Drittel erbringt weniger als zehn Prozent der Gesamtsumme. Im Schnitt steuern weniger als ein Prozent der örtlichen Firmen - in kleinen Orten ist das oft nur eine einzige - drei Viertel der Gesamtsumme bei. "Wenn es sich dabei dann um die Niederlassung eines ausländischen Konzerns handelt, stellt sich für die rasch die Standortfrage", weiß vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. "Viele Kommunalpolitiker übersehen leider immer öfter den Zusammenhang zwischen maßvoller Steuerpolitik und Standortentwicklung."

Dass ein Unternehmer-Lobbyist die Gewerbesteuer kritisch sieht, überrascht nicht wirklich. Aber um deren generelle Existenz geht es der vbw und Brossardt gar nicht. Alternativen für den Fall einer Streichung - etwa ein höherer Anteil der Kommunen an der Lohnsteuer - werden von allen Parteien außer der FDP abgelehnt.

Aber Brossardt kann mit Zahlen belegen, dass es Kommunen mit steigenden Gewerbesteuersätzen keineswegs besser, sondern sogar eher schlechá †ter geht. Die Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen etwa bittet Firmen mit dem Spitzenwert von 750 Prozent zur Kasse - und gehört doch zu den ärmsten und verschuldetsten Kommunen des Landes. Jeder der rund 186 000 Einwohner steht mit 7400 Euro in der Kreide - Platz eins in Deutschland.

Die Schuld daran liegt nicht allein im Hagener Rathaus und im dortigen Stadtrat. Die jeweiligen Landesregierungen können Kommunen nämlich regelrecht dazu zwingen, die Hebesätze zu erhöhen. In NRW kurbelte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit ihrer Sozialausgabenpolitik die Schuldenspirale in den Kommunen seit ihrem Amtsantritt 2010 erst richtig an, indem sie die Gemeinden zwang, ständig neue Wohltaten zu gewähren.

Dass sich so etwas langsam auch in Bayern breit macht, davor warnt Bertram Brossardt eindringlich. "Denn der Vergleichsmaßstab für die Unternehmen ist niemals der deutsche Schnitt oder ein anderes Bundesland - sondern der internationale Maßstab", so der vbw-Hauptgeschäftsführer.